Irmgard Kramer

Pfeffer, Minze und die Schule


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Pfeffer klopfte seinem Freund anerkennend auf die Schulter. Dann packte er seine Schätze aus.

      In seinem Rucksack waren: eine Wasserflasche, eine Stirnlampe, ein Schnitzmesser, ein Wäscheseil, ein Karabiner, das alte Funkgerät von Opa Leopold, eine Dose Ravioli in pikanter Soße, eine Packung Chili-Beißer und Uno-Karten.

      Paula hatte noch nichts eingepackt, schließlich wusste sie ja erst seit eben von ihrem Plan. Aber sie flitzte ins Haus und kam bald mit ihrem Turnbeutel zurück. Sie hatte eingepackt: Bilderbücher, Unterwäsche, einen rosaroten Fotoapparat, Papier, Stifte und eine leere Flasche.

      „Für eine Flaschenpost“, erklärte sie. „Die können wir aus dem Kellerfenster rollen oder ins Meer werfen.“

      „Nicht schlecht!“, rief Pfeffer und überprüfte zuletzt seine Überlebens-Armbanduhr, indem er das Zifferblatt aufklappte, dann den Kompass, den Spiegel und die Lupe. Alle Systeme liefen einwandfrei. Dann zurrte er seinen Ski-Helm fest.

      Sie kletterten aus dem Baumhausfenster und verließen den Baum nicht über die Leiter, sondern über ein Seil, das am Ende eines langen Astes hing. Von dort erreichten sie die Rutschbahn und landeten schließlich im Sandkasten, in den Buschel oder Muschel schon wieder einen Haufen gemacht hatte. Sie schauten zu Paulas Mama, aber die war über den Computer gebeugt und merkte nichts.

      Zu dritt rannten sie aus dem Garten hinunter in die Spielstraße, wo Kinder aus der Siedlung mit allem fuhren, was Räder hatte. Mit Rutschautos und Rollern und Fahrrädern und Skateboards und Inlinern. Nur echte Autos durften hier nicht fahren, was ziemlich praktisch war.

      Blödmann Jasper lehnte griesgrämig an einem Mülleimer vor Ollis Haus und spielte mit seinem Handy.

      „Der darf uns nicht sehen“, flüsterte Pfeffer. Sie schlichen hinter der Mülltonne vorbei und rannten weiter. Den Weg kannten sie genau, denn die Schule war neben dem Kindergarten. Und mit ihren Eltern waren sie dort bei der Schulanmeldung gewesen.

      Es war nicht weit, trotzdem schwitzte Pfeffer unter dem Ski-Helm.

      Vor der Schule war alles größer als vor dem Kindergarten – die Bäume, der Schulhof, die vielen Fenster, das Haus.

      „Was jetzt?“, fragte Olli.

      „Tarnen und beobachten“, antwortete Pfeffer.

      Das war Pfeffers Plan. Die Schule zu erforschen. Und vor allem ihre neue Lehrerin. Damit die dicke Falte auf Mamas Stirn verschwand. Und die Angst auch.

      3. Die Boxerin und die Elfe

      Sie versteckten sich in einem Gebüsch vor der Schule und starrten durch das Geäst auf den Pausenhof. Pfeffer spielte mit seinem Wackelzahn, der nur noch an einem Faden hing. Olli kaute Gummibärchen. Paula kaute ihre Haare.

      Der Schulhof war menschenleer. Und es wurde immer heißer unter Pfeffers Ski-Helm.

      „Vielleicht sind wir zu früh“, sagte Paula irgendwann. „Die Schule fängt ja erst in einer Woche an.“

      „Meine Mama sagt, Lehrer haben viel zu viel Ferien.“ Olli griff in seine Hosentasche und stopfte sich den Mund voll. „Die Gummibärchen sind bald aus.“

      „Ich muss heim. Rocki füttern“, sagte Paula.

      „Na gut“, sagte Pfeffer seufzend. Vielleicht hatten sie morgen mehr Glück. „Enttarnen wir uns und treten wir den geordneten Rückzug an.“ Sie wollten gerade aus dem Gebüsch klettern, als ein rotes Auto auf den Schulhof fuhr. Sie duckten sich wieder und warteten gespannt. Wer würde aussteigen? Der fiese Lehrer Katzenmeier? Die Autotür öffnete sich und schwarze Schuhe mit dicken haarigen Beinen schoben sich heraus. Sie gehörten einer breiten Frau mit grauen Haaren und einem furchterregenden Gesicht. Pfeffer verschluckte beinahe seinen Zahn. Olli verschluckte sich an den Gummibärchen. Paula verschluckte sich an den Haaren.

