Adalbert Stifter

Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter


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mehr als eine Mutter, die edlen Blutes ist.«

      »Nun, Witiko«, sagte der Scharlachreiter, »wenn du aus dem Mittage unseres Landes stammst, so bist du vielleicht auch schon in Bayern gewesen, und hast den stolzen Heinrich gesehen, der jetzt das Gerede aller ist.«

      »Ich habe ihn nicht gesehen«, sagte Witiko. »Im Randshofe, der nahe an dem Flusse Inn steht, und wo schon vor dem großen Kaiser Karl und seinen Söhnen die Herrscher des Frankenlandes öfter gewohnt haben, war einmal in den Klöstern, die an dem Hofe sind, eine große Kirchenfeierlichkeit. Da hieß es, daß der Herzog Heinrich mit seiner Gattin Gertrud und seinem kleinen Söhnlein, das auch Heinrich heißt, kommen werde. Ich ging hin. Der Herzog kam nicht. Otto der Pfalzgraf war da, Konrad der Erzbischof von Salzburg, Regimbert, der Bischof von Passau, die Herren von Rote, von Mosebach, von Poren, Meisaha, Hagenau, und viele andere.«

      »Nun der gute Herzog mag jetzt auch viele Bitterkeit haben, wie mancher hochfahrende Herr«, rief der Scharlachreiter, »er hat ja nicht anders gemeint, als er wolle dem deutschen Reiche die Gnade tun, wenn es ihn zum Könige gewählt haben wird, die Wahl anzunehmen. Und da sitzt nun das Schwäblein Konrad auf dem deutschen Stuhle, und sagt, der große Herzog möge sich beugen. Und der große Herzog will sich nicht beugen, und da werden sie sich bei den Bärten nehmen. Sachsen ist ihm schon abgesprochen, und Bayern wird das Schwäblein seinem Halbbruder dem jungen Markgrafen Leopold von Österreich geben, der nun ein guter Bundesgenosse würde, wenn jemand um ihn wirbt.«

      »In Bayern sagen sie, daß der Herzog sich nicht fügen wird, und noch weniger Welf«, entgegnete Witiko.

      »So wird es Funken geben«, sagte der Scharlachreiter, »und Feuer werden aufsprühen. Unser Herzog baut indessen Burgen an den Marken seiner Länder, und sorgt, daß alle Ämter die Leute zu ihrer Arbeit haben, und harret seiner Zeit.«

      »Er wird vielleicht das Rechte tun«, sagte Witiko.

      »Ja, vielleicht errätst du es, du Ledermann«, sagte der Scharlachreiter. »Vor drei Monaten ist er zu dem neuen Könige Konrad nach Bamberg geritten, und hat seinen jungen Sohn Wladislaw, den er im vorigen Jahre zum Herzoge von Olmütz gemacht hatte, mit der böhmischen Fahne belehnen lassen, und vor zwei Monaten hat er die Herren von Böhmen auf einen Landtag nach Sadska berufen, und dort haben alle die hohen und die niederen den jungen Wladislaw anerkannt, und ihm Folge gelobt. Du siehst also, du weissagender Mann, daß bei uns alle Sachen geordnet und befestigt sind, und daß es uns, die wir da reiten, nichts hälfe, wenn wir auch, wie du sagtest, das Gelüste hätten, in diesen Ländern zu schalten. Wir können nur Hirsche erlegen, und können nur die schönen Augen der Jungfrauen loben, wenn wirklich schöne Augen irgend wo vorhanden sind, höchstens, daß man uns verwendet, das ausführen zu helfen, was die hohen und niederen Herren ersonnen haben.«

      »Und wenn auch alles fest geordnet ist, und wenn auch ein Herzog auf dem Stuhle sitzt, und recht und rechtlich waltet«, sagte Witiko, »so hindert das gar nicht, daß ein anderer sich denke, er möchte Herzog sein, und was er täte, wenn der Stuhl in seiner Macht wäre.«

      »Dann haben wir eine Million Herzoge«, rief der Scharlachreiter, »die sich alle denken, wie sie es zur Lust und Freude machen würden, wenn sie den Fürstenstuhl inne hätten. Ich habe dir aber gesagt, daß wir alle und jeder, die da reiten, etwas Höheres vor uns haben, das uns beschäftigt, das Reich der Freude, welches die ganze Welt umspannt, und gegen welches so ein Herzogstuhl nur ein kleines Gesiedel ist, auf welches niemand denkt. Oder möchtest du ein anderer Krok werden, wenn nämlich die, welche von ihm durch seine Tochter Libuša und ihren Mann Premysl abstammen, es gelten ließen, und möchtest du in Weisheit herrschen, und ein unabsehliches Geschlecht hinter dir bis zum Ende der Welt gründen?«

