Гюстав Флобер

Gesammelte Werke von Gustave Flaubert


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einzeln betonend: »Ich – ken – ne – wel – che!«

      »Na ja,« meinte Bournisien nachgiebig, »die Betreffenden haben da aber etwas Unrechtes getan.«

      »Was Unrechtes? Der Teufel soll mich holen! Sie taten noch ganz andre Dinge!«

      »Herr – Apo – the – ker!« rief der Geistliche mit einem so zornigen Blicke, daß Homais eingeschüchtert wurde und einlenkte:

      »Ich wollte damit ja nur sagen, daß die Toleranz die beste Fürsprecherin der Kirche ist.«

      »Sehr wahr! Sehr wahr!« gab der gutmütige Pfarrer zu, indem er sich wieder in seinen Stuhl zurücklehnte. Er blieb aber nur noch ein paar Minuten.

      Als er fort war, sagte Homais zu Bovary:

      »Das war eine ordentliche Abfuhr! Dem hab ichs mal gesteckt! Sie habens ja mit angehört! Um darauf zurückzukommen: tun Sie das ja, führen Sie Ihre Frau in das Theater, und wenns bloß deshalb wäre, um diesen schwarzen Raben damit zu ärgern. Sapperlot! Wenn ich einen Vertreter hätte, begleitete ich Sie selber! Aber halten Sie sich dazu! Lagardy singt nur einen einzigen Abend. Er hat ein Engagement nach England für ein Riesenhonorar! Übrigens soll er ein toller Schwerenöter sein! Er schwimmt im Gold! Drei Geliebte bringt er mit und seinen Leibkoch! Alle diese großen Künstler können nicht rechnen. Sie brauchen ein verschwenderisches Dasein, es regt ihre Phantasie an. Freilich enden sie im Spittel, weil sie in jungen Jahren nicht zu sparen verstehen … Na, gesegnete Mahlzeit! Auf Wiedersehn!«

      Der Gedanke, das Theater zu besuchen, schlug in Bovarys Kopfe schnell Wurzel. Er redete Emma in einem fort zu. Anfangs wollte sie nichts davon wissen und meinte, sie fühle sich zu schwach, es sei zu beschwerlich und zu kostspielig. Ausnahmsweise gab Karl nicht nach, zumal er sich einbildete, daß ihr diese Zerstreuung sehr dienlich wäre. Irgendwelche Schwierigkeit lag nicht vor. Seine Mutter hatte ihm jüngst ganz unvermutet dreihundert Franken geschickt. Die laufenden Ausgaben waren nicht groß, und die Wechselschuld bei Lheureux war noch lange nicht fällig, so daß er daran nicht zu denken brauchte. Er dachte, Emma sträube sich nur aus Rücksicht auf ihn. Deshalb bestürmte er sie immer mehr, bis sie seinen Bitten schließlich nachgab. Am andern Morgen um acht Uhr fuhren sie mit der Post ab.

      Den Apotheker hielt nichts Dringliches in Yonville zurück, aber er hielt sich für unabkömmlich. Als er die beiden einsteigen sah, jammerte er.

      »Glückliche Reise!« sagte er. »Habt ihrs gut!« Und zu Emma gewandt, fügte er hinzu: »Sie sehen zum Anbeißen hübsch aus! Sie werden in Rouen Furore machen!«

      Die Post spannte in Rouen im »Roten Kreuz« am Beauvoisine-Platz aus. Das war ein regelrechter Vorstadtgasthof mit geräumigen Ställen und winzigen Fremdenzimmern. Mitten im Hofe lief eine Schar Hühner herum, die unter den verschmutzten Einspännern der Geschäftsreisenden ihre Haferkörner aufpickten. Es war eine der Herbergen aus der guten alten Zeit. Sie haben morsche Holzbalkone, die in den Winternächten im Winde knarren; die Gäste, der Lärm und die Esserei werden in ihnen nie alle; die schwarzen Tischplatten sind voller großer Kaffeeflecke, die trüben dicken Fensterscheiben voller Fliegenschmutz und die feuchten Servietten voller Rotweinspuren. Auf der Straßenseite gibt es ein Café und hinten nach dem Freien zu einen Gemüsegarten. Alles trägt einen ländlichen Anstrich.

      Karl machte sofort einen Besorgungsgang. An der Theaterkasse wußte er nicht, was Parkett, Proszeniumsloge, erster Rang und Galerie war; er bat um Auskunft, wurde dadurch aber auch nicht klüger. Der Kassierer wies ihn in die Direktion. Schließlich rannte er noch einmal in den Gasthof zurück, dann wieder an die Kasse. Auf diese Weise lief er mehrmals durch die halbe Stadt.

      Frau Bovary kaufte sich einen neuen Hut, Handschuhe und Blumen. Karl war fortwährend in Angst, den Beginn der Oper zu versäumen. Und so nahmen sie sich beide keine Zeit, einen Bissen zu sich zu nehmen. Als sie aber vor dem Theater ankamen, waren die Türen noch geschlossen.

      Fünfzehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Eine Menge Menschen umlagerte die Eingänge. Überall an den Ecken der in der Nähe gelegenen Straßen prangten riesige Plakate, die in auffälligen Lettern ausschrien:

      LUCIA VON LAMMERMOOR … OPER … DONIZETTI … GASTSPIEL … LAGARDY …

      Es war ein schöner, aber heißer Tag. Der Schweiß rann den Leuten über die Stirn, und sie fächelten ihren erhitzten Gesichtern mit den Taschentüchern Kühlung zu. Hin und wieder wehte lauer Wind vom Strome her und blähte ein wenig die Leinwandmarkisen der Restaurants. Weiter unten, an den Kais, wurde man durch einen eisigen Luftzug abgekühlt, in den sich Gerüche von Talg, Leder und Öl aus den zahlreichen dunklen, vom Rollen der großen Fässer lärmigen Gewölben der Karren-Gasse mischten.

      Aus Furcht, sich lächerlich zu machen, schlug Frau Bovary vor, noch nicht in das Theater hineinzugehen und erst einen Spaziergang durch die Hafenpromenaden zu machen. Dabei hielt Karl die Eintrittskarten, die er in der Hosentasche trug, vorsichtig mit seinen Fingern fest und drückte sie gegen die Bauchwand, so daß er sie in einem fort fühlte.

      In der Vorhalle bekam Emma Herzklopfen. Als sie wahrnahm, daß sich der Menschenschwall die Nebentreppen nach den Galerien hinaufschob, während sie selbst die breite Treppe zum ersten Range emporschreiten durfte, lächelte sie unwillkürlich vor Eitelkeit. Es gewährte ihr ein kindliches Vergnügen, die breiten vergoldeten Türen mit der Hand aufzustoßen. In vollen Zügen atmete sie den Staubgeruch der Gänge ein, und als sie in ihrer Loge saß, machte sie sichs mit einer Ungezwungenheit einer Principessa bequem.

      Das Haus füllte sich allmählich. Die Operngläser kamen aus ihren Futteralen. Die Stammsitzinhaber nickten sich aus der Entfernung zu. Sie wollten sich hier im Reiche der Kunst von der Unrast ihres Krämerlebens erholen, doch sie vergaßen die Geschäfte nicht, sondern redeten noch immer von Baumwolle, Fusel und Indigo. Das waren Grauköpfe mit friedfertigen Alltagsgesichtern; weiß in der Farbe von Haar und Haut, glichen sie einander wie abgegriffene Silbermünzen. Im Parkett paradierten die jungen Modenarren mit knallroten und grasgrünen Krawatten. Frau Bovary bewunderte sie von oben, wie sie sich mit gelbbehandschuhten Händen auf die goldenen Knäufe ihrer Stöcke stützten. Jetzt wurden die Orchesterlampen angezündet, und der Kronleuchter ward von der Decke herabgelassen. Sein in den Glasprismen widerglitzerndes Lichtmeer brachte frohe Stimmung in die Menschen. Dann erschienen die Musiker, einer nach dem andern, und nun hub ein wirres Getöse an von brummenden Kontrabässen, kratzenden Violinen, fauchenden Klarinetten und winselnden Flöten. Endlich drei kurze Schläge mit dem Taktstocke des Kapellmeisters. Paukenwirbel, Hörnerklang. Der Vorhang hob sich.

      Auf der Bühne ward eine Landschaft sichtbar: ein Kreuzweg im Walde, zur Linken eine Quelle, von einer Eiche beschattet. Bauern, Mäntel um die Schultern, sangen im Chor ein Lied. Dann tritt ein Edelmann auf, der die Geister der Hölle mit gen Himmel gereckten Armen um Rache anfleht. Noch einer erscheint. Beide gehen zusammen ab. Der Chor singt von neuem.

      Emma sah sich in die Atmosphäre ihrer Mädchenlektüre zurückversetzt, in die Welt Walter Scotts. Es war ihr, als höre sie den Klang schottischer Dudelsäcke über die nebelige Heide hallen. Die Erinnerung an den Roman des Briten erleichterte ihr das Verständnis der Oper. Aufmerksam folgte sie der intriganten Handlung, während eine Flut von Gedanken in ihr aufwallte, um alsbald unter den Wogen der Musik wieder zu verfließen. Sie gab sich diesen schmeichelnden Melodien hin. Sie fühlte, wie ihr die Seele in der Brust mit in Schwingungen geriet, als strichen die Violinenbogen über ihre Nerven. Sie hätte hundert Augen haben mögen, um sich satt sehen zu können an den Dekorationen, Kostümen, Gestalten, an den gemalten und doch zitternden Bäumen, an den Samtbaretten, Rittermänteln und Degen, an allen diesen Trugbildern, in denen eine so seltsame Harmonie wie um Dinge einer ganz andern Welt lebte … Eine junge Dame trat auf, die einem Reitknecht in grünem Rocke eine Börse zuwarf. Dann blieb sie allein, und nun kam ein Flötensolo, zart wie Quellengeflüster und Vogelgezwitscher. Lucia begann ihre Kavatine in G-Dur. Sie sang von unglücklicher Liebe und wünschte sich Flügel. Ach, auch Emma hätte aus diesem Leben fliehen mögen, weit