Helmut Kratzl

Brot des Lebens


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Klasse war. Wir beteten und sangen und ließen ein Marienbild zurück, mit der Erklärung, für Jesus werde in diesem Jahr in dieser Familie „Herberge“ gesucht. Später habe ich dann bei offiziellen bischöflichen Visitationen in den Pfarren fast immer über die Verantwortung von Eltern und Gemeinde für die Kommunionerziehung der Kinder gesprochen. Das Erstkommunionjahr könnte für die ganze Familie wie eine eucharistische Katechese wirken.

       Was die Kinder verstehen

      Kinder fragen nicht nach der dogmatischen Erklärung für die „Verwandlung“ des Brotes. Sie freuen sich aber, wenn man ihnen aus der Bibel erzählt, wie sie zu der besonderen „Gesellschaft“ Jesu gehören. Z. B. wie Jesus seine Jünger belehrte, die die Kinder – offenbar weil sie „störten“ – zurückdrängen wollten: „Lasst diese Kinder zu mir kommen, hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 19,13ff.).

      Auch der Bub begeistert sie, der laut Joh 6,9 der Einzige war, der schlauerweise Proviant mitgenommen hatte, fünf Brote und zwei Fische, der sie freiwillig hergab und so die Speisung der fünftausend Männer ermöglichte. Von seinem Opfer blieben dann noch zwölf volle Körbe übrig. Gerne erzähle ich den Kindern auch, mit welcher Sehnsucht sich Jesus nach dem letzten Abendmahl sehnte und dass dort dann einer, den Jesus besonders liebte, wie es in der Bibel heißt, ganz nahe bei ihm zu Tische lag. In meinem Brevier habe ich ein Bild von dieser Szene. Da denke ich mir oft: So nahe möchte auch ich Jesus sein!

      Aus dem „Codex Aureus“ (Blatt 108/109)

       „Das Wunder der Brotvermehrung“

      zwischen 1030 und 1050, Kalbspergament, 44,5 × 31 cm

      Benediktinerabtei Echternach

      Germanisches Nationalmuseum Nürnberg

       „Und er gab den Jüngern die Brote, die Jünger aber gaben sie dem Volk.“

       (Mt 14,19)

      Der prachtvoll gestaltete Golddeckel sowie die durchgehend goldfarbene Schrift haben dem reich illustrierten Codex seinen Namen gegeben. Auffallend in der Miniatur von der Speisung der Fünftausend ist die strenge Symmetrie der Verteilung, durch die alle gesättigt werden. Wie eine Welle setzt sich die gebende Geste Jesu in den beiden Apostelgestalten fort. Deutlich ist zu sehen, dass sie geben, was sie selber empfangen haben. Es ist gute Glaubenstradition, in der Erzählung vom Brotwunder ein Vorzeichen der Eucharistie zu sehen. Im gemeinsamen Mahl reicht sich Christus im Brot selber weiter, so kann man es im Bild aus dem „Codex Aureus“ lesen.

      Wenn es uns doch gelänge, den Kindern verständlich zu machen, dass Jesus selber sie zur heiligen Messe einlädt und sie so gerne ganz nahe bei sich haben will, weil er sie liebt. Nicht wegen eines Gebotes müssen sie am Sonntag zur Messe kommen, nicht der Pfarrer lädt sie ein, sondern Jesus selbst: „Komm, ich warte auf dich!“ Und es gibt Kinder, die das verstehen. Da denke ich dann immer an den Lobpreis Jesu: „Ich preise dich, Vater, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast“ (Mt 11,25). Dass wir doch von den Kindern die Unbefangenheit des Glaubens lernen könnten! „Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen“ (Mt 18,3) soll wohl auch heißen: Wenn ihr nicht wie Kinder werdet, könnt ihr auch das Geheimnis der Eucharistie nicht verstehen.

       Erstkommunionvorbereitung heute

      Die Vorbereitung auf die Erstkommunion ist heute viel intensiver als früher. Mütter versammeln die Kinder um den Tisch – sogenannte Tischmütter – und versuchen, sie in das Geheimnis der Eucharistie einzuführen. Gelegentlich gibt es sogar „Tischväter“. Für die Kinder wird dadurch klar, dass die Kommunion keine Kindersache ist, sondern sie vielmehr nun befähigt werden, die heilige Messe ganz, wie die Erwachsenen auch mit der Kommunion mitzufeiern. Die Mütter aber werden herausgefordert, selbst über die Eucharistie nachzudenken und darüber, was sie ihnen bedeutet. Nur so können sie ja glaubwürdig zu den Kindern reden. Freilich soll sie der Seelsorger dabei nicht allein lassen, sondern geistlich begleiten. Und wo Kritik geübt wird, die „Tischmütter“ würden zu sehr am Äußerlichen hängen bleiben, gilt der Vorwurf den Priestern, die die so notwendige geistliche Begleitung vernachlässigt haben.