      »Ich habe daran nie gedacht«, entgegnete Witiko, »wenn aber im Kriege oder durch Verhängnis alle, die von Premysl stammen, zu Ende wären, und die Länder Böhmen und Mähren mich zu Rechte zu ihrem Herzoge machen wollten, würde ich, wenn ich dächte, daß ich es könnte, Herzog sein, und recht und gerecht herrschen wollen.«

      »Nun, die Nachkommen des alten Premysl könnten in Gefahr kommen«, sagte der Scharlachreiter, »unser Herzog Sobeslaw ist mit dem verblichenen Kaiser Lothar immer in Freundschaft gewesen, hat ihm Leute zu seinen Kaiserfahrten gegeben, hat ihn besucht, und ist einmal mit fünftausend Männern in großem Putze und mit vielen Geschenken zu dem Tage des Kaisers nach Merseburg geritten. Er wird auch mit dem Könige Konrad in Freundschaft sein, der sein Söhnlein belehnt hat, und wenn zwischen dem Könige Konrad und dem stolzen Herzoge Heinrich in Sachsen oder irgendwo ein Krieg zu Stande kömmt, so wird der Herzog Sobeslaw mit den Seinigen zu dem Könige als Hilfebringer reiten, und so ein Krieg kann sehr lange dauern.«

      »Bist du auch in Sadska gewesen?« fragte Witiko.

      »Ich bin nicht dort gewesen, und alle, die da reiten, sind nicht dort gewesen«, sagte der Scharlachreiter, »dahin sind nur die Erfahrenen gegangen, und die es sonst gewollt haben.«

      »Ich will dir nun auch etwas von unsern Absichten offenbaren«, fuhr der Scharlachreiter nach einem Weilchen fort, »ich und alle, welche mit mir sind, reiten nach Morgen zu, siehst du, auf dem Blachfelde gerade vor uns, wo der kleine Baum ist, dort geht der Weg seitwärts nach dem Lande zu, das Mähren heißt, und weil du uns auch so freimütig geoffenbaret hast, daß du gegen Mitternacht reitest, so werden wir dort wahrscheinlich Abschied nehmen.«

      »So wird es auch sein«, sagte Witiko.

      »Und wenn du uns wieder triffst«, sagte der Scharlachreiter, »so reite uns zu, und halte Geselligkeit mit uns.«

      »Eines muß er sich aber abgewöhnen«, rief Welislaw nach vorwärts, »daß er im Schritte reitet.«

      »Ich reite nur im Schritte, wenn ich reise«, sprach Witiko zurück, »ich kann es zu andern Zeiten auch anders tun.«

      »Wir tun es nicht einmal auf Reisen«, antwortete Welislaw.

      »Dann habt ihr Pferde zum Wechseln«, sagte Witiko.

      »Der Ledermann hat recht«, sagte der Scharlachreiter, »er schont seine Pferde, wir verderben sie, er ist klug, und wir sind leichtfertig.«

      Indessen waren die Reiter bei dem kleinen Baume angekommen, an dem der Weg sich teilte.

      »Siehst du, wir reiten auf diesem Wege rechts«, sagte der Scharlachreiter.

      »Und ich reite auf dem andern gerade fort«, entgegnete Witiko.

      »So lebe wohl, du lederner Mann«, sagte der Scharlachreiter.

      »Lebe wohl«, sagte Witiko.

      »Reite glücklich deiner Wege, und suche nicht gleich Kampf mit Männern, die du auf der Straße findest«, rief Odolen.

      »Wenn sie ihn nicht hervorrufen, suche ich ihn nicht«, sagte Witiko.

      »Reite fröhlich«, rief Welislaw.

      »Du auch«, sagte Witiko.

      »Lebe wohl«, rief Ben.

      »Komme bald zu uns zurück«, rief der Sohn des Nacerat.

      »Lebet wohl«, sagte Witiko.

      Die von hinten kamen nun auch hervor, und riefen: »Lebe wohl.« »Reite glücklich.«

      »Lebet wohl«, antwortete Witiko.

      Dann hielt er ein Weilchen stille, und sagte zu dem Scharlachreiter: »Ich habe dir gesagt, wie ich heiße, und woher ich komme, du hast mir manches erzählt, und hast mir die genannt, welche dich begleiten, sage mir, wer bist denn du, daß du dich um dieses Land so kümmerst, und was darin geschieht.«

      »So höre, du Ledermann«, sagte der Scharlachreiter, »ich bin der Sohn des edlen großmütigen hohen Herzoges Wladislaw, der in seiner Herrschaft keinen Tropfen Blut vergossen hat, ich bin der Enkel des ruhmreichen Königs Wratislaw, ich bin der Neffe jenes Herzogs Bretislaw, der im Walde von Bürglitz wie ein Stern zur Erde gesunken ist, ich bin der Neffe des unglücklichen Boriwoy, der vor Swatopluk weichen mußte, und bin der Neffe des jetzigen Herzoges Sobeslaw. Mein Name ist Wladislaw.«

      »Wenn du