Гюстав Флобер

Gesammelte Werke von Gustave Flaubert


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beste Gattin, sanft wie ein Lamm, brav und treu zu Kindern, Vater, Mutter, Vettern und Basen. Keinen Menschen konnte sie leiden sehen, und in der Wirtschaft ließ sie alles drunter und drüber gehn. Sie war eine Feindin des Korsetts, sah sehr gewöhnlich aus und war in ihrer Unterhaltung höchst beschränkt. Alles in allem war sie eine ebenso harmlose wie langweilige Dame. Obgleich sie dreißig Jahre alt war und er zwanzig, obwohl er Tür an Tür mit ihr schlief und obgleich er täglich mit ihr sprach, war es ihm doch noch nie in den Sinn gekommen, daß sie irgendjemandes Frau sein könne und mit ihren Geschlechtsgenossinnen mehr gemeinsam habe als die Röcke.

      Und wen gab es außerdem noch? Den Steuereinnehmer Binet, ein paar Kaufleute, zwei oder drei Kneipwirte, den Pfaffen, dann den Bürgermeister Túvache und seine beiden Söhne, großprotzige, mürrische, stumpfsinnige Kerle, die ihre Äcker selber pflügten, unter sich Gelage veranstalteten, scheinheilige Duckmäuser, mit denen zu verkehren glatt unmöglich war.

      Von dieser Masse alltäglicher Leute hob sich Emmas Gestalt ab, einsam und doch unerreichbar. Ihm wenigstens war es, als lägen tiefe Abgründe zwischen ihr und ihm. In der ersten Zeit hatte er Bovarys hin und wieder zusammen mit Homais besucht, aber er hatte die Empfindung, als sei der Arzt durchaus nicht davon erbaut, ihn bei sich zu sehen, und so schwebte Leo immer zwischen der Furcht, für aufdringlich gehalten zu werden, und dem Verlangen nach einem vertraulichen Umgang, der ihm so gut wie unmöglich schien.

      Viertes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Sobald es herbstlich zu werden begann, siedelte Emma aus ihrem Zimmer in die Große Stube über, einem länglichen niedrigen Raume im Erdgeschosse. Gewöhnlich saß sie am Fenster in ihrem Lehnstuhle und betrachtete die Leute, die draußen vorübergingen.

      Leo kam täglich zweimal vorbei, auf seinem Wege nach dem Goldnen Löwen und zurück. Seine Tritte erkannte Emma schon von weitem. Sie neigte sich jedesmal vor und lauschte, und der junge Mann glitt an der Scheibengardine vorüber, immer tadellos gekleidet und ohne den Kopf zu wenden. Oft aber in der Dämmerung, wenn sie, auf dem Schoße die begonnene Stickerei, verträumt dasaß, überlief sie ein Schauer beim plötzlichen Vorübergleiten seines Schattens. Dann fuhr sie auf und befahl das Essen.

      Der Apotheker kam mitunter während der Tischzeit. Sein Käppchen in der Hand, trat er geräuschlos ein, um ja niemanden zu stören, jedesmal mit derselben Redensart: »Guten Abend, die Herrschaften!« Er setzte sich an den Tisch zwischen das Ehepaar und fragte den Arzt, ob er neue Patienten habe, worauf sich Bovary seinerseits erkundigte, ob diese auch zahlungsfähig seien. Sodann unterhielten sich die beiden über das, was in der Zeitung gestanden hatte. Um diese Stunde wußte Homais sie bereits auswendig. Er rekapitulierte sie von Anfang bis zu Ende: den Leitartikel genau so wie alle darin berichteten merkwürdigen Vorgänge des In-und Auslands. Wenn auch dieser Gesprächsstoff erschöpft war, konnte er ein paar Bemerkungen über die Gerichte auf dem Tische nicht unterdrücken. Manchmal erhob er sich sogar ein wenig und machte Frau Bovary artig auf das zarteste Stück Fleisch aufmerksam, oder er wandte sich an das Dienstmädchen und gab ihr Ratschläge über die Zubereitung eines Ragouts oder über die richtige Verwendung der Gewürze. Er verstand mit erstaunlicher Fachkenntnis über aromatische Zutaten, Fleischertrakte, Saucen und Säfte zu sprechen. Er hatte in seinem Kopfe mehr Rezepte als Arzneiflaschen in seiner Apotheke. In der Herstellung von Konfitüren, Weinessig und süßen Likören war er ein Meister. Ferner kannte er auch alle neuen Erfindungen auf dem Gebiete der Küchenökonomie, nicht minder das beste Verfahren, Käse zu konservieren und verdorbne Weine wieder verwendbar zu machen.

      Um acht Uhr erschien Justin, der Lehrling, um seinen Herrn zum Schließen des Ladens zu holen. Homais pflegte ihm einen pfiffigen Blick zuzuwerfen, zumal wenn Felicie zufällig im Zimmer war. Er kannte nämlich die Vorliebe seines Famulusses für das Haus des Arztes.

      »Der Schlingel setzt sich Allotria in den Kopf!« meinte er. »Der Teufel soll mich holen: ich glaub, er hat sich in Ihr Dienstmädel verguckt!«

      Übrigens machte er ihm noch einen schwereren Vorwurf: er horche auf alles, was in seinem Hause gesprochen würde. Beispielweise sei er an den Sonntagen nicht aus dem Salon hinauszubringen, wenn er die schon halb eingeschlafenen Kinder hole, um sie ins Bett zu schaffen.

