Verity öffnete die Augen und sah ihn an; einen Augenblick lang begegneten sich ihre Blicke, dann schwankte sie und machte einige taumelnde Schritte auf ihn zu. Bell fing sie auf trug sie in das Nebenzimmer und setzte sie in einen Sessel. Sie fühlte sich bald wieder wohler und dankte ihm für seine Hilfe. Er sah sie nachdenklich und interessiert an.
»Erholen Sie sich hier ein wenig«, sagte er dann freundlich. Ich werde Helder solange beschäftigen. Wenn Sie sich wieder besser fühlen, verlassen Sie schnell das Haus, nehmen ein Taxi und fahren heim.«
Sie nickte, und er ging in Helders Büro hinüber, wo Helder ärgerlich und wütend an seinem Schreibtisch saß. Comstock Bell schloß die Tür hinter sich und schaute ihn verächtlich an.
»Sie sind doch wirklich ein elender Schuft«, sagte er. »Eigentlich sollte ich Sie am Kragen packen und Zum Fenster hinauswerfen.«
Helder erwiderte nichts. Er schaute Bell nur von unten herauf mit einem haßerfüllten Blick an.
Comstock Bell zog sich einen Stuhl in die Nähe des Schreibtisches und setzte sich.
»Da ich nun einmal hier bin, möchte ich doch noch die Sache besprechen, wegen der ich herkam.«
Helder nahm sich zusammen. Obwohl er wußte, daß Bell der letzte war, der solche Geschichten weitererzählte, kam ihm doch zum Bewußtsein, daß ihn dieser Mann jetzt völlig in der Hand hatte. Es würde einen Skandal ohnegleichen geben.
»Über das, was ich gerade gesehen habe, will ich mit Ihnen nicht mehr reden«, begann Bell. »Wenigstens vorerst nicht… Jetzt erzählen Sie mir vor allem, was Sie über Willetts wissen …«
»Interessiert Sie das wirklich so sehr?« entgegnete Helder mißmutig.
»Ich möchte alles wissen, was mit Willetts zusammenhängt«, entgegnete Comstock Bell ruhig.
Helder stand auf und ging in seinem Büro auf und ab. Er mußte versuchen, unter allen Umständen Herr der Situation zu bleiben. Plötzlich drehte er sich um.
»Willetts war der Mann, der unter Umständen, die Ihnen bekannt sind, eine Fünfzigpfundnote fälschte. Das ist allerdings schon lange Zeit her, aber die Polizei hat jetzt einen Haftbefehl gegen ihn erlassen.«
»Das ist mir bekannt.«
Bell verriet keinerlei Erregung.
»Außerdem habe ich Grund zu der Annahme, daß Sie von den Fälschungen wußten oder sogar daran beteiligt waren.«
»So, nehmen Sie das an?« fragte Bell.
»Sie haben Willetts finanziert – und jetzt beabsichtigen Sie aus irgendeinem Grund, ihn anzuzeigen.«
»Wer erzählte Ihnen denn das?«
»Ich habe es zufällig herausgebracht und erhielt vorige Nacht den Beweis dafür.«
»Was ist das für ein Beweis?«
»Sie waren doch gestern im Terriers-Klub, nicht wahr?«
»Stimmt, ich hielt mich einige Zeit dort auf.«
»Sie schrieben einen Brief, trotz Ihrer angeblich verletzten Hand.«
Er zog ein Fach seines Schreibtisches auf und holte ein Löschblatt heraus.
»Damit haben Sie den Brief abgelöscht«, sagte er triumphierend. »Soll ich Ihnen sagen, was darin steht?«
»Machen Sie sich keine Mühe«, erwiderte Bell kühl.
»Sie schrieben folgendes an Morrison von Scotland Yard: Der Mann, den Sie in Verbindung mit der Fälschung einer Fünfzigpfundnote bringen können, ist Harold Willetts. Er arbeitet augenblicklich als Börsenmakler in der Little Painter Street. In acht Tagen wird er vermutlich in die Stadt zurückkommen, und Sie werden in seinem Büro und bei ihm selbst genug Belastungsmaterial finden, um ihn des Verbrechens überführen zu können.«
Helder faltete das Löschblatt zusammen, das er gegen das Licht gehalten hatte, und legte es in die Schublade zurück.
