band wieder ab. Wirst du ganz still liegen?«
»Gestürzt?« wiederholt Stefanie, und dann weiß sie wieder alles, ihr sinnloses Davonlaufen, das häßliche Flimmern vor den Augen bis zu dem Sturz in eine bodenlose Tiefe.
»Maritta!« ruft sie leise, und diese nähert sich von der anderen Seite und nimmt ihre Hand.
»Ich bleibe bei dir, Stefanie, wenn du es nicht vorziehst, etwas zu schlafen.«
»Schlafen, ja, schlafen«, murmelt Stefanie, und außer Maritta, die am Bett Platz nimmt, verlassen alle das Zimmer.
*
Bange Tage vergehen, und die Bewohner des Hauses gehen auf leisen Sohlen einher. Stefanies Zustand ist wechselhaft, und Maritta weicht nicht von der Stelle. Immer ist sie zur Hand, wenn Stefanies fieberheiße Lippen zu kühlen sind, wenn der Arzt etwas benötigt. Er kommt täglich zweimal. Er ist mit Stefanie nicht zufrieden. Er spürt als Arzt, daß sie von sich aus nichts dazu tut, um schnell gesund zu werden.
Als Dr. Hilmer den Verband löst, stellt er mit Freude fest, daß die Wunde gut verheilt ist. Über den leeren Blick der tiefblauen Augen ist er bis ins Herz erschrocken.
Gründlich untersucht er die Augen, und Stefanie läßt alles willig mit sich geschehen.
Ihre Hände fahren zu den Augen, tasten darüber hin.
»Wie merkwürdig, Onkel Hilmer. Mir ist, als sei ein Schleier vor meinen Augen.«
»Das wird sich legen, Stefanie.«
Er sagt es scherzhaft, und sie atmet dankbar auf.
Draußen verläßt ihn die Maske der Zuversicht. Er nimmt Marittas Arm.
»Ich möchte Stefanie von einem Augenspezialisten untersuchen las-
sen –«
»Ist sie –«, entfährt es ihr entsetzt, aber er winkt ab.
»Nicht gleich an das Schlimmste denken. Wie ist das«, erkundigt er sich sachlich. »Könnten Sie Stefanie nach München zu dem Arzt bringen, den ich Ihnen aufschreibe?«
»Wann?« fragt Maritta nur.
»Ein paar Tage wollen wir noch warten. Ich komme täglich wieder.«
Maritta sucht ihr Zimmer auf. Am Fenster läßt sie sich nieder. Sie denkt an einen hochgewachsenen Mann, in dessen Augen das Leid brennt. Müßte er nicht wissen, was mit Stefanie geschehen ist? Ist er nicht ein sehr berühmter Arzt?
Wie unter einem Zwang handelt sie, als sie zum Telefon geht und sich mit dem Professor verbinden läßt. Merkwürdig, wie beruhigend seine Stimme sich auf ihr aufgewühltes Gemüt legt.
Kurz unterrichtet sie ihn von dem Vorgefallenen.
»Wo können wir uns treffen?« kommt unverzüglich seine Frage.
»Ich komme in den ›Löwen‹«, entscheidet sie rasch und legt auf.
Sie beginnt, sich sorgfältig anzuziehen, dann sucht sie Milchen auf.
»Nun?« Erstaunt betrachtet diese Maritta. »Sie wollen ausgehen? Schläft Stefanie?«
»Milchen«, erklärt Maritta hastig. »Ich habe eine sehr dringende Besorgung. Bitte, gehen Sie zu Stefanie. Ich sehe zu, daß ich schnell wieder zurück bin.«
»Gehen Sie nur.« Dankbar forscht Milchen in dem blaß gewordenen Gesicht. »Wir können Ihnen gar nicht danken für Ihre Aufopferung. Sie haben Ihre schöne Bräune verloren. Gehen Sie an die Luft, Fräulein Maritta, Sie haben es nötig.«
Maritta eilt davon, froh, daß Milchen nicht weitere Fragen stellt.
Keller sieht sie in ihrem Straßenkreuzer davonfahren, schön, rassig, und er wünscht sich, neben ihr zu sitzen und mit ihr zu plaudern. Wie lange hat sie sich ihm entzogen, und er wartet geduldig. Solange Stefanie Hollweg sie braucht, verhält er sich bescheiden und zurückhaltend.
