eine Waldwand, welche höher und mächtiger war als alle, die Witiko bisher überritten hatte. Im Mittage dieser Wand mußten die Fluren sein, durch die Witiko vor zwei Jahren gekommen war, als er von Heinrich und den Angehörigen desselben Abschied genommen hatte.
Er ritt an der Ringmauer der Kirche vorüber, und ritt dann zwischen den Häusern hinunter. Gegen das Ende derselben lag ein wenig gegen Morgen von den andern entfernt ganz allein ein steinernes Haus. Witiko lenkte von seiner Richtung ab, und ritt auf einem schmalen Schneepfade, der sich ihm bot, dem Hause zu. Als er dort angekommen war, ritt er durch das Tor, das sich in einer Mauer, die vom Hause weg ging, befand, und offen stand, in den Hof. Der Hof war gebildet durch das Haus, den Torbogen, einen steinernen Schoppen, eine steinerne Scheuer und einen steinernen Stall. Witiko stieg im Hofe von seinem Pferde. Da kam ein alter Mann aus dem Hause. Da ihn Witiko erblickte, rief er: »Sei gegrüßt, Martin.«
Der alte Mann rief: »Witiko, Ihr seid es, um Gott, welch eine Freude. Da müssen wir ja gleich das Pferd versorgen.«
Sie führten das Pferd in den Stall, befreiten es von Sattel und Zaum, hingen es mit einer Halfter an, und deckten, daß es sich langsam abkühle, eine große Wolldecke, die da war, über den Leib. Dann schlossen sie die Stalltür gut zu, und gingen in die Stube.
»Da seid Ihr wieder nach so langer Zeit, Witiko«, rief der alte Mann.
Witiko legte seinen groben Wollmantel ab, nahm seine Lederhaube von dem Haupte, legte sie auf den Tisch, und setzte sich selber auf einen Stuhl.
»Ja, da bin ich«, sagte er, »und werde wohl eine gute Weile bei euch bleiben.«
»Das ist sehr erfreulich«, antwortete der alte Mann, »aber wie werdet Ihr im Winter in dem Walde bleiben können?«
»Im Winter, und vielleicht noch länger«, sagte Witiko.
»Da muß ja das Haus zubereitet werden«, erwiderte der Mann.
Er ging nach diesen Worten zu der Tür der Stube und rief hinaus: »Lucia! Lucia!«
Eine Magd kam herein, welche in einen kurzen dunkeln und faltigen Rock gekleidet war, eine weiße Schürze und ein weißes Tuch um das Haupt hatte. Sie fragte nach dem Begehren des alten Mannes.
»Der Sohn der Herrin dieses Hauses wird im Winter und im Sommer und vielleicht noch länger hier bleiben«, sagte er, »du mußt ihm ein Essen bereiten, mußt in den Ofen neues Holz legen, und mußt das Haus in den gehörigen Stand setzen.«
»Ich werde sogleich heizen«, sagte das Mädchen, »werde Speisen auf den Herd setzen, und wenn die Dinge ins Sieden kommen, werde ich zu Dorotheens Agathe gehen, daß sie mir mit ihrer Schwester bei dem Ordnen des Hauses hilft.«
»Tue so«, sagte der alte Mann, und die Magd verließ das Zimmer.
Dann sagte der alte Mann zu Witiko: »Wir haben schon gegessen, und Ihr müßt nun ein wenig warten, bis für Euch aufs neue etwas bereitet wird.«
»Ich kann leicht warten«, entgegnete Witiko.
»Ihr seid sehr lange nicht in diesem Eurem Hause gewesen«, sagte der Mann.
»Nun bin ich hier«, entgegnete Witiko.
»Möge es Euch eine gute Herberge werden«, sagte der andere.
»Wie es ist, wird es mir recht sein«, antwortete Witiko.
Er stand nach diesen Worten auf, schnallte sein Schwert von seiner Hüfte, legte es auf den Tisch, und sagte: »Hier werde ich es wohl nicht brauchen.« Eben so zog er seine Pelzhandschuhe von den Händen, und legte sie zu dem Schwerte. Dann setzte er sich wieder auf den Stuhl, und sagte: »Hier bin ich also.«
Der alte Mann setzte sich in einiger Entfernung von Witiko auch auf einen Stuhl, und fragte nicht, woher der junge Reiter gekommen sei.
Witiko sprach auch nicht, und so saßen sie eine Weile schweigend da.
Dann sagte Witiko: »Wir müssen nun weiter zu dem Pferde sehen.«
Sie standen auf und gingen in den Stall. Witiko befühlte mit der Hand das Tier, ob es gut ausgekühlt sei. Dann gab er ihm reinen Haber in den Born. Der alte Mann streute frisches Stroh, wenn es sich später zur Ruhe legen wollte. Auch brachte er ihm nach einer Zeit Wasser zum Trinken. So gingen sie öfter zu dem Tiere, bis es versorgt war.
