Hubert Haensel

Perry Rhodan Neo Paket 1: Vision Terrania


Скачать книгу

Tage vor der Landung der STARDUST in der Wüste Gobi:

      »Nehmen Sie nur das Beispiel dieses Internetblogs – ich blende Ihnen hier ein Bild aus dem Cache ein. Sie werden es aktuell nicht mehr im Netz finden. Sie erkennen zweifellos auf den ersten Blick die erschütternde Laienhaftigkeit am Design des Titelschriftzugs. Alienfacers. Ein einfallsloser Name für einen amateurhaften Blog mit verschwörungstheoretischen Inhalten, wie es viele gibt.

      Bedeutungslos. Zumindest bis vor Kurzem. Allein die Tatsache, dass ich es in meiner Vorlesung erwähne, hebt es aus dieser Bedeutungslosigkeit heraus.

      (Eine genau bemessene Pause für das Gelächter der Studenten.)

      Warum also erzähle ich Ihnen davon?

      Nun, ganz einfach. Es wurde von der ... lassen Sie es mich aussprechen, das unerwünschte Wort, über das wir lang und breit diskutieren könnten, wenn wir nur wollten ... also, es wurde von der Zensur gelöscht. Vorher hat kaum jemand diesen Blog wahrgenommen. Nun ist das Netz voll mit Textauszügen dieses anonymen Autors. Es lassen sich schon jetzt deutliche Anzeichen feststellen, dass er zu einer Märtyrerfigur stilisiert wird.

      Eine Auswirkung der Zensur?

      Ja und nein. Es spielen viele Faktoren hinein, die eine einmalige Situation erschaffen. Zweifellos ist der wichtigste dieser externen Faktoren die Rückkehr der STARDUST von ihrer Mondmission. Ich muss Ihnen ja nichts erzählen über die Berichterstattung, und erst recht nicht über die fehlenden Details inmitten des modernen und freien Journalismus' unserer Tage.

      Typisch für die Kommunikationsweise eines solchen Internetblogs ist der Anspruch auf Faktizität, ohne Quellen zu nennen. Oft belächelt und doch ernst zu nehmen? Das ist die Frage, die sich seit einigen Jahrzehnten und heute mehr denn je stellt.

      Was, meine Damen und Herren, würde geschehen, wenn ich mich nun in meiner Eigenschaft als ehrenwerter Professor dieser Universität vor Sie hinstelle und behaupte, dass ich genau wisse, was dort draußen in der Gobi vor sich geht? Wenn ich Ihnen sage, dass ich über Quellen verfüge, die beweisen, dass dies alles im Zusammenhang mit der tatsächlichen Kontaktaufnahme mit Außerirdischen steht?

      Dass es bereits Aliens in unserem Sonnensystem gibt?

      Was dann?«

      3.

      Zwei Tage vor der Landung

      der STARDUST in der Wüste Gobi

      Allan Mercant zog die Handbremse an, schloss die Augen und legte die Stirn auf das Lenkrad. Seine Haut berührte Plastik, es fühlte sich kühl und belebend an. Seine Hände zitterten ein wenig, als er sich zu entspannen versuchte. Alles ist gut, sagte er sich. Alles ist gut.

      Nur, dass diesem Gedanke ein kleiner Schönheitsfehler innewohnte: Er entsprach nicht der Wahrheit.

      Nichts war gut.

      Es regnete, was im eigentlich knochentrockenen Nevada extrem selten vorkam. Dicke Tropfen rannen über die Windschutzscheibe. Dunkle Wolken türmten sich am Himmel. Es prasselte auf dem Autodach, dass man glauben konnte, die Welt müsse untergehen.

      Keine schlechte Alternative, dachte Allan Mercant, der Flüchtling. Ein ordentliches Armageddon, das mit einem Paukenschlag alles auslöschte, erschien ihm nicht mehr so schlimm wie noch vor ein paar Tagen.

      Verärgert über sich selbst, schob er diesen fatalistischen Gedanken beiseite, richtete sich auf und öffnete die Augen wieder. Eine Gestalt rannte vor ihm durch den Regen, mit beiden Händen die Kapuze eines billig aussehenden Mantels festhaltend. Einen Moment lang sah er durch die Windschutzscheibe in das Gesicht; eine junge Frau, die Augen halb zusammengekniffen, die Mimik verzerrt. Dann tauchte die Fremde in der Lobby des heruntergekommenen Motels unter.

      So flieht jeder auf seine Weise und vor seinen ganz speziellen Feinden, dachte Mercant.

      Sie vor dem Regen, ich vor ...

      Ja, wovor floh er eigentlich? Vor seinem Staat? Vor der Polizei? Vor Homeland Security, der Behörde mit der größten Machtbefugnis in den USA? Vor jedermann?

