Julius Ries

Schilderungen des Treibens im Leben und Handel in den Vereinigten Staaten und Havana


Скачать книгу

bei sich hatte) waren so eben aus der Schule entlassen worden; der älteste, obgleich ohne Stimme, zeigte viel Neigung für Gesang, und suchte mit einem verstimmten Instrumente die Mängel seiner eigenen Stimme zu bemänteln; er gefiel daher sich selbst weit mehr, wie den mitreisenden Frauen. Beide, der ältere und der jüngere Sohn, waren Günstlinge eines jungen Mädchens, der Tochter eines Malers. In pecuniärer Beziehung wurde von den Schauspielern und den übrigen ein Zucker-Fabrikant verehrt, der früher in Amerika gewohnt hatte, jenes Land aber vor etwa 30 Jahren, um der Strafe wegen einer begangenen Schmuggelei zu entgehen, bei Nacht und Nebel verlassen mußte. Sein in Amerika wohnender Sohn hatte Gnade für ihn ausgewirkt, und er kehrte jetzt mit seinem Hab und Gut zurück; auch hatte er mehrere deutsche Arbeiter, denen er in der Fabrik Arbeit zu geben versprach, auf ihre eigenen Kosten zum Mitreisen bewogen. Dieser Mann dünkte sich ein Krösus zu sein, wofür ich ihn jedoch, auch in Hinsicht seines Verstandes, nicht passiren lassen konnte. Um sich bei der Gesellschaft in Respect zu setzen, mußte der Thee oder Caffee in aller Frühe für ihn in seinem silbernen Geräthe aufgetragen werden, und er lud auch wohl den einen oder andern aus der Gesellschaft zum Frühstück ein, welches die großen Kosten für ihn verursachte, daß die Getränke aus seinen silbernen Geschirren, jedoch in die dem Schiff Quebeck zugehörigen Tassen, auf Unkosten des Capitains — flossen. Er war angewiesen, seinen eigenen Wein zu trinken und hatte eine Sorte Teneriffa-Wein, dem Grüneberger an Säure gleich. Unter dem Namen weißer Madeira offerirte er hin und wieder ein Glas einem aus der Gesellschaft. Auch mir wurde diese Ehre zu Theil, und als er mein Urtheil über die Qualität forderte, worauf ich freimüthig erwiederte, daß ich diesen nicht für die beste Sorte von Teneriffa-Weinen halte, so soll er, wie der Director mir erzählte, mich für wahnsinnig erklärt haben. Einer von seinen Arbeitern mußte als Aufwärter für die besten Bissen aus den Schüsseln sorgen. Fiel diese Auswahl nicht aus, wie der Herr Zucker-Fabrikant es erwartet hatte, so war der Aufwärter angewiesen, die Schüssel dem Vorschneider wegzunehmen, und sie seinem Herrn vorzusetzen.

      Der bereits erwähnte Maler war zu der Zeit der Krönung der Königin nach London gereist, um ein treffendes Bild derselben für Amerika zu gewinnen, und hatte, wie er behauptete, seinen Zweck über Erwarten erreicht. Die Königin, versicherte er, habe die Gnade gehabt, seiner Tochter den Purpur zum Anlegen herzugeben. Die Königin sei stets zugegen gewesen, um die sitzende Tochter auf ihre (der Königin) eigenthümlichen Attitüden aufmerksam zu machen — wodurch er denn das korrekteste Bild zu erzeugen im Stande war. Der Herr Maler leerte übrigens, wie alle Genies und Künstler, sein Gläschen, so oft er es gefüllt vor sich stehen sah; daß es unter diesen Umständen wenig volle Flaschen gab, ist leicht zu ermessen.

      Der Italiener B... war seit dem Jahre 1811 erster Buffo bei der italienischen Oper in London gewesen, er verläßt die alte Welt aus Verzweiflung, weil sein Talent durch Lablache in Schatten gestellt war. „Meine Superiorität“ sprach er „ist anerkannt; durch Madame Catalani anerkannt; sagte doch die große Sängerin im Jahre 1816 zu mir: Herr B... Sie sind der erste Figaro, und werden es stets sein!“ Seiner Ungestalt ungeachtet, (denn seine Figur war die eines Schlächters, oder Brauerknechts) wollte er, dem Ausspruch jener gefeierten Künstlerin zufolge, ein niedlicher Figaro sein. In allem dünkte er sich vollkommen: wenn er Whist spielte und, seines schlechten Spiels wegen, verlor, so offerirte er seinen Gegnern eine Parthie um eine sehr hohe Summe, und triumphirte, wenn es nicht acceptirt wurde, mit den Worten: „Sie fürchten mich, weil sie meine Superiorität kennen.“ Standen mehrere des Abends in Mäntel gehüllt auf dem Verdeck, so warf er auch rasch den seinigen über, stellte sich jenen gegenüber, und sagte leise zu mir: „Nun sehen Sie meine Stellung im Mantel, im Vergleich zu den gegenüberstehenden Philistern!“ Die See fürchtete er dermaßen, daß er jede Nacht auf dem Verdeck zubrachte, um bei entstehender Gefahr der Erste im Rettungsboot sein zu können. Sehr spaßhaft war er in den Morgenstunden gekleidet. Man denke sich eine ungeheure Figur in einem sehr langen und weiten, vielfarbig-türkischen Schlafrock, durch einen sehr breiten Gürtel am Unterleibe befestiget; ferner drei von den grellfarbigsten seidenen Tüchern, nachlässig als Halsbinden mit den langen Zipfeln auf der Brust hängend, den Kopf mit einem schwarz-seidenen Baret bedeckt; ferner an jedem seiner dicken Finger zwei oder drei Ringe von Edelstein, Granaten etc., deren Glanz jedoch durch den Glanz des Fetts, welches gewöhnlich an seinen Fingern klebte, sehr verdunkelt wurde. Er bediente sich nie des Messers und der Gabel, und da es keine Servietten gab, so folgte er dem Beispiel der Bären und säuberte seine Finger im Munde. Es war nichts Seltenes, daß er sich eine ovale Schüssel mit 8 bis 10 Cotelettes vorsetzen ließ, und zum Frühstück allein verzehrte. Nach beendigtem Frühstück ging er sogleich zu Bett. Im Trinken dagegen suchte mein Schlaf-Camerad, der schmutzige Schottländer, alles Mögliche zu leisten, wahrscheinlich, weil er früher in den Vereinigten Staaten, woselbst er ein Detail-Geschäft führte, hierin nicht viel gethan haben mochte. Da der Wein im Passagiergelde mit einbegriffen ist, so war er zu jeder Tageszeit zum Trinken bereit, und schien, wo möglich, für einige Jahre voraus trinken zu wollen.

