Freiherr von Joseph Hammer-Purgstall

Geschichte der Ilchane, das ist der Mongolen in Persien


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ist der Name der Familie Tschengischan's; den Namen des Militärcodex hat nur Wassaf aufbewahrt; derselbe hiess: Tumendschin, d. i. wovor man sich zu hüten; dieses ging, sowie das Bilik, unmittelbar von Tschengischan selbst aus, aber an der Jasa hatte die Weisheit seines Sohnes Dschagatai grossen Antheil. Da die einige und zwanzig Punkte des ersten und des zweiten bereits bekannt gemacht worden, so genügen hier ein Paar Federstriche zum Umrisse des Geistes der Gesetzgebung Tschengischan's. Häufige Todesstrafe und Prügel waren die Sanction derselben, die Todesstrafe nicht nur auf Verbrechen, sondern auch auf Unsittlichkeit und auf die Verletzung abergläubischer Sitte gesetzt; so wurde der überwiesene Lügner, Zauberer, der, welcher bei Donnerwetter badete, und wer ins Wasser oder auf Asche pisste, mit dem Tode bestraft; den Prügeln, womit vorzüglich die Uebertretung der Kriegszucht bestraft ward, waren auch die Prinzen des Geblüts unterworfen, und dieselben entehrten nicht; ihre Zahl immer ungleich, von drei, fünf, sieben bis sieben und siebzig.[65] Die grösste politische Tugend der Mongolen die blindeste Unterwürfigkeit in den Willen des Herrschers, indem nur Einer der Herr und alle Anderen Sklaven; Nichts von Geburt aus, oder wenn auch durch diese und durch Stammverwandtschaft geadelt und zu Würden erhoben, wieder Nichts vor des Herrschers Allmacht; die zweite Tugend schweinische Unreinigkeit, indem es ihnen verboten, ihre Kleider zu waschen, die sie auf dem Leibe tragen mussten, bis sie ihnen in Stücken abfielen[66], also gerade das Gegentheil jüdischer und moslimischer Gesetzgebung, wovon jene zwischen Reinem und Unreinem so genau unterscheidet, diese wiederholtes Waschen zur Pflicht macht. Gastfreundschaft war geboten, doch durfte keiner zum Mahle niedersitzen, ohne dazu geladen zu seyn, keiner auf Kosten seiner Tischgenossen schlemmen; Titel und Phrasen waren untersagt, selbst der Kaan durfte nicht anders als bei seinem Namen angeredet werden; ein persischer Sekretär, welcher das im Namen Tschengischan's an eine belagerte Stadt erlassene Aufforderungsschreiben mit Floskeln ausgeschmückt, büsste dieselben mit seinem Leben. Alle Mädchen und Frauen der Mongolen standen dem Herrscher zu Gebot; die Tarchanen, d. i. Freiherren, waren von allen Steuern befreit und hatten zu jeder Stunde freien Zutritt zum Kaan. Die Erbfolge in der Familie Tschengischan's war durch die Jasa, welche hievon die Brüder Dschudschi Kasar's ausschloss und die Herrschaft dem Uluse Ogotai's, des zweiten Sohnes, zusprach, festgesetzt, aber die Verkündung der Thronbesteigung musste auf einem Kurultai, d. i. einem Landtage, feierlich vollzogen werden. Der erste und grösste Hofdienst war der des Oberstjägermeisters, denn die Jagd als Vorspiel und Vorübung des Kriegs vertrat die Stelle der Bildung und Erziehung, da das Handwerk und die Kunst der Mongolen nur Krieg und Verheerung.

      Das Heer und das Testament.

