nickte. Sein Blick war in die Ferne gerichtet. Er nahm Pounder kaum noch wahr. »Niemand schätzt Verräter«, sagte er schließlich. »Was ist mit Ihnen, Pounder? Was halten Sie von Verrätern?«
»Ich glaube, Verrat ist eine Frage der Perspektive. Sie, Mercant, haben zweifellos die Vereinigten Staaten von Amerika verraten. Sie haben Ihren Eid gebrochen. Aber ich denke, das ist eine vernachlässigbare Kleinigkeit, gemessen an dem möglicherweise unermesslichen Dienst, den Sie der Menschheit erwiesen haben.«
Pounder holte ein Bündel Papiere aus der Innentasche seiner Jacke und warf es auf das Bett.
»Was ist das?«
»Alles, was Sie brauchen, um zu überleben, bis die neue Zeit anbricht. Eine neue Identität, Geld, der Schlüssel zu einem vollgetankten Wagen, der am östlichen Seitenzugang des Gebäudes auf sie wartet.«
Mercant sagte nichts. Ihm fiel keine Entgegnung ein. Pounder hatte ihm die Rettung hingeworfen. Vorsichtig griff er nach dem Bündel, als habe er Angst, die Papiere könnten sich als Ausgeburt seiner Phantasie entpuppen, sobald er sie berührte.
Sie waren real. Mercant besah sich den Führerschein mit seinem Bild. Er, der erfahrene Geheimdienstmann, konnte ihn nicht als Fälschung erkennen.
»Die Wachen sind eingeweiht«, sagte Pounder. »Ich werde die Tür der Zelle unverschlossen lassen. Warten Sie bitte einige Minuten, bevor Sie gehen. Es ist wichtig, dass meine Position nicht kompromittiert wird. Sie und ich, wir stehen auf derselben Seite, aber wir müssen unterschiedliche Wege beschreiten, um erfolgreich zu sein. Flight Director Lesly Pounder wird noch gebraucht.« Pounder blickte auf die Uhr. »Ich muss jetzt los. Sonst komme ich zu spät.«
»Wozu zu spät?«
»Zum wichtigsten Auftritt meines Lebens«, sagte Pounder und grinste. »Ich werde aller Welt das Unglaubliche glaubhaft machen: einen sprachlosen Lesly Pounder!«
Ohne ein weiteres Wort wandte sich Pounder ab und verließ die Zelle.
Mercant ging durch die Papiere und das Geld, dann stand er auf und drückte die Türklinke herunter. Seine Hände zitterten. Die Tür war offen, der Gang verlassen. Mercant nahm den Lift ins Erdgeschoss und verließ das Gebäude durch den Seiteneingang. Ein grauer älterer Ford war dort abgestellt, ein selten gewordener Benziner. Der Schlüssel passte.
Die Wache am Haupttor zu Nevada Fields grüßte ihn freundlich, als sie ihn sah, und ließ die Schranke nach oben fahren.
Mercant beschleunigte den Wagen und fuhr hinaus in die menschenleere Weite Nevadas. Er ließ die Seitenscheibe herunterfahren. Der heiße Wind blies in den Wagen, durch sein Haar. Sand drang ihm in die Augen, löste Tränen aus.
Allan Mercant war ein Verräter.
Er ließ alles zurück, was sein Leben ausgemacht hatte.
Niemals zuvor hatte er sich freier gefühlt.
19.
»Sind Sie bereit?« Rhodan, an die Konturliege im Cockpit der STARDUST geschnallt, wandte den Kopf und sah Crest in die Augen. Ihre Röte war fremd, unmenschlich. Und gleichzeitig spürte Rhodan erste Vertrautheit in sich aufsteigen.
»So bereit, wie ich es jemals sein werde«, antwortete Crest, und in der Haltung des Fremden las Rhodan keine Furcht, nur Hoffnung. Und ja, er täuschte sich nicht, einen Schuss Abenteuerlust.
Der alte Arkonide hatte eine eigene Liege bekommen, von Robotern millimetergenau zwischen die Manolis und Flippers gesetzt. Sie schien aus einem Stück gearbeitet und wirkte fragil, als müsse sie bei der geringsten Belastung zusammenbrechen.
Es hätte keinen deutlicheren Hinweis auf die Überlegenheit der arkonidischen Technologie geben können. Rhodan hatte keinen Zweifel daran, dass Crests Liege es selbst überstanden hätte, sollte die STARDUST beim Eintritt in die Erdatmosphäre verglühen – und mit der Liege der alte Arkonide. Crest trug keinen Raumanzug. Er hatte ihn nicht nötig. In seiner Liege waren Sauerstoffversorgung sowie Schutzschirmgenerator integriert. Im Notfall würde der Schirm ihn beschützen. So lange, bis Thora ihren Artgenossen aus dem Raum oder aus dem Meer fischen würde oder wohin sonst es ihn immer verschlagen sollte.
