lag im Krankenbett und lächelte ihren Schwager sichtlich erfreut an.
»Hanno, mein Lieber, schön, dich zu sehen.«
Er sah sich um und zog einen Stuhl ans Bett.
»Was machst du denn für Sachen?«
»Auf offener Straße vor einer Arztpraxis umgefallen. Ist denn das die Möglichkeit.« Unwillig schüttelte sie den Kopf. »Damit hätte ich auf meine alten Tage auch nicht mehr gerechnet. Ein Glück, dass der Arzt gerade auf dem Nachhauseweg war. Er hat mir gleich geholfen.«
Sie wirkte so munter, dass auch Hanno Zweifel an ihrem Gesundheitszustand kamen.
»Sag mal, warum bist du eigentlich in München?«, stellte er die naheliegende Frage.
Fast sofort verschwand das Lächeln aus Philomenas Gesicht, und ihre Miene verschloss sich.
»Ist diese Stadt Privateigentum?«, fragte sie zurück und verschränkte trotzig die Arme vor dem Körper. »Ich dachte eben, dass es eine gute Idee ist, mir mal wieder Großstadtluft um die Nase wehen zu lassen.«
»Ausgerechnet jetzt, wenn ich auch hier bin?«, hakte Hanno misstrauisch nach und bat Wendy insgeheim um Vergebung. Offenbar lag sie mit ihrer Vermutung gar nicht so falsch.
»Warum denn nicht?« Philo streckte die Hand nach dem Glas Wasser auf dem Nachttisch aus und trank einen Schluck. »Im Übrigen enttäuscht du mich. Statt dich nach meinem Gesundheitszustand zu erkundigen, ergehst du dich in lächerlichen Unterstellungen.«
Hanno seufzte. Wie so oft fühlte er sich seiner Schwägerin zumindest verbal unterlegen. Er war ein einfach gestrickter Mann, der Komplikationen verabscheute. Ganz im Gegensatz dazu verstand es Philomena in letzter Zeit meisterhaft, aus allem ein Problem zu machen und dafür zu sorgen, dass er ein schlechtes Gewissen hatte.
»Tut mir leid. Wie geht es dir?«, fragte er pflichtschuldig.
»Schlecht«, erwiderte sie erwartungsgemäß. »Aber ich seh schon. Es ist dir nicht recht, dass ich hier bin. Wahrscheinlich habe ich dich und deine kleine Arzthelferin bei einem intimen Tête-à-Tête gestört.« Ihr Tonfall war herablassend. »Obwohl ich bezweifle, dass dieses schlichte Gemüt weiß, was dieser Ausdruck überhaupt bedeutet«, fügte sie bissig hinzu und lachte in sich hinein.
Augenblicklich kochte die Wut in Hanno hoch.
»Sprich nicht so über Wendy!«, brauste er wütend auf.
Doch auch darüber konnte Philomena nur lachen.
Seit Helenas Tod brachte sie diesen Mann immer dahin, wo sie ihn haben wollte. Das würde ihr auch diesmal gelingen, selbst wenn es länger dauern sollte als sonst.
»Warum regst du dich denn so auf?«, fragte sie milde.
»Was willst du von mir, Philo?«, gab er scharf zurück. »Was bezweckst du mit diesem Theater?«
Philomena antwortete nicht sofort. Ihre nächsten Worte legte sie sich sorgfältig zurecht.
»Ach, Hannolein, wie oft muss ich es dir denn noch sagen? Diese einfache Frau passt einfach nicht zu dir«, erklärte sie dann unvermutet sanft. »Sie mag ja lieb und nett sein. Aber sie ist meilenweit von Helenas Niveau entfernt. Warum begreifst du nicht endlich, wie lächerlich du dich mit dieser Affäre machst?« Philomena war so beschäftigt damit, Wendy schlecht zu machen, dass sie nicht bemerkte, wie bedrohlich finster Hannos Miene wurde.
»Und warum begreifst du nicht endlich, dass dich das alles nichts angeht?«, fuhr er sie zornig an. »Das ist mein Leben. Ich bin ein erwachsener Mann und ich denke nicht daran, mir von irgendjemanden dreinreden zu lassen.«
Ganz kurz und kaum merklich zuckte Philo zurück. Dennoch blieb sie hartnäckig.
»Was willst du denn mit ihr?«, beharrte sie eigensinnig. »Du hattest die beste Frau von allen. Wieso willst du nicht einsehen, dass es keinen Ersatz für Helena gibt?«
In diesem Moment war es um Hanno Thalbachs Beherrschung geschehen. Er sprang so abrupt auf, dass der Stuhl polternd umfiel. Doch Hanno achtete nicht darauf.
