Feuerland gewonnen werden. Der Geologe Philippi hingegen reiste im Sommer 1900 zur Einarbeitung in Tiefseeablagerungen nach Schottland und im Herbst zur Vorbereitung des chemisch-ozeanographischen Messprogramms nach Schweden, Norwegen und Dänemark. Vanhöffen studierte für Fischereizwecke neue Einrichtungen in Dänemark und Norwegen und bestellte in Christiania (heute Oslo) mit Nansens Beihilfe Schneeschuhe (d. h. Skier), Schlitten, Hundegerät und weitere Polarausrüstung. Außerdem erhielten die beiden Matrosen Noack und Wienke zur Unterstützung der Biologen am Museum für Naturkunde in Berlin eine Ausbildung zum Präparieren von Vögeln und Säugetieren.
Indessen nahm die Nautische Abteilung des Reichmarineamts den Bau des Polarforschungsschiffes »Gauß« als Dreimast-Marssegelschoner mit Hilfsmotor in den Howaldtswerken in Kiel in die Hand und überwachte die Fortschritte. Der designierte Kapitän des »Gauß«, Hans Ruser, wurde ab Oktober 1900 hinzugezogen, während der ältere Zweite Offizier im Mai und der Obermaschinist im Januar 1901 hinzutraten. Die ersten Seemänner wirkten ab April beim Bau der vorgefertigten Stationshäuser mit. Außerdem nahm Ruser an einer Reise in das nördliche Eismeer teil, um arktische Eisverhältnisse kennenzulernen. Auf einer Fahrt an Bord des norwegischen Fischereidampfers »Michael Sars« studierte er die neuesten Fischereieinrichtungen. Der erste und Zweite Offizier erhielten einen zusätzlichen astronomisch-magnetischen Kurs, damit sie sich während der Überwinterung an den wissenschaftlichen Arbeiten beteiligen konnten. Es sollten nämlich möglichst wenig Wissenschaftler mitgenommen werden, damit auch für das Schiffspersonal während der langen Winternacht, wenn es voraussichtlich keine Schiffsbewegungen gab und die seemännischen Aufgaben entsprechend entfielen, genügend Arbeit vorhanden war. Diese Ansicht war Drygalskis Überwinterung in Grönland geschuldet, die gezeigt hatte, dass viel Arbeit einen davon abhält, in der dunklen Zeit fern der Heimat Trübsal zu blasen.
Die Mitglieder der Kerguelenstation bereiteten sich unabhängig von der Hauptexpedition vor. Karl Luyken ging zur magnetischen Fortbildung ebenfalls nach Potsdam, während der Apotheker Emil Werth dort für den Zeitdienst zur Synchronisation der meteorologischen und magnetischen Messungen am astrophysikalischen Observatorium und für den biologischen Teil seiner Aufgaben in Kiel ausgebildet wurde. Außerdem ließ er sich in die medizinischen Grundlagen einführen, um auf den Kerguelen als Arzt fungieren zu können. Die meteorologischen Vorbereitungen wurden zunächst von Franz Warthmann getätigt. Auf seinen Posten wurde aber kurzfristig im August 1901 Josef Enzensperger berufen, der gerade als erster Meteorologe allein mit seinem Hund in der Wetterstation auf dem Gipfel der Zugspitze überwintert hatte.
Die Organisation der Expedition geschah in Berlin. Dort liefen alle Fäden aus Kiel, wo die Ausrüstung des Schiffes vor sich ging, und aus Potsdam, wo die Stationshäuser und Observatorien vorgefertigt wurden, zusammen. Bei der Auswahl der Instrumente und der Einübung in ihren Gebrauch gaben die Königlich Preußischen Institute auf dem Telegrafenberg großzügige Unterstützung. Des weiteren half die Königlich Preußische Luftschifferabteilung bei der Ballonausrüstung, die zum Rekognoszieren aus der Höhe mitgenommen werden sollte. Drygalski vermerkte mit gewissem Stolz, dass fast die gesamte wissenschaftliche Ausstattung in Deutschland beschafft werden konnte.