Rhodan nickte und gab Bull ein Zeichen.
Bull räusperte sich. »Start in 200 Sekunden. Ich beginne den letzten Check.«
Während sein Freund die Startsequenz abarbeitete, blickte Rhodan durch das Bullauge. Die Arkoniden hatten die STARDUST aus dem Hangar geschafft und sie am Fuß des Kraters abgesetzt. Rhodan sah bleiches Mondgestein, steile Kraterwände und einen dunklen, riesigen Schatten, der auf Säulen von der dreifachen Höhe der STARDUST ruhte. Es war die AETRON, das Schiff der Arkoniden.
Rhodan fragte sich, ob er jemals an diesen Ort zurückkehren würde. Und er gab sich selbst Antwort: Ja, er würde es. Er würde zum Mond fliegen. Zum Mond und viel weiter. Sollten er und seine Kameraden, sollte die Menschheit die nächsten Tage überleben.
»Start!«, sagte Bull.
Mit einem leisen Summen, das nicht zu der Aufregung und Nervosität passen wollte, die Rhodan beherrschten, liefen die arkonidischen Triebwerke an. Crest hatte sie von einer Heerschar von Robotern einbauen lassen, während gleichzeitig kleine Spezialmaschinen sich im Innern des Schiffs ans Werk gemacht hatten. Sie hatten die zerstörten Bordcomputer ausgebaut und sie durch ein arkonidisches Modell, eine sogenannte Positronik, ersetzen lassen. Es war für den alten Arkoniden eine Angelegenheit von einer Viertelstunde gewesen, die Arbeiten in die Wege zu leiten. Aber es war eine Viertelstunde gewesen, die ihn derart ausgelaugt hatte, dass er sich hatte hinlegen müssen.
Der Andruck presste Rhodan in die Liege, aber er war nicht übermächtig. Rhodan schätzte ihn auf vielleicht fünf Gravos, weit von dem Wert entfernt, den er und seine Kameraden auszuhalten vermochten. Mit Sicherheit auch weit von dem Wert entfernt, den die arkonidischen Triebwerke leisten konnten. Doch Bull tat gut daran, vorsichtig zu sein. Die STARDUST war nicht auf ein derartiges Leistungsvermögen ausgelegt.
Rhodan blickte auf das Display, das ihm wie ein Rückspiegel einen Blick in den hinteren Teil der Kabine erlaubte. Manoli und Flipper lagen schweigend da. Ihre Züge waren angespannt. Der Andruck zerrte an ihrem Fleisch, wollte es von den Knochen ziehen. Crest war davon unberührt. Er lag da, als stünde die STARDUST still. Es musste dem »Andruckabsorber« zu verdanken sein, von dem Thora gesprochen hatte.
Der Mond blieb hinter ihnen zurück, wurde zu einer bleichen Murmel – und eine zweite, bunte erschien auf den Schirmen: die Erde.
Knappe drei Tage Flug trennten sie noch von der Heimat.
Rhodan gab den Befehl, in den Tiefschlaf zu gehen, überzeugte sich davon, dass seine Männer dem Kommando nachgekommen waren, dann löste er selbst die Injektion aus.
Die Schwärze des Schlafs löste die des Weltraums ab.
Als Rhodan erwachte, war aus der bunten Murmel ein Planet geworden, der beinahe die gesamte Sichtfläche des Cockpits der STARDUST ausfüllte.
»Die Erde hat uns wieder«, murmelte Bull, der kurz vor Rhodan aus dem Tiefschlaf erwacht war.
»Beinahe«, antwortete Rhodan. Er wandte den Kopf, der ungewöhnlich leicht war. Bull hatte die STARDUST in eine hohe Umlaufbahn gebracht und die Triebwerke abgeschaltet. Im Schiff herrschte Schwerelosigkeit. »Alles in Ordnung?«
Ein dreifaches »Ja« antwortete ihm.
Crest, der den Flug ebenfalls im künstlichen Tiefschlaf verbracht hatte, wirkte frischer, als Rhodan ihn je gesehen hatte. Die Aussicht auf Heilung setzte in ihm ungeahnte Kräfte frei.
Rhodans Blick fiel auf die Waffe, die Crest am Gürtel trug. Thora hatte darauf bestanden, dass der alte Arkonide sie mitnahm. Crest hatte sich heftig gewehrt, um schließlich nachzugeben. Der alte Arkonide liebte Thora, als wäre sie seine eigene Tochter. Vielleicht war sie es sogar? Rhodan nahm sich vor, Crest danach zu fragen, sobald sie die Erde erreicht hatten.
Er sah zu Manoli. Der