Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman


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mit mir sprach. Nehmen Sie bitte Platz, Herr Doktor! Darf ich Ihnen etwas anbieten?«

      »Danke, jetzt nicht, vielleicht später. Ich hege nämlich die Hoffnung, mit Ihnen dann in bestem Einvernehmen anstoßen zu dürfen.«

      »Da bin ich aber neugierig«, gab Ralf unumwunden zu, während er sich dem Gast gegenüber setzte, der ihn prüfend ansah und dann sagte: »So will ich versuchen, mich möglichst kurz zu fassen. Ich bin der Besitzer des Sanatoriums Friedberg, das in der Nähe des Hollgarthofes liegt. Schon davon gehört?«

      »O ja, es ist bekannt genug.«

      »Wie ich hörte, haben Sie die Absicht, die Praxis des verstorbenen Doktor Blonky zu erwerben?«

      »Die Absicht habe ich jetzt nicht mehr, da die Bedingungen denn doch zu übersteigert sind. Ich werde die Absage heute noch abschicken.«

      »Und was gedenken Sie zu tun?«

      »Mich nach etwas anderem umzusehen.«

      »Ins Krankenhaus wollen Sie nicht mehr zurück?«

      »Nein.«

      »Auch nicht als Oberarzt?«

      »Nein. Ich möchte selbständig werden.«

      »Schade.«

      »Warum?«

      »Weil Sie dann auf meinen Vorschlag nicht eingehen werden.«

      »Aber anhören könnte ich ihn trotzdem.«

      »Ja? Na, denn man zu. Also, Herr Doktor Skörsen, ich habe in den letzten Jahren mit meinen Mitarbeitern Pech gehabt. Es war nicht einer unter denen, die da kamen und gingen, auf den ich mich ganz und voll verlassen konnte. Nun wollte ich Ihnen vorschlagen, zu mir zu kommen.«

      »Um Sie auch noch zu enttäuschen«, warf Ralf trocken ein, und der andere lachte.

      »Sie scheinen wirklich kurz angebunden zu sein, wie man Ihnen nachsagt. Ich glaube nicht, daß Sie mich enttäuschen werden – und wenn, dann sagen wir uns hübsch säuberlich Adieu.«

      »Ihr Angebot könnte mich schon reizen, wenn ich dort meinen eigenen Hausstand haben dürfte.«

      »Das kommt nicht in Frage, mich werden Sie schon als Anhängsel dulden müssen.«

      »Wie soll ich das verstehen?«

      »Ganz einfach, mein lieber Freund. Ich bewohne nämlich ein großes Haus, in dem ich mir so einsam vorkomme, so verlassen und verloren. Denn ich bin unverheiratet, was Sie ja nicht wundern wird. Ich habe es bisher noch nicht bedauert, aber wenn man älter wird, sehnt man sich nach Wärme und Herzlichkeit, munterem Geplauder; herzfrohem Lachen. Und das alles könnte ich bei Ihrer Lenore finden.«

      »Lenore wohl, Herr Doktor, aber das ›Ihre‹ ist ein kühnes Wort.«

      »Dazu würde mein Bruder, der Viehdoktor, sagen: man immer sachte mit den jungen Pferdchen! Die junge Frau wird sich schon wieder darauf besinnen, daß sie aus Liebe geheiratet hat.«

      »Ein Irrtum, wie sie mir gestern sagte.«

      »Den ihr das eigenwillige Köpfchen eingibt. Aber das Herz irrt nicht, das bleibt nach wie vor unbestechlich. Das sage ich Ihnen als Psychologe, der sich ein Vierteljahrhundert mit Seelenkunde befaßt hat.«

      »Dann brauche ich Ihnen ja nicht zu beteuern, daß ich Lenore aus Liebe freite, daß ich sie immer liebte, auch als ich sie in meiner Verblendung für ein verlogenes Geschöpf hielt – und daß diese Liebe in meinem Herzen klebt so zäh wie …«

      Jäh hielt er inne, seine Zähne bissen sich zusammen wie in rasendem Schmerz.

      »Nein, das brauchen Sie mir nicht zu erklären«, sprach Hollgart in die bedrückende Stille hinein. »Sie haben wohl gefehlt, aber auch dafür gebüßt.«

      »Weiß Gott, das habe ich. Aber für Lenores Rachedurst wahrscheinlich immer noch nicht genug.«