Jetzt ist er auf dem Weg ins Dorf. Wie dumm von ihm. Er hätte sie fragen sollen, ob sie ihn mitnehmen wolle. Na, tröstet er sich, vielleicht trifft er sie.
*
Professor Hollweg geht schon unruhig vor dem Hotel auf und ab. Als er Maritta vorfallen sieht, hilft er ihr aus dem Wagen und führt sie in das Nebenzimmer, ausgerechnet dorthin, wo für gewöhnlich Keller zu sitzen pflegt.
»Nun erzählen Sie mir«, fordert der Professor sie auf, und Maritta schildert ihm die Ereignisse der letzten Zeit. Seine Züge umschatten sich. Den Mund hat er fest zusammengepreßt.
»Sie haben sicher gemeint, ich hätte Sie vergessen«, versucht Maritta ihr Stillschweigen zu entschuldigen.
Sofort legt er seine Hand auf ihre Finger.
»Ich habe fest an Sie geglaubt.«
Er wendet den Kopf dem Eingang zu, sieht einen Mann mit einem gutgeschnittenen Gesicht und merkwürdig hellen Augen in der Tür stehen. Sie ruhen lange auf seiner Begleiterin, daß er langsam seine Hand zurückzieht. Irgendwie ist ihm, als liefen Fäden von der Frau neben ihm zu dem Mann in der Tür.
Er bemerkt, wie in Maritta Leubners Wangen tiefes Rot steigt, und schaut wieder zur Tür. Der Platz, an dem der Mann stand, der ihm seltsam bekannt vorkommt, ist leer, und sofort vergißt er den kleinen Zwischenfall.
Auch Maritta schüttelt das Unbehagen von sich, als sie Keller im Türrahmen erkannt hat, und wendet sich wieder mit aller Aufmerksamkeit dem Zweck ihres Kommens zu.
»Der Arzt wünscht, daß Stefanie zu einem Augenspezialisten nach München gebracht wird –«
»Etwa zu Professor Bergmann?«
»Genau dorthin«, erwidert sie eifrig. »Kennen Sie ihn?«
»Sehr gut sogar.« In Hollwegs Zügen arbeitet es. »Dann muß es nicht gut mit Stefanies Augen stehen.«
»Der Arzt meint, man dürfe nicht an das Schlimmste denken«, versucht sie ihn zu beruhigen.
»Wissen Sie eigentlich, daß ich seit Jahren auf diesem Gebiet Forschungen betreibe?«
»Nein«, sagt sie ehrlich, »das wußte ich nicht. Könnten Sie… Ich meine, würden Sie vielleicht…«
Er schüttelt langsam den Kopf.
»Jetzt darf ich mich Stefanie gar nicht nähern. Jetzt befürchte ich Schlimmeres, wenn ich auftauche.«
Sekundenlang denkt er angestrengt nach, dann faßt er ihre Hand. Beschwörend ist sein Ton.
»Fräulein Leubner, wir sind nun einmal Verbündete, wollen wir es auch bleiben?«
Sie nickt, und er spricht ernsthaft weiter.
»Ich gebe Ihnen Geld. Doch, doch«, fährt er hastig fort, als sie ihn unterbrechen will. »Sie werden es für Stefanie annehmen. Ich selbst fahre vorher nach München zu meinem Kollegen, der ein einstiger Studienfreund ist. Wir stehen dauernd in schriftlicher Verbindung.
Steigen Sie im ›Münchner Hof‹ ab. Ich werde inzwischen alles vorbereiten, auch Zimmer bestellen. Sie müssen mich nur vorher anrufen, wann Sie mit Stefanie eintreffen. Versprechen Sie mir das?«
Wieder nickt Maritta. Sie ist zu allem bereit, wenn es zu Stefanies Wohl ist.
Ein Schatten eines Lächelns umspielt seinen Mund.
»Vielleicht… vielleicht kann ich sogar Stefanie sehen, und wenn es von weitem wäre. Irgendwie werde ich das schon arrangieren. Wollen Sie mir dabei helfen?«
»Gern, Herr Professor.« Sie blickt auf ihre Uhr am Handgelenk. »Jetzt muß ich wieder gehen. Milchen ist allein im Haus.«
»Warum nimmt nur Stefanie keine Hilfe von mir an«, klagt Hollweg bekümmert. »Ich könnte ihr die beste Pflegerin halten. So tragen Sie die ganze Last.«
Auch Maritta lächelt und beruhigt ihn.
»Ich