»Hast du immer noch nicht begriffen, dass Helena nicht mehr hier ist? Und ich habe es satt, allein zu leben!« Damit drehte er sich um und stürmte davon. Um ein Haar wäre er in der Tür mit der Schwester zusammengestoßen, die, aufgeschreckt von dem Lärm, ins Zimmer eilte.
Ohne auf die junge Frau zu achten, stürmte Hanno an ihr vorbei. Die Schwester sah ihm irritiert nach, ehe sie sich an die Patientin wandte.
»Alles in Ordnung bei Ihnen?«
Doch Philomena schien sie nicht zu hören. Fein lächelnd saß sie im Bett und sah ihrem Schwager nach.
»Es wird Zeit, dass du endlich verstehst, dass du nicht allein bist. Du hast doch mich«, murmelte sie vor sich hin.
*
»Um neun Uhr hat Herr Prehm einen OP-Termin. Es geht um die Resektion der Zyste am Fingernagelbett.«
»Wenn ich mich recht erinnere, wird mir Janine dabei assistieren, oder?«, fragte Danny Norden. Es war noch früh am Morgen, die Sprechstunde hatte noch nicht begonnen. Der junge Arzt saß auf einem Stuhl am Tresen und machte sich Notizen.
»Richtig. Als ehemalige Krankenschwester ist sie ja geradezu prädestiniert für so was«, bestätigte Wendy diese Vermutung. »Deshalb ist sie auch bei Frau Hallinger dabei.«
»Ach, die Dornwarze am Fußballen«, nickte Danny und machte sich einen entsprechenden Vermerk. »War’s das dann für heute?«
»Zumindest, was die OPs betrifft. Am Nachmittag bist du ja wieder ganz normal für die Sprechstunde eingeteilt«, erinnerte Wendy ihren jungen Chef, als Daniel Norden in die Praxis kam.
»Guten Morgen allerseits«, grüßte er strahlend in die Runde. Obwohl es sich um einen Zeichentrickfilm gehandelt hatte, hatte ihm der Abend im Kino gut gefallen, und er war blendender Laune. »Na, mein Lieber, wieder fit?«, erkundigte er sich bei Danny nach seiner Verletzung, während er die Jacke an die Garderobe hängte.
»Passt schon«, winkte der lässig ab. »Wenn du glaubst, dass ihr mich so schnell kleinkriegt, hast du dich getäuscht.«
»Dann laufen wir mittags wieder?« Daniel freute sich auf die bevorstehende Revanche.
»Ich weiß nicht, ob es klug ist, das Bein jetzt schon wieder zu belasten«, redete sich Danny schnell heraus.
Wendy, die ein paar Dinge in den Computer eingegeben hatte, horchte auf.
»Du hast dich doch nicht etwa verletzt?«, erkundigte sie sich besorgt beim Junior. »Ich sag doch immer, dass dieser neue Sportwahn gefährlich ist«, tadelte sie kopfschüttelnd.
»Keine Sorge, alles halb so wild. In ein paar Tagen bin ich wieder fit und dann zeige ich es den beiden.« Er grinste Janine an, die kurz nach ihrem Chef die Praxis betreten hatte.
Obwohl sie immer noch unter einer unerklärlichen Übelkeit litt, der auch Daniel Norden bisher nicht auf die Spur gekommen war, grinste sie frech zurück.
»Falls du es dir anders überlegst: Wir starten wieder in der Mittagspause. Nicht wahr, Chef?«, wandte sie sich an Dr. Norden.
»Auf jeden Fall!«, stimmte er ihr zu, und Danny sagte grinsend zu Wendy: »Mein alter Herr und die junge Frau da drüben sinnen auf Rache. Sie können ihre Niederlage von gestern einfach nicht verwinden. Wahrscheinlich haben sie die ganze Nacht wach gelegen und darüber gegrübelt, wie sie mich besiegen können.« Diese Bemerkung war nicht ganz ernst gemeint. Das erkannte Daniel am gutmütigen Blitzen in den Augen seines Sohnes und wollte eben etwas erwidern, als Wendy ihm mit einer aufgeregten Frage zuvor kam.
»Jetzt erzähl doch mal. Was ist denn überhaupt passiert?«, erkundigte sie sich aufgeregt bei Danny.
Dem schmeichelte ihr Interesse. Er setzte sich aufrecht hin und begann mit wichtiger Stimme zu erzählen.
»Wir sind doch gestern im Park gelaufen … Also, ich lasse den