      Die Periode der Staatseinrichtungen Tschengischan's fällt in die sieben Jahre, welche von seiner zweiten Thronbesteigung als gewaltiger Herrscher bis zum Ausbruche des siebenjährigen chinesischen Krieges verflossen; aber die militärische Einrichtung des Heeres nach Zehnern, Hunderten, Tausenden und Zehntausenden hatte schon früher stattgefunden. Das Buch der vier Uluse, dessen Verfasser Ulugbeg und welches dem Stammbaume der Türken[67] zu Grunde liegt, schreibt die Eintheilung des mongolischen Heeres in sieben Treffen schon dem Oguschan zu; in jedem Falle ist diese Einrichtung eine türkische und weit älter, als Tschengischan, und verschieden von der arabischen Eintheilung, welche nur fünf Abtheilungen des Heeres kennt. Die Türken und nach ihnen die Mongolen theilten ihr Heer in die folgenden sieben Theile: 1. Buldschunghar, auf türkisch Karaul, die Vorposten oder Vedetten; 2. Borunghar, auf türkisch Mankalai, der Vortrab des Heeres, auf arabisch Makaddemetol-dschisch; 3. Unghar, auf türkisch Ssaghkol, der rechte Flügel, auf arabisch Jemin; 4. Dschunghar, auf türkisch Ssolkol, der linke Flügel, auf arabisch Jesar; 5. Ghul, auf türkisch Jesaul, das Mitteltreffen, der Mittelpunkt des Heeres, die Fahnen und Standarten, die Rossschweife und Heerpauken, von den Arabern Kalboldschisch, d. i. das Herz des Heeres, genannt; 6. Okdschunghar, auf türkisch Tschenkdaul, der Nachtrab, auf arabisch Sakat; 7. Bestunghar, auf türkisch Bassdürma und auf persisch Kemingjah, d. i. der Hinterhalt; dieser Theil des Heeres war, wie der türkische und persische Name zeigt, zu Ueberfällen aus dem Hinterhalte bestimmt; er zog aber, der letzte, in so grosser Entfernung vom Nachtrab, dass er den Staub desselben nicht sah. Diese letzte Abtheilung, sowie die erste, fehlt in der Strategie der Araber. Ein Corps von zehntausend Mann hiess Tumen oder Toman, eine Benennung, welche auch den Länderabtheilungen und später Münzen beigelegt ward, wie denn noch heute Silber- und Goldtomane in Persien cursiren; die Silber- und Goldmünzen der Mongolen hiessen Balisch. Die Jagd, Pfeilschiessen, Pferdetummeln und Ringen waren die Uebungen des Heeres und der Feldherren, welche hierin mit gutem Beispiele vorgehen mussten: „Die grossen Fürsten und das ganze Heer muss sich in der Jagd üben und den Namen bestimmen, bei welchem sie, wenn sie ins Feld ziehen, ausgerufen werden sollen; sie sollen mit zu Gott gewandtem Herzen beten, bis sie mit göttlicher Hilfe die vier Weltgegenden unterjocht.“ lautet das zehnte der hinterlassenen Worte Tschengischan's; dann das eilfte: „Der Mann sei unter dem Volke ruhig und schweigsam, wie ein Kalb, falle aber in der Schlacht wie ein hungriger Geyer auf die Feinde.“ und das zwölfte: „Jedes Wort, das einmal gesprochen worden und von dem man zweifelt, ob es im Scherze oder Ernste gesprochen worden, kann nicht mehr zurückgenommen werden, – gilt für Ernst.“ Die grösste Auszeichnung war, wenn der Kaan auf einen mit dem Finger zeigte; dem mit dem Finger Ausgezeichneten[68] waren die Einkünfte der Minen, die guten Pfeilschützen, die Pferde der Post, die Jagdvögel, die Jagdhunde der eroberten Länder zugesprochen.[69] Die feste Grundlage des Herrschergesetzes Tschengischan's war Familieneinigkeit und festes Zusammenhalten der Stammverwandtschaft; eine Lehre, welche er durch das bekannte Gleichniss vom Pfeilbündel, dann von den zwei Schlangen, der einköpfigen Vielschweifigen[70] und einschweifigen Vielköpfigen, seinen Söhnen versinnlichte. Von diesen bekleidete Ogotai, der Oberste Jägermeister, das erste Hofamt, Dschagatai versah die Stelle des Obersten Richters und wachte auf die Vollziehung der Jasa, an deren Verfassung er so grossen Antheil hatte; dem Ogotai lag die innere Verwaltung, d. i. die Erhebung der Steuern, dem jüngsten, Tuli, die Sorge für das Haus und die Truppen, für den Herd und das Heer ob; der jüngste Sohn war, wie schon oben gesagt worden, nach mongolischen Gesetzen der Hüter des Herds und der Herden und nach des Vaters Tod der Erbe der ganzen Wirthschaft, wiewohl das Haupt der Familie und des Stammes stets der Erstgeborne blieb. Das mongolische Gesetz trennte also das Ansehen der Erstgeburt von dem Stammvermögen, indem die Stammherrschaft zwar dem Aeltesten, das Vermögen aber dem Jüngsten des Hauses zuerkannt ward. In diesem Sinne sollte Dschudschi, der älteste der vier Söhne, dem Vater auf dem Throne gefolgt sein, aber mit demselben unzufrieden, besonders seitdem er nicht auf dem letzten Kurultai zur grossen Jagd erschienen, sprach Tschengischan's letzter Wille die Thronfolge dem dritten Sohne, Ogotai, das Stammvermögen aber, das ist die grösste Macht des Heeres, dem jüngsten Sohne, Tuli, zu. Von hundert neun und zwanzig Toman, d. i. hundert neun und zwanzigtausend Mann, aus welchen das Heer bei Tschengischan's Tod bestand, hinterliess er hundert ein Tausend dem Tuli, jedem der vier anderen: Dschudschi, Dschagatai, Ogotai, Gulgan, nur viertausend; den rechten Flügel über acht und dreissigtausend Mann befehligte der erste der neun Orlöke, der treue Freund und Waffengefährte Bughurdschi; den linken von zwei und sechzigtausend Mann der Eroberer China's, der Kojank Mokli der Dschelaire, welchem drei Hesare, d. i. dreitausend Mann Dschelairen als ein Leibregiment überlassen worden; fünftausend seinem jüngsten Bruder Utdschigin, dreitausend seinem Bruder Katschiun und eben so viele seiner Mutter Ulun, tausend dem Sohne des Bruders Dschudschi Kasar's. Diese Truppen erbten in den Familien fort. Als Tschengischan sein Testament machte, liess er aus den Archiven den Familienpact holen, welchem noch das goldene Siegel seines Vorfahren Tumenai aufgedrückt war und welchem die folgenden Ahnen, nämlich: Kabulchan, der Urgrossvater, Bertan Behadir, der Grossvater, und Jisukai, der Vater Tschengischan's, ihre Unterschriften beigesetzt hatten[71]; er zeigte diese Familienurkunde, vermöge welcher der letzte Wille des Herrschers als Gesetz geachtet werden musste, den Söhnen, befahl ihnen, den Bruder Ogotai als Herrn anzuerkennen, und empfahl die Leitung der Reichsgeschäfte dem Vetter Karadschar Nujan, dem Sohne seines Oheims, dem Ahnherrn Timur's. Ogotai erhielt das Reich als oberster Herrscher, Tuli das Stammgebiet am Onon und Kerulon und die östlichen Länder. Dem Uluse Dschudschi's, der kurz vor dem Vater verstorben, ward der Besitz von Kipdschak erhalten; Dschagatai's Antheil waren die Länder der Uighuren, die kleine und grosse Bucharei, die Länder am Ili und zwischen dem Dschihun