      Das Letzte traf es wohl am besten, so bitter es auch sein mochte. Schließlich war er kein Verbrecher, kein Terrorist, der ein solches Schicksal verdient hätte. Die Dinge waren nur völlig aus dem Ruder gelaufen. Er hatte sich immer weiter von Homeland Security entfernt, bis ...

      Der kleinwüchsige Mann stieß einen Fluch aus, öffnete die Autotür und sprang ebenfalls auf den Parkplatz, der nur noch aus Pfützen zu bestehen schien. Wasser spritzte, lief in seine Schuhe. Er merkte es kaum, weil er binnen weniger Augenblicke ohnehin so nass war, als würde er in voller Montur unter der Dusche stehen.

      Aber immerhin lenkte es ihn von den müßigen Gedanken ab. Schließlich analysierte er seine Lage nahezu pausenlos, seitdem Lesley Pounder, der Flight Director der NASA, ihm zur Flucht aus dem Arrest verholfen hatte, das ihm Homeland Security auferlegt hatte ... weil er, Allan D. Mercant, ein Verräter war, der darüber hinaus mit Peking und Großrussland gemeinsame Sache gemacht hatte – um die Raketenabwehren sämtlicher wichtiger Nationen zu sabotieren. Um einen Weltkrieg zu verhindern, der sie alle ins Verderben riss. Um zu verhindern, dass auf dem Mond eine Atombombe explodierte und ein außerirdisches Raumschiff zerstörte. Ja, er war ein Verräter. Aber er würde es jederzeit wieder tun. Denn im Unterschied zu seinen Verbündeten Tsu-Hai und Offizier Medwenkow lebte er noch. Die beiden waren von den Machthabern ihrer Länder exekutiert worden ... und ihm wäre es wohl nicht anders ergangen, wenn Pounder ihm nicht zur Flucht verholfen hätte. Er war zweifellos einer der Fälle, in denen Homeland Security nicht mit sich spaßen ließ ...

      Noch während er über den Schotterplatz eilte, hörte es ebenso plötzlich auf zu regnen, wie es vor wenigen Minuten begonnen hatte. Ein letzter Tropfen klatschte ihm ins Genick, und es wurde still. Nur vom Dach des schäbigen Hotels gluckerte Wasser in eine löchrige Regenrinne.

      Mercant öffnete die Tür des Motels. Hinter dem Empfangstresen grinste ihn ein verpickelter Bursche an, der noch keine zwanzig sein konnte. »Da hätten Sie wohl besser mal noch 'ne Minute in Ihrer Karre gewartet, wa?«, nuschelte der Kerl. Er trug ein speckiges T-Shirt, aus dessen Halsausschnitt schwarzes Brusthaar wucherte.

      Allan D. Mercant ließ den Blick durch den Raum schweifen und sah gerade noch die junge Frau am Treppenabsatz zum Obergeschoss verschwinden. Auf den Stufen glitzerten feuchte Fußabdrücke. »Guter Rat«, sagte er, als wäre das Genuschel des Burschen eine Offenbarung an Intelligenz und Weisheit gewesen.

      »War umsonst. Wollen Sie 'n Zimmer?«

      »Kaffee.«

      »Wir haben kein'n ...«

      Wortlos knallte Allan Mercant einen Fünfdollarschein auf den Tresen. Der Bursche stierte darauf, als handle es sich um eine schwierige Mathematikaufgabe: Auf der einen Seite des Dreisatzes Geld und das offensichtliche Verlangen, es besitzen zu wollen, auf der anderen der Wunsch nach einem Getränk – nun ordne die Variablen zu.

      »Aber eine saubere Tasse, bitte.«

      Eine ungepflegte Hand mit langen Fingernägeln schnappte sich den Schein. »Wir verkauf'n normal kein'n Kaffee. Bei Ihnen mach ich 'ne Ausnahme. Moment.«

      Der Besucher schaute zu, wie das speckige T-Shirt samt seines Trägers hinter einem verfleckten Vorhang verschwand. Gleich darauf klapperte Geschirr, und eine Kaffeemaschine begann zu röcheln.

      Mercant überlegte, wie seine nächsten Schritte auszusehen hatten. Aus dem Raumhafen Nevada Fields hatte er fliehen können. Nun jagte ihn der Geheimdienst – und wenn jemand wusste, wie ernst man das nehmen musste, dann er. Schließlich gehörte er selbst seit Jahren dazu, und gerade im Dunstkreis von Homeland Security war er lange aufgetreten.

      Er konnte sich kaum konzentrieren. Müdigkeit spülte jeden klaren Gedanken hinweg. Eins jedoch war ihm klar: Er befand sich noch nicht weit genug von Nevada Fields entfernt; andererseits gab es wohl auf der ganzen Welt keinen einzigen sicheren Ort mehr für ihn. Außerdem stellte der Fluchtwagen ein Problem dar. Früher oder später würden die Agenten