Über die Reiseroute der Expedition herrschte von Anfang an Klarheit, da Neumayer schon in seinen ersten Vorträgen die Anreise über die Kerguelen propagiert hatte. Von diesem Stützpunkt aus könne man sehr gut zum vorgesehenen Arbeitsgebiet in Termination Land, das am Südpolarkreis gesichtet worden war, vordringen. Vielleicht gab es dort sogar einen Meeresarm, der über dem Südpol hinweg mit dem tiefen Einschnitt des Weddellmeeres verbunden war? Dann könnte sich auch im antarktischen Ozean ein Schiff wie Nansens »Fram« einfrieren lassen und mit dem Eis zum Südpol driften. Meeresströmungen südlich der Kerguelen hatten eine solche Möglichkeit angedeutet. Aus diesem Grund bekam der »Gauß« (man hatte damals beschlossen, das Expeditionsschiff – ein Schoner – als männlich zu betrachten) nach dem Vorbild der »Fram« ebenfalls einen rundlichen und mit besonders hartem Holz verstärkten Rumpf, damit er bei starken Pressungen keine Angriffsfläche bot, sondern über das Packeis emporgehoben würde. Die weitere Ausrüstung der Expedition orientierte sich an Drygalskis Grönlanderfahrungen. Als Fortbewegungsmittel für die Landexpedition sah er deshalb Hundeschlitten vor und für die Reisenden Fellkleidung, die zudem in der Antarktis jederzeit ergänzt werden konnte. Nicht umsonst nahm er den norwegischen Eislotsen Paul Björvig mit, der sich nebenbei sehr gut auf das Präparieren und Weiterverarbeiten von Fellen verstand. Die Hunde waren zudem nicht nur als Zugtiere unverzichtbar, sondern während der langen Winternacht auch als Haustiere mit ihrem putzigen Nachwuchs, dem entsprechend viel Zuneigung entgegengebracht wurde. Außerdem sah Drygalski für jedes Expeditionsmitglied einen Platz in einem neuartigen hölzernen Einer- oder Zweierkajak vor, falls der »Gauß« bei einer möglichen Drift im Eis verlassen werden musste, um sich damit über offenes Wasser zwischen den Eisschollen auf eine der bisher bekannten Landsichtungen retten zu können. Die Expedition hatte bei ihrer Ausfahrt genügend Proviant und Ausrüstung für zwei Überwinterungen an Bord und die Wissenschaftler waren hoch motiviert, um nach Drygalskis »Prinzip der Freiheit« ohne die früher üblichen detaillierten Instruktionen ihre Forschungen nach eigenen Gesichtspunkten »im Rahmen des Ganzen« zu betreiben (Drygalski 1904, S. 51f). Es war die letzte Expedition ihrer Art, die noch ganz dem Humboldt’schen Forschungsideal verbunden war, alles von allen Richtungen her zu untersuchen. Spätere Expeditionen spezialisierten sich in ihren Aufgaben immer mehr.
Nachdem Drygalski und Scott schon längst unterwegs waren, brach auch die private schwedische Expedition unter der Leitung von Otto Nordenskjöld (1869–1928) an Bord der »Antarctic« auf, um die Antarktische Halbinsel zu erforschen. Während die Landgruppe auf Snow Hill Island überwinterte, hielt sich die »Antarctic« zum Robbenfang in nördlicheren Regionen auf. Als die Landgruppe am Ende des Winters abgeholt werden wollte, wurde das Expeditionsschiff jedoch vom Eis festgesetzt und schließlich zerdrückt, sodass es im Weddellmeer versank. Glücklicherweise konnten alle Expeditionsmitglieder im November 1903 von dem argentinischen Marineschiff »Uruguay« gerettet werden.
Als der »Gauß« am Südpolarkreis keineswegs auf einem Meeresstrom zum Südpol gelangte, sondern am Polarkreis bei 66° S ortsfest eingefroren wurde, machten sich die umsichtigen Vorbereitungen bezahlt. Damals gehörten Drygalski und Vanhöffen neben Armitage, Koettlitz, Bruce, Cook, und Björvig zu den einzigen Personen, die teilweise mehrfach in der Arktis überwintert hatten und über vielfältige Erfahrungen verfügten. So ließ Drygalski den Speiseplan durch Frischfleisch von Robben und Pinguinen ergänzen, was als Antiskorbutmittel wesentlich zur guten Gesundheit der »Gauß«-Männer beitrug. Das Ausbringen von dunklem Material zur Schnee- und Eisschmelze, um den »Gauß« zu befreien, war eine geniale Anwendung von Beobachtungen auf grönländischen Gletschern. Armitage und Koettlitz hingegen konnten ihre besonderen Kenntnisse bei Scott weniger einbringen, weil sie nicht wie Drygalski oder Bruce die Position des Expeditionsleiters innehatten. Drygalski verstand es auch, alle Männer während des Winters zu beschäftigen. Die sinnlosen Versuche, das Schiff durch Hacken, Sägen und Sprengungen freizubekommen, dienten nebenbei ja auch dazu, den Männern an der frischen Luft Arbeit zu geben.
In seinem Reisebericht stellte Drygalski respektvoll jedes Expeditionsmitglied vor, auch wenn es sich nur um einen Heizer handelte, denn jeder hatte in seinem Bereich zum Gelingen der Expedition beigetragen. Wenn er besondere Fähigkeiten zeigte, wurden sie ebenfalls genutzt, unabhängig von Rang und Ausbildung. Beispielsweise erwies sich der 19-jährige blinde Passagier Lennart Reuterskjöld als Glücksfall, der sich hervorragend als Bidlingmaiers Assistent für die diffizilen magnetischen Messungen eignete. Zudem legte Drygalski eine natürliche Autorität an den Tag, der sich alle bereitwillig unterwarfen. Nur das Verhältnis zum Kapitän war wegen der besonderen Machtverhältnisse etwas komplizierter. Es gab zwar sogenannte »Stimmungen« an Bord, insbesondere als man nicht wusste, ob das Schiff nach einem Jahr der Gefangenschaft im Eis wieder freikäme, aber es gelang Drygalski immer, durch geeignete gemeinsame Feste die Stimmung wieder anzuheben. Daneben wurde auch etwas für die Fortbildung der Männer getan, indem verschiedene Vorträge zu wissenschaftlichen und technischen Themen aus dem Umkreis der Expedition gegeben wurden. Zur Abwechslung konnten die Expeditionsmitglieder in ihrer Freizeit auch kleinere Schlittenreisen durchführen. So wuchsen die »Gauß«-Männer immer mehr zusammen. Nicht nur unter den Wissenschaftlern wie Drygalski, Gazert und Bidlingmaier entstanden lebenslange Bindungen, sondern