Wilkie Collins Collins

Der Mondstein (Ein Wilkie Collins-Krimi)


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Frack, der bis an den Hals fest zugeknöpft war.

      »Ich bin der Mann, den Sie brauchen,« stand ihm auf der Stirn geschrieben und er ertheilte die Befehle an seine Unterbeamten in einem Tone, der deutlich zeigte, daß mit diesem Manne nicht zu spaßen sei.

      Er fing damit an, alle Räume in und außer dem Hause zu besichtigen. Das Ergebniß dieser Untersuchung war, daß keine Diebe von außen eingebrochen sein konnten und daß folglich der Raub von einer Person im Hause begangen sein müsse.

      Ich überlasse es dem Leser, sich den Zustand vorzustellen, in welchen die offizielle Ankündigung dieses Ergebnisses der Untersuchung die Dienstboten versetzte.

      Der Oberbeamte beschloß, die weitere Nachforschung mit einer Durchsuchung des Boudoirs zu beginnen und Dann die Sachen der Dienstboten zu durchsuchen. Zu gleicher Zeit postirte er einen seiner Leute auf die Treppe, welche zu den Schlafzimmern der Domestiken führte mit der Ordre, bis auf Weiteres Niemanden vorbeizulassen.

      Bei dieser letzteren Procedur gerieth das schwächere Geschlecht sofort außer sich. Sie platzten aus ihren Ecken hervor, rannten Alle nach Fräulein Rachels Zimmer, diesmal Rosanna Spearman mit sich fortreißend, stürmten auf den Oberbeamten Seegreaf los und verlangten von ihm mit Gesichtern, nach denen man sie alle für gleich schuldig hätte halten können, daß er auf der Stelle erklären möge, wen von ihnen er im Verdacht habe. Aber der Oberbeamte zeigte sich auch dieser Situation gewachsen; er sah sie mit seinem entschlossenen Auge an und brachte sie mit seiner militairischen Stimme zum Schweigen.

      »Macht, daß Ihr wieder hinunterkommt, ihr Weiber alle zusammen! ich will Euch hier nicht haben. Da seht,« sagte er, indem er auf einen kleinen Fleck an der Decorationsmalerei auf Fräulein Rachels Thür an der äußern Ecke gerade unter dem Schloß hinwies, »seht, was für Unheil eure Röcke bereits angerichtet haben! Macht, daß ihr wegkommt, rasch!«

      Rosanna Spearman, die ihm und dem kleinen Fleck an der Thür zunächst stand, ging mit gutem Beispiele voran und eilte zu ihrer Arbeit; die Andern folgten ihr.

      Der Oberbeamte fuhr mit seinen Durchsuchung des Zimmers fort und fragte mich, da er Nichts fand, wer den Raub zuerst entdeckt habe.

      »Das war meine Tochter.«

      Nach ihr wurde daher geschickt. Der Oberbeamte ging Anfangs ein wenig zu hart gegen meine Tochter vor.

      »Komm her, mein Kind,« sagte er; »gieb Acht, daß Du die Wahrheit sagst.«

      Penelope fuhr gegen ihn los. »Ich habe mein Leben lang nicht gelernt, die Unwahrheit zu sagen, Herr Polizei! Und wenn Vater dabei stehen und es ruhig mit anhören kann, wie ich der Lüge und des Diebstahls beschuldigt und aus meinem eigenen Schlafzimmer ausgesperrt werde und um meinen guten Ruf gebracht werden soll, der Alles ist, was ein armes Mädchen, wie ich, hat, so ist er nicht der gute Vater, für den ich ihn gehalten habe.«

      Ein zu rechter Zeit von mir gesprochenes Wort brachte den Vertreter der Gerechtigkeit und Penelope auf einen bessern Fuß mit einander. Die Fragen und Antworten gingen nun ganz glatt vor sich und führten zu keinem Resultat. Das Letzte, was meine Tochter am Abend vorher gesehen, war gewesen, daß Fräulein Rachel den Diamanten ins Schubfach gelegt hatte. Als sie am nächsten Morgen um 8 Uhr Fräulein Rachel eine Tasse Thee in ihr Zimmer gebracht, hatte sie das Schubfach offen und leer gefunden und sofort das Haus alarmirt. Und damit endete Penelopens Aussage.

      Darauf verlangte der Oberbeamte Fräulein Rachel selbst zu sprechen. Penelope meldete dieses Verlangen durch die Thür. Die Antwort gelangte auf demselben Wege zu uns.

      »Ich habe dem Polizeibeamten nichts zu sagen, ich kann Niemanden sehen.«

      Unser erfahrener Polizeibeamter sah ebenso überrascht als beleidigt aus, als er diese Antwort vernahm. Ich sagte ihm, mein junges Fräulein sei unwohl und bat ihn, ein bischen zu warten, um sie später sprechen zu können. Dann gingen wir wieder hinunter, wo wir Herrn Godfrey und Herrn Franklin, die eben durch die Halle gingen, trafen. Die beiden Herren wurden als Hausgenossen aufgefordert zu erklären, ob sie irgend etwas die Angelegenheit betreffend mitzutheilen hätten, aber Keiner von Beiden wußte etwas. Er fragte, ob sie irgend einen verdächtigen Lärm während der vorigen Nacht gehört hätten? Sie hatten nichts gehört, als das Herabfallen des Regens. Er fragte weiter, ob ich, der länger gewacht hatte, auch nichts gehört habe? Nichts. Als dieses Inquiriren zu Ende war, flüsterte mir Herr Franklin, der noch bei der Ansicht von der gänzlichen Vergeblichkeit der ganzen Untersuchung zu beharren schien, zu: »Der Mann wird uns nicht das Mindeste helfen; der Oberbeamte Seegreaf ist ein Esel.« Herr Godfrey seinerseits flüsterte mir zu: »Der Mann ist ein ausgezeichneter Beamter, Betteredge; ich habe das größte Vertrauen zu ihm.« So viel Köpfe, so viel Sinne, wie schon ein alter Weiser vor meiner Zeit gesagt hat.

