vorwurfsvoll erhobenem Zeigefinger, »Sie wollten ja die ausgezeichnete Beschreibung des Versteckes von König Karl in der Broschüre nicht nachlesen. Zu den damaligen Zeiten haben sich die Leute nicht verborgen, ohne zuverlässige Verstecke zu haben, und es war immerhin möglich, daß ein solches später noch einmal benutzt werden konnte. Ich war überzeugt, daß wir Mr. Douglas unter diesem Dach finden würden.«
»Und wie lange haben Sie in dieser Weise mit uns bereits Katze und Maus gespielt, Mr. Holmes?« sagte der Inspektor ärgerlich. »Wie lange haben Sie zugelassen, daß wir unsere Zeit mit Nachforschungen vergeudeten, von denen Sie wußten, daß sie lächerlich waren?«
»Nicht sehr lange, mein lieber Mr. Mac. Erst gestern Abend habe ich mir meine endgültigen Ansichten über den Fall gebildet. Da ich sie erst heute erproben konnte, riet ich Ihnen und Ihrem Kollegen, sich den Tag über Erholung zu gönnen. Was hätte ich sonst tun können? Als ich die Kleider im Festungsgraben fand, war es mir klar, daß die Leiche, die wir gesehen haben, nicht die von Mr. Douglas sein konnte, sondern die des Radfahrers aus Tunbridge Wells. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Daher hatte ich festzustellen, wo Mr. John Douglas war. Die Wahrscheinlichkeit sprach dafür, daß er sich mit Wissen seiner Frau und seines Freundes verborgen hielt, und zwar hier im Hause, das für Flüchtlinge mancherlei geeignete Schlupfwinkel aufweist, und daß er nur wartete, bis sich die erste Aufregung gelegt hatte, um dann das Weite zu suchen.«
»Sie haben ganz recht damit gehabt«, sagte Douglas zustimmend. »Ich habe es für das beste gehalten, eurem britischen Gesetz aus dem Wege zu gehen, da ich mich darin nicht auskenne, und zu gleicher Zeit diese Hunde endgültig von meiner Fährte abzuschütteln. Ich kann Ihnen nur sagen, daß ich niemals etwas tat, worüber ich mich zu schämen brauche, und nichts, das ich nicht wieder tun würde, wenn es die Umstände erfordern sollten. Darüber können Sie jedoch selbst urteilen, wenn Sie meine Geschichte gelesen haben. Sie brauchen mir nicht die übliche Verwarnung zu geben, Inspektor, ich bin bereit, die volle Wahrheit zu sagen.«
»Ich will nicht mit dem Anfang beginnen, der ist hier,« er wies bei diesen Worten auf die Papiere in meinen Händen, »und ein merkwürdiger Anfang ist es, wie Sie finden werden. Die Sache ist die: es gibt Leute, die guten Grund haben, mich zu hassen, die ihren letzten Pfennig dafür ausgeben würden, zu hören, daß ich nicht mehr unter den Lebenden weile. Solange ich lebe und diese Leute leben, gibt es für mich in dieser Welt keine Sicherheit. Sie haben mir von Chicago nach Kalifornien nachgespürt; dann haben sie mich aus Amerika verjagt. Aber als ich schliesslich heiratete und mich in dieser stillen Gegend niederließ, habe ich gehofft, meine letzten Lebensjahre in Frieden beschließen zu können. Meiner Frau habe ich niemals erzählt, wie die Sachen stehen. Warum auch sollte ich sie hineinziehen? Sie hätte nie wieder einen ruhigen Augenblick gehabt und wäre in steter Sorge gewesen. Etwas wird sie schon geahnt haben, denn hie und da habe ich wohl ein Wort fallen lassen, aber gestern, nachdem sie von den Herren hier verhört worden ist, hat sie Einblick in die Sache gewonnen. Sie hat Ihnen alles gesagt, was sie wußte, genau so wie Barker, denn als die Sache hier passierte, war keine Zeit zu Erklärungen. Jetzt weiß sie alles. Es wäre vielleicht weiser gewesen, wenn ich sie schon früher ins Vertrauen gezogen hätte, aber es war eine schwere Wahl, Liebste,« – er ergriff ihre Hand, – »und ich glaubte zu deinem Besten zu handeln.«
»Nun, meine Herren, am Tage bevor diese Sache sich zutrug, war ich drüben in Tunbridge Wells, wo ich einen Mann auf der Straße erblickte. Ich sah ihn nur einen Moment, aber ich habe ein flinkes Auge und erkannte ihn sofort. Er war von allen meinen Feinden der Schlimmste. Die ganzen Jahre hindurch war er hinter mir her, wie der hungrige Wolf hinter dem Karibu. Ich wußte, was mir bevorstand, und zögerte nicht, nach Hause zurückgekehrt, mich darauf vorzubereiten. Es war meine Absicht, den Kampf allein aufzunehmen. Es gab eine Zeit, wo mein Glück in den ganzen Vereinigten Staaten sprichwörtlich war, ich verließ mich darauf, daß es mich auch diesmal nicht in Stich lassen würde. Den ganzen nächsten Tag über war ich ständig auf meiner Hut und ging nicht einmal in den Park hinaus. Das war zweifellos klug gehandelt, denn er würde mich jedenfalls vor seine Schrotflinte gekriegt haben, bevor ich Zeit hatte, meine eigene Waffe zu ziehen. Nachdem die Brücke aufgezogen war, habe ich getrachtet, die ganze Sache zu vergessen. Ich war immer etwas ruhiger, wenn die Zugbrücke abends geschlossen war. Daran, daß er sich in das Haus schleichen und hier auf mich lauern würde, habe ich nicht gedacht. Als ich meine gewöhnliche Runde durch das Haus machte und die Bibliothek betrat, fühlte ich eine nahe Gefahr. Wenn ein Mensch wie ich sich in vielerlei Gefahren befunden hat, – und ich habe in dieser Hinsicht mehr erlebt, als die meisten Leute, – so entwickelt er eine Art sechsten Sinn, der Warnungssignale gibt, ohne daß tatsächliche Anhaltspunkte für eine Gefahr vorhanden sind. Ich fühlte diese Warnungszeichen ganz deutlich, wußte jedoch nicht, warum. Im nächsten Augenblick hatte ich indessen einen Stiefel bemerkt, der unter dem Fenstervorhang hervorsah, und dann war mir alles klar.