      „Ist das der Lehrer Katzenmeier?“, fragte Olli hustend.

      „Also echt, Olli. Das ist eine Frau, sieht man doch an dem großen Busen“, zischte Pfeffer und steckte den Zahn in die Hosentasche. Er schmeckte Blut.

      „Aber hast du schon einmal eine Frau gesehen, die so gefährlich aussieht?“, fragte Olli.

      Pfeffer schüttelte den Kopf.

      „Die hat ein Gesicht wie ein Boxer.“ Paulas Stimme klang ein bisschen ängstlich. Die Frau schaute wirklich aus wie die Hunde, bei denen die Mundwinkel nach unten hingen und aus denen Schleim tropfte. Pfeffer sah genauer hin. Noch tropfte kein Schleim aus dem Mund der Frau.

      „Die kann bestimmt laut brüllen“, sagte Olli.

      Paula kramte ihren rosaroten Fotoapparat aus ihrem Turnbeutel und knipste Beweisfotos. „Meint ihr, dass das unsere Lehrerin ist?“

      „Ich geh nicht zur Boxerin“, sagte Pfeffer entschieden.

      „Ich auch nicht“, sagte Olli und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust.

      „Ich erst recht nicht“, sagte Paula.

      „Vielleicht ist sie der Direktor“, sagte Pfeffer. „Schaut mal, was die alles in ihrem Auto hat.“ Die Boxerin öffnete ihren Kofferraum, holte einen Rollkoffer heraus, hängte sich fünf Taschen um jede Schulter und hievte noch einen Wäschekorb voller Bücher auf einen Arm.

      „Die ist echt stark“, sagte Pfeffer.

      „Logisch, die kann ja auch boxen“, sagte Olli.

      Jetzt düste ein dünner Mann mit einem Rennrad um die Ecke auf den Parkplatz. Er hatte Klammern an den Hosenbeinen, damit der Stoff nicht in die Speichen kam. Er machte eine Vollbremsung und rief: „Na, schöne Ferien gehabt, Gerti?“ Mit einem Schlüssel sperrte er die Eingangstür auf und hielt sie ihr auf.

      „Ist das der Lehrer Katzenmeier?“, fragte Olli.

      „Quatsch“, sagte Pfeffer. „Wenn man bedenkt, dass mein Opa schon hundert Jahre alt ist, muss der Lehrer Katzenmeier mindestens tausend Jahre alt sein. Ich glaube, das ist der Sportlehrer. Wegen dem Fahrrad.“

      Der Sportlehrer und die Boxerin wollten gerade reingehen, als ein weißer Lieferwagen in den Hof fuhr. Pfeffer überprüfte die Himmelsrichtung auf seinem Kompass. Paula knipste Fotos. Ein junger Mann stieg aus. Pfeffer kannte ihn, weil ihm die Metzgerei in der kleinen Ladenzeile vor der Siedlung gehörte.

      „Was macht der Metzger denn hier?“, fragte Olli.

      „Wurstsemmeln für die Kinder bringen?“, überlegte Paula.

      „Und die schmecken noch in einer Woche?“, fragte Olli.

      Pfeffer sagte nichts. Ihm war schlecht vom Anblick der Boxerin.

      Die Beifahrertür des Lieferwagens öffnete sich. Eine Frau kletterte heraus. Nein. Keine Frau. Eine Elfe musste es sein. Oder ein Engel oder so was in der Richtung. Pfeffer spürte in seinem Magen ein winziges Vögelchen flattern. Die Elfe hatte das liebste Gesicht, das Pfeffer je gesehen hatte. Ihr langes seidiges Haar glänzte in der Sonne. Sie trug ein Sommerkleid. Bestimmt verbarg sie darunter die zwei Federflügel auf ihrem Rücken.

      „Mach ein Foto! Ein Foto!“, sagte Pfeffer aufgeregt zu Paula, aber die knipste ohnehin ununterbrochen.

      Der Sportlehrer erblickte die Elfe und vergaß, dass er der Boxerin gerade die Tür aufhielt. Als er die Tür losließ, knallte sie auf die breite Boxernase der Boxerin und