      Im Fortgang der Untersuchung ging der Beamte wieder mit mir und meiner Tochter in’s Bondoir zurück. Sein Zweck war in diesem Augenblick, zu entdecken, ob irgend ein Möbel während der Nacht von seinem gewöhnlichen Platze gerückt worden sei, da seine vorher vorgenommene Durchsuchung offenbar nicht gründlich genug gewesen war, um ihn über diesen Punkt zu vergewissern. Während wir an Tischen und Stühlen herumarbeiteten, öffnete sich nun die Thür des Schlafzimmers Fräulein Rachel, die sich bis dahin geweigert hatte, irgend Jemanden zu sehen, kam jetzt zu unserm Erstaunen aus eigenem Antriebe zu uns herein. Sie nahm ihren Gartenhut von einem Stuhl und ging dann gerade aus Penelope los und fragte diese: »Hat Herr, Franklin Blake Dich diesen Morgen mit einer Botschaft zu mir geschickt?«

      »Ja, Fräulein!«

      »Er wollte mich sprechen, nicht wahr?«

      »Ja, Fräulein!«

      »Wo ist er jetzt?«

      Da ich eben Stimmen auf der Terrasse hörte, so blickte ich zum Fenster hinaus und sah, wie die beiden Herren auf der Terrasse auf- und abspazierten. Ich antwortete für meine Tochter und sagte: »Herr Franklin ist auf der Terrasse.«

      Ohne ein Wort weiter zu sagen, ohne die mindeste Notiz von dem Beamten zu nehmen, der einen vergeblichen Versuch machte, mit ihr zu reden, bleich der Tod und in ihre eigenen Gedanken versenkt, verließ das Zimmer und ging zu ihrem Vetter hinab. So sehr es gegen den schuldigen Respect und die gute Sitte war, konnte ich es mir um Alles in der Welt nicht versagen, zum Fenster hinaus zu sehen. Als Fräulein Rachel die Herren auf der Terrasse erreichte, ging sie geradeswegs auf Herrn Franklin zu, scheinbar ohne Herrn Godfrey zu bemerken, der sich daraus zurückzog und die Beiden allein ließ. Sie schien sehr heftig mit Herrn Franklin zu reden. Die Unterhaltung dauerte nur eine kurze Weile, versetzte ihn aber, soweit ich sein Gesicht vom Fenster aus beobachten konnte, in ein unbeschreibliches Erstaunen. Während sie noch mit einander sprachen, erschien Mylady auf der Terrasse. Als Fräulein Rachel ihrer ansichtig wurde, flüsterte sie Herrn Franklin noch ein paar Worte zu und kehrte dann rasch ins Haus zurück, noch ehe ihre Mutter mit ihr hatte reden können. Mylady, die selbst erstaunt war und das Erstaunen« des Herrn Franklin sah, redete ihn an. Herr Godfrey trat zu ihnen und nahm an der Unterhaltung Theil. Herr Franklin ging mit Beiden etwas auf die Seite und theilte ihnen vermuthlich mit, was vorgefallen war, denn Beide standen plötzlich wie erschrocken still. Ich hatte diesen Vorgang eben beobachtet, als die Thür des Boudoirs sich heftig öffnete. Fräulein Rachel ging mit wildem Blick und flammenden Wangen, aufgeregt und zornig, rasch in ihr Schlafzimmer. Der Polizeibeamte machte abermals einen Versuch, sie zu befragen. An der Schwelle ihres Schlafzimmers drehte sie sich nach ihm um und rief heftig: »Ich habe nicht nach Ihnen geschickt ich will nichts von Ihnen, mein Diamant ist verloren; weder Sie noch irgend Jemand wird ihn wiederfinden.« Mit diesen Worten ging sie in ihr Zimmer und verriegelte die Thür hinter sich. Penelope die der Thür zunächst stand, hörte, wie sie in ihrem Zimmer sofort Thränen vergoß, die nur zuweilen von Zornausbrüchen unterbrochen wurden. Was hatte das zu bedeuten? Ich sagte dem Beamten, Fräulein Rachel sei durch den Verlust ihres Edelsteines ganz außer Fassung gebracht. Besorgt für die Ehre der Familie, wie ich war, berührte es mich peinlich, mein junges Fräulein sich selbst gegen einen Polizeibeamten vergessen zu sehen, und ich entschuldigte daher ihr Benehmen so gut ich konnte.

      Fräulein Rachels ungewöhnliches Benehmen beunruhigte mich mehr als ich sagen kann. Nach den Worten, die sie an der Schwelle ihres Schlafzimmers gesprochen, mußte