      Erstkommunionvorbereitung sollte überhaupt Sache der ganzen betroffenen Familie werden. Das hat uns Professor Albert Biesinger von Tübingen gelehrt. Von 1982 bis 1991 war er Religionspädagoge an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg. Damals arbeitete ich als „Schulbischof“ (Beauftragter für Schulsachen in der Österreichischen Bischofskonferenz) eng mit ihm zusammen. Er wurde zum religiösen „Anwalt“ der Kinder. Besonders bekannt wurde er durch sein Buch „Kinder nicht um Gott betrügen. Anstiftungen für Mütter und Väter“. 2001 gründete er eine Stiftung für „Gottesbeziehung in Familien“ und 2008 schrieb er ein Buch mit dem Titel „Wie Gott in die Familie kommt“. Er regte an, dass in die Erstkommunionvorbereitung die ganze Familie einbezogen werde, und entwarf dafür ein eigenes Programm. Viele Pfarren haben es dann versucht. Ich staunte, dass das sogar in einigen Großstadtpfarren in Wien gelang. Das wurde zu einer ganz neuen Form der Pastoral gerade für junge Familien. Denn was immer in den Erstkommunionkindern an zarten Pflanzen der Liebe zu Christus in der Kommunion wächst, verdorrt alsbald, wenn es nicht in der Familie weitergepflegt wird.

      In manchen Landpfarren erlebe ich noch heute bei den Visitationen, wie sich auch die Schule, durch die Religionslehrerinnen angeregt, an der Erstkommunionvorbereitung beteiligt.

      Bei aller Klage über den Rückgang des Religiösen in der Gesellschaft: Die Vorbereitung auf die Erstkommunion war noch nie so gut wie heute und die Mitverantwortung der Laien zeigt ein neues Kirchenbild.

       Kutten oder Alltagskleidung?

      Seit etwa 30 Jahren hat sich vielerorts eingebürgert, dass die Kinder gleich gekleidet in Kutten zur Erstkommunion gehen. Der Hauptgrund war die lästige Kleiderfrage. Als Pfarrer war ich sehr enttäuscht, dass sich die Eltern – meist die Mütter – beim Elternabend vor der Erstkommunion fast ausschließlich für die Kleiderfrage interessierten. Ich warnte sie, Mädchen einen „Brautschleier“ umzuhängen, weil er zu leicht durch die brennenden Taufkerzen entzündet werden könnte. Die Kleider wurden auch zum Statussymbol. Es ging darum, wie wertvolle man sich leisten konnte. Daher erlebte ich in meiner Pfarre, dass Frauen Kinder aus ärmeren Familien eigens ausstatteten, damit sie nicht vom allgemein Üblichen abfallen. Nun gehen alle gleich gekleidet, in eigens dafür geschneiderten Kutten. Die Pfarren, die das als erste einführten, waren stolz darauf und kamen sich besonders fortschrittlich vor.

      Ich verstehe die Gründe für diese Entwicklung. Überdies interpretierte man die weißen Kutten gerne als Erinnerung an das Taufkleid. Dennoch halte ich diese Lösung letztlich nicht für gut. Durch diese gemeinsame „Tracht“ wird die Erstkommunion zu einem herausragenden, einmaligen Ereignis. In Wirklichkeit aber sollte die „erste Kommunion“ darauf hinweisen, dass ab nun das Kind die Messe voll und ganz mitfeiern kann, wozu eben die Kommunion gehört. Dass die Kommunion ab jetzt sozusagen zum „sonntäglichen Alltag“ gehört. Da gibt es dann aber keine Kutten mehr, sondern das übliche Sonntagskleid. Und wenn manche klagen, dass Kinder nach der Erstkommunion lange nicht mehr – oder höchstens unter dem „gelinden Zwang“ einer Schulmesse – zur Kommunion gehen, dann mag die „Ausnahmekleidung“ vielleicht auch eine Rolle spielen. Also Kommunion nur unter besonderen Umständen, in „liturgischer Kleidung“, nicht aber wie selbstverständlich an jedem Sonntag.

       Sollen Schwerstbehinderte auch zur Erstkommunion gehen?

      Schon öfter wurde ich von einem Sonderpädagogischen Zentrum am Rand von Wien eingeladen, dort Kindern die Firmung zu spenden, gelegentlich auch die Erstkommunion. Auch jüngst war es wieder so. Die Kinder