      »Skörsen, ich will Ihnen mal was sagen, ganz offen und ehrlich: Lenore hat in den ersten Monaten ihrer Ehe so entsetzlich viel leiden müssen, daß sie bestimmt daran zerbrochen wäre, hätten sich nicht warmherzige Menschen gefunden, die sich ihrer annahmen. Von Herzlichkeit umgeben lernte sie wieder das Leben lieben, fand sie Frohsinn und Lachen wieder, was ihr alles so ganz abhanden gekommen war. Sie lernte aber auch, Sie zu vergessen, Ralf – was für ihre seelische sowie körperliche Genesung sogar gut war. Als Sie nun gestern so ganz unerwartet vor ihr standen, brach alles wieder auf, was noch nicht ganz vernarbt war. Die so plötzlich aufgerissene Wunde wird sich jedoch wieder langsam schließen, wenn man die richtige Salbe anwendet. Und die heißt nicht unnachgiebige Härte, sondern Nachsicht und Geduld. Also reißen Sie dieses sensible Geschöpf nicht von heute auf morgen aus seiner Umgebung, an der es hängt. Reißen Sie es nicht von Menschen, die es von ganzem Herzen liebt. Zwar ist es Ihr Recht, die Gattin an Ihre Seite zu zwingen, aber lassen Sie nicht das Recht sprechen, sondern Ihr Herz, dann werden Sie schon das Richtige treffen. Erst einmal damit, daß Sie meinen Vorschlag annehmen. Der Holgarthof und der Friedberg liegen so nahe zusammen, daß man, wenn man den Pfad durch die Wiesen wählt, in zehn Minuten hüben sowie drüben sein kann. Wenn Sie ein Fernglas nehmen, können Sie von der Höhe beobachten, was unten vor sich geht. Und diese Nähe braucht Lenore zuerst einmal, damit sie in kurzer Zeit dahin eilen kann, wohin das Herzchen sie gerade treibt. Und das wird sie allmählich mehr und mehr zum Herzen des Gatten ziehen. Wetten, daß es geschieht?«

      »Herr Doktor, wissen Sie, was Sie sind? Ein ganz listiger Verführer.«

      »Meinetwegen auch das«, lachte er herzlich. »Wenn wir dabei nur zum Ziel kommen. Hier haben Sie meine Hand, schlagen Sie ein, es wird Sie bestimmt nicht gereuen.«

      Noch ein kurzes Zögern Ralfs, dann fanden sich zwei Männerhände zu einem festem Druck.

      »Das wäre also geschafft«, schmunzelte Hollgart. »Wissen Sie was? Geben Sie das Zimmer hier auf, kommen Sie mit mir, zunächst als mein Gast.«

      »Und mein Wagen?«

      »Wenn Sie einen haben, dann bilden Sie mit ihm die Nachhut.«

      Nicht lange darauf fuhren die beiden Ärzte in ihren Wagen ab. Der eine ins Gewisse, der andere ins Ungewisse.

      *

      Es war ein Eldorado, das Dr. Skörsen nach einer guten Stunde zu sehen bekam. Alte Bäume mit mächtigen Kronen, blühende Sträucher, gepflegte Rasen, herrliche Blumenrabatte, Springbrunnen, ein großer See, auf dem Boote schaukelten; schmucke Badehäuschen reihten sich am Ufer. Ferner gab es Liegewiesen, Tennisplätze, eine kleine Reithalle, Wandelgänge, saubere Kieswege. Und inmitten von all dem herrlichen Grün und der Blumenpracht standen die schneeweißen Gebäude mit ihren großen Fenstern, Balkonen und Terrassen.

      Erklärend schritt der Besitzer all der Herrlichkeit neben dem jungen Arzt dahin, der schon ganz benommen war vom Schauen. Jetzt hob Hollgart die Hand und zeigte auf ein abgelegenes Gebäude, das ganz aus Glas zu bestehen schien.

      »Sehen Sie mal dort hin, Ralf! In dem Haus befindet sich der Operationssaal, der eigentlich nur als Staffage dient. Denn die größeren Operationen, die ja auch mal bei den Patienten notwendig werden, wimmele ich mir ab, weil ich ja kein Chirurg bin. Nur kleinere führe ich in dringenden Fällen aus.«

      »Aber der Herr Professor ist doch ein vorzüglicher Chirurg. Da wundere ich mich, daß er sich mit Ihnen nicht zusammentut, Herr Doktor.«

      »Den Vorschlag machte ich ihm selbstverständlich, er wies ihn jedoch entrüstet zurück. Ob er sich in diesem Klub wohl zuschanden faulenzen sollte? Jedes halbe Jahr vielleicht eine Operation, das hätte er gern. Und dann und überhaupt, was sollte er wohl bei solchen Menschen, die sich den Luxus leisten könnten, hier zu sein, wohl wegoperieren? Doch nur bei den unverstandenen Frauen ihre Extravaganzen und bei seitenspringenden Ehemännern ihre Amouren.«

      »Das sieht dem Professor ähnlich!« lachte Ralf so herzlich, daß sein Begleiter überrascht aufhorchte. Wohlgefällig hing sein Blick an der prachtvollen Erscheinung.

      So