»Haben Sie das geschrieben?«
»Vielleicht.«
»Es war wirklich ein Glückszufall, daß ich in den Besitz dieses ›Duplikats‹ kam. Und Sie«, fuhr er fort, »wagen es, mir Vorschriften darüber zu machen, was ich tun und lassen soll. Ein Mensch, der einen anderen verrät, um sich selbst zu retten! Mr. Bell« – er lehnte sich über den Schreibtisch, und seine Stimme zitterte vor Wut – »ich könnte Sie ruinieren, wenn ich wollte!«
Comstock Bell schwieg einen Augenblick.
»Das wiederholen Sie besser nicht noch einmal«, sagte er dann langsam und betonte jedes Wort.
Helder ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen und starrte ihn an. Bell nahm seinen Hut und ging zur Tür.
»Das Fälschen von Geldscheinen scheint in unseren Kreisen allgemein beliebt zu sein«, sagte er und sah Helder verächtlich an. »Die einen machen sich ein Vergnügen daraus – andere betreiben es kaltblütig aus Profitgier.«
Er wählte alle seine Worte mit großer Überlegung.
»Ich habe erfahren, daß Sie eine kleine Druckerei in Shropshire besitzen. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, so schließen Sie dieses Geschäft und bringen Ihre Zeichner und Graveure in eine weniger gefährliche Umgebung.«
9
›John B. Wanager, ein Sprecher des Finanzministeriums, teilt mit, daß falsche Banknoten im Wert von zwanzig Millionen Dollar im Umlauf sind. Diese Nachricht hat größte Bestürzung in Bankkreisen hervorgerufen. Wallstreet zeigte sich sehr beunruhigt. Die Geldscheine sind so vorzüglich gefälscht und gedruckt, daß man nur mit Spezialgeräten in der Lage ist, die Fälschung zu entdecken. Sie müssen irgendwo in riesigen Mengen gedruckt werden, und verschiedenerlei Umstände deuten darauf hin, daß dies in Europa geschieht. Auf irgendeine Weise werden die Scheine unter Umgehung der Zollkontrolle ins Land gebracht und mit Hilfe eines glänzend organisierten Verteilersystems auf den Markt geworfen.‹
Wentworth Gold las diesen Absatz in einer New Yorker Zeitung, aber er regte sich nicht so sehr darüber auf, wie er es noch am Tage vorher getan hätte. Ursache seiner Zuversicht war ein Telegramm, das er in aller Frühe von Maple bekommen hatte. Er war im Begriff gewesen, der Aufforderung nachzukommen, die in dem Telegramm enthalten war, als ihm vom amerikanischen Konsulat ein Brief mit dem Zeitungsausschnitt zugeschickt wurde. Die Sache war nun also allgemein bekannt. Lieber wäre es ihm gewesen, wenn er die Angelegenheit hätte aufklären können, ohne daß viel davon in die breite Öffentlichkeit gedrungen wäre.
Er fuhr zu dem Haus in Peckham und war überrascht, als ihm die Tür von Verity Maple geöffnet wurde. Sie sah kränklich aus, doch bevor er sie danach fragen konnte, stürzte Maple auf ihn zu.
»Kommen Sie herein, Mr. Gold. Ich hab’s herausgebracht!«
Erregt packte ihn Maple am Arm und zog ihn in die Küche. Wie gewöhnlich war der Küchentisch bedeckt mit allen möglichen Apparaturen. Maple griff zielsicher in das Durcheinander und nahm ein kleines Schälchen in die Hand, das mit einer farblosen Flüssigkeit gefüllt war. Vorsichtig stellte er es neben ein Häufchen neuer Banknoten.
»Geben Sie genau Obacht!« flüsterte er heiser.
Er tauchte den Finger in die Flüssigkeit und befeuchtete eine Banknote nach der andern jeweils an der linken Ecke. Die erste Note zeigte außer einem kleinen nassen Fleck kein Ergebnis; bei der zweiten war es nicht anders.
»Echte Scheine – echte Scheine«, stieß Maple hervor. Ein triumphierendes Lächeln lag über seinem Gesicht.
Bei dem dritten Geldschein, den Maple mit der Flüssigkeit in Berührung brachte,