Herr seiner eigenen Provinz zu werden und womöglich auch das sagenhafte Birù, dieses Ophir der Neuen Welt, zu erobern. Pedrarias stimmt hinterhältig zu. Geht Balboa bei dem Unternehmen zugrunde, umso besser. Gelingt ihm seine Tat, so wird noch immer Zeit sein, sich des allzu Ehrgeizigen zu entledigen.
Damit tritt Nuñez de Balboa seine neue Flucht in die Unsterblichkeit an; seine zweite Unternehmung ist vielleicht noch grandioser als die erste, wenn ihr auch nicht der gleiche Ruhm geschenkt ward in der Geschichte, die immer nur den Erfolgreichen rühmt. Diesmal überquert Balboa den Isthmus nicht nur mit seiner Mannschaft, sondern lässt das Holz, die Bretter, die Segel, die Anker, die Winden für vier Brigantinen von Tausenden Eingeborenen über die Berge schleppen. Denn, hat er einmal drüben eine Flotte, dann kann er aller Küsten sich bemächtigen, die Perleninseln erobern und Peru, das sagenhafte Peru. Aber diesmal ist das Schicksal gegen den Wagemutigen, und er findet unablässig neue Widerstände. Auf dem Marsch durch den feuchten Dschungel zerfressen Würmer das Holz, verfault langen die Bretter an und sind nicht zu brauchen. Ohne sich entmutigen zu lassen, lässt Balboa am Golf von Panama neue Stämme niederschlagen und frische Bretter anfertigen. Seine Energie vollbringt wahre Wunder - schon scheint alles gelungen, schon sind die Brigantinen gebaut, die ersten des Pazifischen Ozeans. Da schwemmt ein Tornadosturm die Flüsse, in denen sie fertiggestellt liegen, plötzlich riesenhaft an. Die fertigen Boote werden weggerissen und zerschellen im Meer. Noch ein drittes Mal muss begonnen werden; und jetzt endlich gelingt es, zwei Brigantinen fertigzustellen. Nur noch zwei, nur noch drei braucht Balboa mehr, und er kann sich aufmachen und das Land erobern, von dem er träumt bei Tag und Nacht, seit jener Kazike damals mit ausgebreiteter Hand nach Süden gedeutet und er zum ersten Mal das verführerische Wort »Birù« vernommen. Ein paar tapfere Offiziere noch nachkommen lassen, einen guten Nachschub an Mannschaften anfordern, und er kann sein Reich gründen! Nur ein paar Monate noch, nur ein wenig Glück zu der innern Verwegenheit, und nicht Pizarro müsste die Weltgeschichte den Besieger der Inkas, den Eroberer Perus nennen, sondern Nuñez de Balboa.
Aber selbst gegen seine Lieblinge zeigt sich das Schicksal nie allzu großmütig. Selten gewähren die Götter dem Sterblichen mehr als eine einzige unsterbliche Tat.
Der Untergang
Mit eiserner Energie hat Nuñez de Balboa sein großes Unternehmen vorbereitet. Aber gerade das kühne Gelingen schafft ihm Gefahr, denn das argwöhnische Auge Pedrarias’ beobachtet beunruhigt die Absichten seines Untergebenen. Vielleicht ist ihm durch Verrat Nachricht gekommen von Balboas ehrgeizigen Herrschaftsträumen, vielleicht fürchtet er bloß eifersüchtig einen zweiten Erfolg des alten Rebellen. Jedenfalls sendet er plötzlich einen sehr herzlichen Brief an Balboa, er möchte doch, ehe er endgültig seinen Eroberungszug beginne, noch zu einer Besprechung nach Acla, einer Stadt nahe von Darien, zurückkehren. Balboa, der hofft, weitere Unterstützung an Mannschaft von Pedrarias zu empfangen, leistet der Einladung Folge und kehrt sofort zurück. Vor den Toren der Stadt marschiert ihm ein kleiner Trupp Soldaten entgegen, scheinbar um ihn zu begrüßen; freudig eilt er auf sie zu, um ihren Führer, seinen Waffenbruder aus vielen Jahren, seinen Begleiter bei der Entdeckung der Südsee, seinen vertrauten Freund Francisco Pizarro, zu umarmen.
Aber schwer legt ihm Francisco Pizarro die Hand auf die Schulter und erklärt ihn für gefangen. Auch Pizarro lüstet es nach Unsterblichkeit, auch ihn lüstet es, das Goldland zu erobern, und nicht unlieb ist es ihm vielleicht, einen so verwegenen Vordermann aus dem Wege zu wissen. Der Gouverneur Pedrarias eröffnet den Prozess wegen angeblicher Rebellion, schnell und ungerecht wird Gericht gehalten. Wenige Tage später schreitet Vasco Nuñez de Balboa mit den Treuesten seiner Gefährten zum Block; aufblitzt das Schwert des Henkers, und in einer Sekunde erlischt in dem niederrollenden Haupte für immer das Auge, das als erstes der Menschheit gleichzeitig beide Ozeane geschaut, die unsere Erde umfassen.
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