      An diesen Sonntagsabenden erschienen übrigens nur wenige Gäste. Homais hatte sich nach und nach mit verschiedenen Hauptpersönlichkeiten des Ortes wegen seiner Klatschsucht und seiner politischen Ansichten überworfen. Aber der Adjunkt stellte sich regelmäßig ein. Sobald er die Haustürklingel hörte, eilte er Frau Bovary entgegen, nahm ihr das Umschlagetuch ab und die Überschuhe, die sie bei Schnee trug.

      Zunächst machte man ein paar Partien Dreiblatt, sodann spielten Emma und der Apotheker Ecarté. Leo stand hinter ihr und half ihr. Die Hände auf die Rückenlehne ihres Stuhles gestützt, betrachtete er sich die Zinken des Kammes, der ihr Haar zusammenhielt. Bei jeder ihrer Bewegungen während des Kartenspiels raschelte ihr Kleid. Im Nacken, unterhalb des heraufgesteckten Haares, hatte ihre Haut einen bräunlichen Farbenton, der sich nach dem Rücken zu aufhellte und im Schatten des Kragens verschwamm. Ihr Rock bauschte sich zu beiden Seiten des Stuhlsitzes auf; er schlug eine Menge Falten und bedeckte ein Stück des Bodens. Wenn Leo hin und wieder aus Versehen mit der Sohle seines Schuhes darauf geriet, zog er den Fuß rasch zurück, als habe er einen Menschen getreten.

      Wenn die Partie zu Ende war, begannen Homais und Karl Domino zu spielen. Emma setzte sich dann an das andre Ende des Tisches und sah sich, die Ellbogen aufgestützt, die »Illustrierte Zeitung« an. Oft hatte sie auch ihren »Bazar« mitgebracht. Leo nahm neben ihr Platz. Sie betrachteten zusammen die Holzschnitte und warteten mit dem Umblättern aufeinander. Manchmal bat sie ihn, Gedichte vorzulesen. Leo trug mit langsamer Stimme vor, die bei verliebten Stellen flüsternd wurde. Das Klappern der Dominosteine störte ihn. Der Apotheker war ein gerissener Spieler und hatte dabei auch noch unverschämtes Glück. Wenn die dreihundert Points erreicht waren, setzten sich die Spieler an den Kamin, und es dauerte nicht lange, da waren sie alle beide eingenickt. Das Feuer im Kamin war im Erlöschen, die Teekanne leer. Leo las weiter, und Emma hörte ihm zu, wobei sie halb unbewußt in einem fort den Lampenschirm herumdrehte, auf dessen dünnen Kattun Pierrots in einer Kutsche und Seiltänzerinnen mit Balancierstangen aufgedruckt waren. Mit einem Male hielt der Leser inne und wies durch eine Geste auf die eingeschlafene Zuhörerschaft, und nun sprachen sie lispelnd miteinander. Diese leise Plauderei dünkte beide um so süßer, als niemand ihrer lauschte.

      So bestand zwischen ihnen eine gewisse Gemeinschaft und ein fortwährender Austausch von Romanen und Gedichtbüchern. Karl, der keine Neigung zur Eifersucht besaß, hatte nichts dagegen. Zu seinem Geburtstage bekam er einen phrenologischen Schädel, der über und über mit blauen Linien und Zeichen bedeckt war, eine Aufmerksamkeit Leos. Andre folgten. Er fuhr sogar mitunter nach Rouen, um dort Besorgungen für das Ehepaar zu machen. Als infolge eines Moderomans die Kakteen in Beliebtheit kamen, brachte er ein Exemplar, das er während der Fahrt in der Post vor sich auf den Knien hielt. Das stachlige Ding zerstach ihm alle Finger.

      Emma ließ vor ihrem Fenster ein kleines Blumenbrett für ihre Blumentöpfe anbringen, ganz so, wie der Adjunkt eins hatte. Beim Begießen ihrer Blumen sahen sich die beiden.

      Eines Abends, als Leo nach Haus kam, fand er in seinem Zimmer eine Reisedecke aus mattfarbenem Samt, auf dem mir Seide und Wolle Blumen und Blätter gestickt waren. Er zeigte sie Frau Homais, dem Apotheker, dem Lehrling, den Kindern und der Köchin; sogar seinem Chef erzählte er davon. Alle Welt wollte nun die Decke sehen. Aber warum machte die Frau des Doktors dem Adjunkten so kostbare Geschenke? Das war doch sonderbar. Und alsobald stand es unumstößlich fest: sie war »seine gute Freundin.«

      Leo verstärkte unvorsichtigerweise diesen Klatsch, weil er unaufhörlich und vor jedermann von Emmas Schönheit und Klugheit schwärmte. Binet wurde ihm deshalb einmal gehörig grob:

      »Was geht mich denn das an? Ich gehöre nicht zu der Clique!«

      Der Verliebte marterte sich mit Grübeleien ab, wie er sich Emma erklären könne. Er schwankte fortwährend zwischen der Furcht, sich ihren Unwillen zuzuziehen,