      Ein ähnliches Subjekt, wie jener Schottländer, war ein Mützenhändler, der mit einem Lager seiner Waaren nach Canada eilte; weil die Bewohner jener Kolonie sich auf die Köpfe stellten, glaubte er, ein bedeutendes Geschäft dort machen zu können; wenn er indeß im Handel eben so dumm war, als in der Conversation, so dürfte er wohl ohne Mützen, aber auch ohne Schuhe nach Europa zurückkehren.

      Ein junger Amerikaner, Sohn eines Gutsbesitzers, kehrte von seinen Reisen in Europa zurück. Er hatte, wie er versicherte, in Zeit von drei Monaten einen großen Theil Frankreichs, die Niederlande und den Rhein bereist; er brachte als Documente dafür Französische Handschuhe, Brüsseler Kanten und ein Faß Laubenheimer mit, und schlief fast den ganzen Tag auf seinen Lorbeeren.

      Ein für das National-Theater engagirter Violinspieler reiste mit seiner unpäßlichen, starken brannt- und portweinsüchtigen Frau und einem allerliebsten muntern Knaben, der sich so an mich attachirt hatte, daß er fast nicht von meiner Seite kam. — Ein Staatsbeamter aus Canada kehrte mit Depeschen für Lord Durham zurück. Mit Ausnahme der recht liebenswürdigen Tochter des Malers, bestand das weibliche Personal aus Frauen von Schiffs-Capitainen, die, in jüngern Jahren von England entführt, jetzt nach 20 Jahren einmal ihre Verwandten besucht hatten; der Zahn der Zeit, welcher Alles erreicht, hatte auch an ihnen bedeutend genagt.

      Von dem Dr. und dessen Bruder, einem Schiffs-Capitain, ist nicht viel zu sagen, als daß der Letztere von seinem heftigen Wein- und Branntwein-Durst nur dadurch geheilt werden konnte, daß unser Schiffs-Capitain Geld dafür forderte. Dieser selbst war ein nicht sehr gebildeter, aber erträglicher Mensch, äußerst lustig, so daß es oft Scenen gab, und so lachlustig, daß er wohl dreißigmal lachte, ehe er einmal sprach.

      Dieses waren die Häupter und Matadore unserer Gesellschaft, die ich dem geneigten, nicht auf der See gereisten Leser nur darum so ausführlich beschrieben habe, damit er wisse, was er auf einem Schiffe zu erwarten habe. Wer gern a son aise, und comfortable lebt, muß an keine Seereise denken. Hiervon sind freilich die Dampfschiffe Brittish Queen und Great Western ausgenommen, allein hier ist die Feuersgefahr, welche durch das beständige Heizen, und die dadurch verursachte Gluth in den Schornsteinen entstehet, für jeden Beobachter abschreckend, und realisirt sich weit häufiger, als das Zerspringen des Kessels oder andere Unglücksfälle auf der See.

      Die Unterhaltung war, wie man sich leicht denken kann, sehr mittelmäßig. Das Haupt-Thema der Unterhaltung war, wie immer, die Vorzüge, der Reichthum, das Vielwissen der Engländer. Nur der Schauspiel-Director und ich banden wohl miteinander an, und da setzte es von beiden Seiten Hiebe; ohne ihn und den Staatsbeamten aus Canada wäre mir die Reise noch viel langweiliger gewesen. Der Wind war uns ganz entgegen, so daß wir mehrere hundert Meilen außer den Cours geriethen, und näher bei New-Foundland ankamen, als bei New-York. Wir erreichten jetzt die Bank, etwa 1100 Seemeilen von New-York.

      Da die Vorräthe unsres Proviants sich ihrem Ende näherten, und die Portionen kleiner wurden, so war es uns sehr erwünscht, daß wir auf eine von den vielen hier stationirten Fischer-Briggs trafen, von welcher unser Capitain sechzig sehr große Fische für 2½ Dollar erhandelte. Nach der Erzählung der Schiffer, die sie abholten, hatte jene Brigg in einer Zeit von 6 Wochen, von New-York hierher segelnd, gegen 10,000 von den großen Fischen gefangen. Uebrigens hatte ich wenig Genuß von diesem Einkauf, da ich durch folgendes