Adalbert Stifter

Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter


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Manne, indem er das Beil hoch in der Hand trug.

      Der Mann stand ruhig.

      Da Raimund zu ihm gekommen war, ließ er das Beil in das Gras fallen, nahm die beiden Hände des Mannes, legte seine Unterarme vor der Brust übereinander, umwickelte sie mit einem Stricke, und knüpfte die Enden des Strickes zusammen.

      Der Mann ließ es geschehen.

      Dann nahm er wieder sein Beil, nahm die Armbrust, die auf der Erde lag, und führte den Mann zu Witiko.

      Dort hieb er mit dem Beile einen Ast aus dem Gesträuche, hieb aus dem Aste einen Knebel zurecht, befestigte den Knoten mit dem Knebel noch besser, und band an den Fesselstrick noch einen andern Strick als Leitseil.

      Dann sagte er: »So, mein Gaurabe, jetzt bist du versorgt.«

      »Führe ihn mit uns«, sagte Witiko.

      Raimund gab dem Manne in dem braunen Gewande das Ende des Leitseiles in die Hand, und sagte: »Jetzt mußt du mir diesen da ein wenig halten.«

      Der Mann in dem braunen Gewande tat es.

      Raimund hing die Armbrust an seinen Sattel, stieg auf sein Pferd, richtete sich zurecht, nahm dem Manne in dem braunen Gewande das Ende des Leitseiles wieder ab, und sagte: »Jetzt bin ich fertig.«

      »So reiten wir«, sagte Witiko.

      Der Zug setzte sich wieder in Bewegung.

      Witiko ritt von dieser Stelle fortan schneller, als er bisher geritten war. Die andern folgten. Der Mann an dem Leitstricke mußte mit beschleunigten Schritten hinter dem Pferde Raimunds gehen.

      So gelangte man endlich zu den Häusern Hauzenberg.

      Die Männer stiegen von den Pferden.

      Das Leitseil des Gefangenen wurde an einen der Pflöcke gebunden, die auf der Gasse zum Anhängen der Pferde in die Erde getrieben waren.

      Dann wurden die Pferde mit Halftern an Pflöcken befestigt, mit Decken gut behüllt, und man begann ihre Verpflegung.

      Als dieses geschehen war, setzte sich Witiko an einen der Gassentische, und der Mann in dem braunen Gewande setzte sich in kleiner Entfernung von Witiko auf eine Bank an demselben Tische.

      Der Krämer, welchen Witiko vor vier Jahren auf dieser Gasse gesehen hatte, saß wieder auf der Gasse der Herberge.

      Sonst war kein Gast zugegen.

      »Raimund«, sagte Witiko, »führe nun den Mann an seinem Stricke zu mir.«

      Raimund löste das Leitseil von dem Pflocke, und führte den Gefangenen an den Tisch Witikos.

      Dort blieb er mit ihm stehen.

      Aus der Tür und dem Tore des Wirtshauses kamen mehrere Menschen, und blickten von ferne auf Witiko und auf die, welche bei ihm waren.

      Witiko sagte zu dem Gefangenen: »Es werden bald vier Jahre werden, da bist du an einem Tische auf der Gasse vor dieser Herberge mit deinem graubärtigen Genossen, der heute durch die Büsche entronnen ist, gesessen, eben da ich mit diesem meinem Pferde und in diesem meinem Gewande hier Mittagruhe hielt. Ist es nicht so?«

      »Ich weiß es nicht, wo ich vor vier Jahren oder vor drei Jahren gewesen bin«, sagte der Mann. »Wenn Ihr mich den Schergen übergeben wollt, oder wenn Ihr mich von hier wieder fortführen, und in einem Graben erschlagen wollt, könnt Ihr es tun.«

      »Ich habe dir das Leben zugesichert«, sagte Witiko.

      »Ihr könnt mich martern lassen«, antwortete der Mann.

      »Ich lasse dich nicht martern«, sagte Witiko.

      »Ich habe dem Herzoge Heinrich immer treu gedient; aber die Bischöflichen sind arge Genossen«, erwiderte der Mann.

      »Ich werde dich den Bischöflichen nicht ausliefern, sondern werde dich selber richten«, sagte Witiko.

      »Da ist wenig zu richten, weil ich unschuldig bin«, sagte der Mann.