Es brannte nur die Kerze, die ich in der Hand hielt, aber das Zimmer war von dem Lichtschein erhellt, der aus der Lampe in der Halle hereinfiel. Ich setzte die Kerze nieder und sprang nach dem Hammer, den ich auf dem Kaminsims gelassen hatte. In dem Moment stürzte er sich auf mich zu. Ich sah nur das Glitzern eines Messers, als ich mit dem Hammer auf ihn einschlug. Irgendwo muß ich ihn getroffen haben, denn das Messer fiel klirrend zu Boden. Dann schlüpfte er gewandt wie ein Aal um den Tisch herum und zog mit blitzartiger Geschwindigkeit sein Gewehr aus dem Rock hervor. Ich hörte noch, wie er den Hahn spannte, hatte ihn aber schon umklammert, bevor er abdrücken konnte. Ich hielt das Gewehr beim Lauf, als wir einige Minuten auf Leben und Tod rangen. Wer das Gewehr freigeben mußte, war ein toter Mann. Er ließ es zwar nicht los, aber einen Augenblick lang war die Mündung auf ihn gerichtet. Vielleicht war ich es, der den Drücker zog, vielleicht ist die Flinte in unserem Kampf von selbst losgegangen. Das Ergebnis war jedenfalls, daß er alle zwei Schüsse in das Gesicht bekam, und alsbald konnte ich auf das hinunterblicken, was von Ted Baldwin übriggeblieben war. Ich hatte ihn schon in der Stadt erkannt und gleich wieder, als er auf mich zusprang. Obwohl mir schwere Verwundungen nichts Neues sind, muß ich gestehen, daß mir bei seinem Anblick geradezu übel wurde. Ich lehnte noch gegen die Tischkante, als Barker eiligst hereintrat. Auch meine Frau hörte ich kommen, lief jedoch zur Tür, um sie anzuhalten. Es war kein Schauspiel für eine Frau. Ich versprach ihr, möglichst bald zu ihr zu kommen. Barker gab ich bloß einige erklärende Worte, die er rasch begriff, und dann warteten wir, bis die anderen kommen würden. Aber niemand kam, was uns klar machte, daß keiner der Leute etwas gehört hatte, und wir allein wußten, was geschehen war.
In diesem Augenblick kam mir eine Eingebung, deren Glanz mich geradezu verwirrte. Der Ärmel des Mannes war hinaufgerutscht und das Brandmal der Loge auf seinem Unterarm deutlich sichtbar. Sehen Sie her.«
Douglas zog Rockärmel und Manschette hoch, und wir sahen auf seinem Unterarm genau dasselbe Dreieck innerhalb eines Kreises, das wir an der Leiche bemerkt hatten.
»Meine Eingebung rührte von diesem Brandmal her. Sie durchzuckte mich wie ein Blitz. Wir waren von derselben Größe, hatten dieselbe Gestalt und dasselbe Haar. Sein Gesicht war völlig unkenntlich. Ich zog ihm die Kleider aus und in einer Viertelstunde hatten Barker und ich ihm meinen Schlafanzug und Schlafrock angezogen, genau so, wie Sie ihn hier fanden. Dann knüpften wir alle seine Sachen in ein Bündel, das wir mit dem einzigen Gewicht, das ich in der Eile finden konnte, beschwerten und so aus dem Fenster warfen. Die Karte, die er neben meiner Leiche niederlegen wollte, lag nun neben der seinen. Wir steckten ihm meine Ringe an die Finger, aber als wir an den Ehering kamen, –« er hielt seine muskulöse Hand hoch, –»da ging er nicht herunter, wie Sie selbst sehen. Er war nicht von meinem Finger gekommen, seit ich heiratete und wir hätten eine Feile nehmen müssen, um ihn abzukriegen. Ich glaube indessen nicht, daß ich ihn abgenommen hätte, selbst wenn es möglich gewesen wäre. Dann brachte ich ein Stück Pflaster herunter und klebte es ihm an dieselbe Stelle, wo ich selbst eines trug. Hierbei haben Sie etwas übersehen, Mr. Holmes, so klug Sie sonst sind, denn wenn Sie ihm das Pflaster abgezogen hätten, würden Sie bemerkt haben, daß keine Verletzung darunter war.«
»Das war also die Lage. Wenn es mir gelingen würde, eine Zeitlang versteckt zu bleiben und nachher irgendwohin zu fliehen, wo mich meine Frau wieder treffen konnte, hätten wir die Möglichkeit gehabt, unser Leben in Ruhe zu beschließen. Diese Teufel hätten mir niemals Ruhe gegeben, solange sie