Nachdem eine Stunde seit der Ankunft Witikos vergangen war, kam die Magd mit weißem Linnenzeuge in die Stube, legte die Lederhaube und das Schwert und die Handschuhe von dem Tische auf eine Bank, und deckte das Linnenzeug über den Tisch. Dann legte sie einen hölzernen Teller und Eßgeräte vor Witiko. Hierauf brachte sie Brot gesottenes geräuchertes Schweinfleisch geschnittenen gesäuerten Kohl, Klöße, die aus Roggenmehl bereitet waren, und Bier.
Witiko aß von den Speisen nach seinem Hunger, und trank von dem Biere nach seinem Durste.
Sodann wurde der Tisch abgeräumt.
Hierauf öffnete Lucia eine Tür, welche in eine Kammer führte, die sich neben der Stube befand. Zwei andere Mädchen kamen mit Wasser in Zubern, mit Strohknäueln und Sand, und begannen, den Fußboden der Kammer zu scheuern. Da sie mit dieser Arbeit fertig waren, wurden die Fenster der Kammer geöffnet, daß die kalte Winterluft den Boden trockne. Hierauf wurde auf ein Gestelle, das aus Tannenbalken und Tannenbrettern gemacht war, frisches reines Stroh gebunden, auf das Stroh wurde weiße Leinwand gedeckt, und auf die Leinwand wurde ein Strohpolster und wurden wollene Decken und Felle zu Witikos Nachtlager gelegt. Dann wurden die Fenster geschlossen, der trockene Boden wurde mit weißem Sande bestreut, und in dem Ofen wurde ein Feuer aus Tannenscheiten angezündet. Als die Kammer durchwärmt war, wurde Witikos Mantel sein Schwert seine Lederhaube und seine Handschuhe in dieselbe getragen, und ein Teil dieser Dinge auf eine Bank ein Teil auf eine Truhe, die da stand, gelegt. Darauf wurde er gebeten, auch in die Kammer zu treten.
Da er es getan hatte, wurde mit der Scheurung und Reinigung der Stube der Bank um den Ofen der andern Bänke der Stühle und des Tisches begonnen.
Als dies Werk vollendet, die Stube mit Sand bestreut, ausgewärmt, und in ihren Geräten in Ordnung gebracht war, öffnete der alte Mann die Tür der Kammer, führte Witiko heraus, und sagte ihm, diese zwei Gemächer seien seine Wohnung, so lange es ihm gefallen wolle, in dem Hause zu bleiben.
Als er noch redete, trat ein Mann in einem kurzen Lammspelze und einer Lammspelzhaube und mit einer Axt auf der Schulter in die Stube.
Der alte Mann sagte zu ihm: »Der junge Reiter ist der Sohn unserer Herrin, er wird in dem Hause hier bleiben, so lange er es für gut hält.«
Dann sagte er zu Witiko: »Das ist Raimund der Knecht. Er ist in dem Walde gewesen, um Holz zu spalten, und kommt jetzt, da die Dämmerung eintritt, zurück. Wir besorgen so das Haus, ich, der Knecht Raimund und Lucia die Magd. Die Taglöhner, die wir dingen, helfen nur bei größeren Arbeiten.«
»Und wo wohnet denn ihr, wenn du mir die große Stube dieses Hauses und die Kammer zur Wohnung einräumst?« fragte Witiko.
»Das Haus hat ja noch Raum genug«, sagte der Mann, »wißt Ihr es denn nicht, wir wohnen ja nie in der Stube und Kammer, ich bin in dem Stüblein, welches der Stube gegenüber liegt, und dessen Fenster auf den Hof hinaus sehen, Lucia schläft in der Kammer neben der Küche, und der Knecht schläft in dem Bretterverschlage in dem Stalle. Dann ist ja noch allerlei Raum.«
»Nun es wird sich schon fügen«, sagte Witiko.
»Wir werden Euch alle Dienste leisten, die Ihr braucht«, sagte der alte Mann.
»Ich werde nicht viel verlangen, Martin«, entgegnete Witiko, »und ich werde euch, wo ich es kann, in euren Geschäften helfen.«
»Das wäre nicht recht und nicht billig«, versetzte Martin.
»Nein, das wäre nicht recht«, sagte der Knecht.
»Wir wollen nicht hadern«, entgegnete Witiko, »es wird sich alles finden.«
»Ja, ja«, sagten die andern.
Hierauf reichte der Knecht Witiko