      »Das ist gut«, antwortete Witiko, »und ich werde die unschuldigen Leute schützen. Jetzt sprich.«

      »Ich werde wohl vor vier Jahren auf dieser Gasse gesessen sein«, sagte der Mann.

      »Und weshalb hast du heute mit dem andern Bolzen auf uns geschossen?« fragte Witiko.

      »Hat der andere Bolzen geschossen? Ich habe es nicht gesehen, da ich zu ihm kam«, sagte der Mann.

      »Bist du aus Zufall zu ihm gekommen?« fragte Witiko.

      »Ich bin aus Zufall zu ihm gekommen«, antwortete der Mann, »da ich meines Weges zu dem Kirchlein des heiligen Ulrich beten ging.«

      »Bist du auch vor vier Jahren aus Zufall mit ihm auf dieser Gasse gesessen?« fragte Witiko.

      »Aus Zufall«, antwortete der Mann.

      »Gehst du, wenn du auf dem Wege zu dem heiligen Ulrich bist, in den dichten Gebüschen statt auf dem Pfade?« fragte Witiko.

      »Ich habe den Mann stehen gesehen, und bin von dem Wege zu ihm in die Büsche gegangen, weil er es wollte«, antwortete der Gefragte.

      »Und als mich der Bolzen traf, und als ich in der gleichen Zeit einen Bolzen an dem Gewande meines Begleiters sah«, entgegnete Witiko, »standest du mit deinem Gefährten in den Gebüschen, und ihr blicktet auf uns, und als mein Knecht zu dir kam, lag eine Armbrust neben dir in dem Grase. Wenn ich dir auch das Leben verbürgte, und dich nicht martern lasse, so denke, daß die Strafe durch die Lüge härter wird.«

      »Es ist alles ein bekläglicher Irrtum«, sagte der Mann, »ich habe immer dem hohen Herzoge Heinrich treulich gedient, und bin belobt worden. Und der hohe Herzog hat verkündet, daß man die Kundschafter fangen, und einbringen soll. Mein Nachbar hat damals vor vier Jahren an dem Tische gesagt, Ihr seid ein Kundschafter; aber Ihr seid gar nicht zu dem Feinde Leopold nach Österreich geritten.«

      »Also habt ihr auf dem Wege nach Österreich gelauert?« sagte Witiko.

      »Nein«, entgegnete der Mann, »es ist nur erzählt worden.

      »Das ist gut«, antwortete Witiko, »und wie war es heute?«

      »Als mein Nachbar die Bolzen geschossen hat«, erwiderte der Mann, »hat er gesagt, Ihr seid ein Kundschafter, und kommet von Leopold. Er wollte euch ein wenig ritzen, weil ihr drei waret; allein seine Pfriemen sind nicht durch Euer Leder und durch das Tuch Euers Knappen gegangen.«

      »Ihr habt damals im Hauzenberge die Elenhaut meines Panzers zu wenig angeschaut«, sprach Witiko.

      »Ich habe meinem Nachbar gesagt«, entgegnete der Mann, »daß Ihr ein sehr edler Herr seid, und kein Kundschafter.«

      »Hat dir dein Nachbar anvertraut, weshalb er auf meinen Knappen geschossen hat?« fragte Witiko.

      »Er hat ihn mehr gefürchtet als den andern«, sagte der Mann, »und auf den andern hätte er dann auch noch geschossen.«

      »Und wenn er uns bloß geritzt hätte, hat er dann gemeint, daß wir uns nicht wehren würden?« fragte Witiko.

      »Ihr hättet Euch gewehrt«, erwiderte der Gefangene, »und mein Nachbar wäre davon gerannt, weil ich Euch nicht hätte fangen lassen, da Ihr ein sehr edler Herr und kein Kundschafter seid.«

      »Von welchem Orte bist du denn auf den Weg zu dem heiligen Ulrich gegangen?« fragte Witiko.

      »Von dem Hauzenberge«, antwortete der Mann.

      »Und hat dir dein Nachbar gesagt, von welchem Orte er in die Büsche gegangen ist?« fragte Witiko.

      »Nein, er hat es mir nicht gesagt«, antwortete der Mann, »aber er wird auch von dem Hauzenberge hin gegangen sein.«

      »Welcher Ort ist deine Heimat?« fragte Witiko.

      »Passau, edler Herr«, antwortete der Mann.

      »Und weißt du die Heimat deines Nachbars?« fragte Witiko.