Edgar Wallace

Edgar Wallace: 69 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band


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redete ihn der Mann in dem schwarzen Mantel an, »haben Sie einen Brief?«

      Er sprach französisch.

      »Nein, Mr. Willetts«, entgegnete der andere. »Irgendwelche Aufträge für mich?«

      Auch er sprach französisch, doch mit einem deutlichen englischen Akzent.

      Der Mann, der mit Willetts angeredet worden war, schüttelte den Kopf.

      »Nein, heute abend nicht«, entgegnete er.

      »Es sind Leute dagewesen, die nach Ihnen gefragt haben«, sagte Clark. »Man wollte von mir wissen, wo Sie wohnen.«

      »Ach, es wird schon nicht so wichtig gewesen sein«, erwiderte der andere sorglos. »Sagen Sie in solchen Fällen einfach, daß ich im Ausland bin. Noch etwas?«

      »Nein, Sir.«

      Mit einem kurzen Kopfnicken verabschiedete sich der Mann in dem schwarzen Mantel von dem andern und entfernte sich in der Richtung nach Cheapside.

      Zwei Leute folgten ihm vorsichtig. Es war nicht schwierig, ihn im Auge zu behalten; die Straßen waren menschenleer, und er ging sehr langsam.

      Nach einiger Zeit hielt er ein vorbeifahrendes Taxi an.

      Einer der beiden Verfolger, die sich ziemlich dicht hinter ihm hielten, machte ein paar schnelle Schritte und passierte den Mann gerade in dem Moment, als er das Fahrtziel angab.

      Der Wagen fuhr ab, und die beiden blieben aufgeregt zurück.

      »Er will zum amerikanischen Konsulat«, sagte der eine. »Schnell, wir müssen ein Taxi finden und ihm folgen!«

      Sie liefen die Straße entlang und hatten das Glück, einem leeren Taxi zu begegnen, noch ehe die Schlußlichter des Wagens, den sie verfolgen wollten, verschwunden waren.

      Sie stiegen ein, drückten dem Chauffeur einen größeren Geldschein in die Hand und konnten nach fünf Minuten mit Befriedigung konstatieren, daß es ihnen gelungen war, den Wagen, der an einer Kreuzung hatte warten müssen, einzuholen.

      Als sie den Piccadilly Circus entlangfuhren, klopfte einer der Verfolger dem Chauffeur auf die Schulter.

      »Halten Sie etwa fünfzig Meter vom amerikanischen Konsulat entfernt, wenn der vordere Wagen nicht weiterfährt.«

      Tatsächlich verringerte der erste Wagen kurz vor dem Konsulat sein Tempo und fuhr an den Bordstein, als ob er dort parken wolle.

      Es war ein schlaues Manöver. Das zweite Auto hielt gemäß, den Instruktionen, die sein Chauffeur empfangen hatte, und die beiden Männer sprangen heraus. Als sie aber auf dem Gehweg standen, sahen sie, daß der vordere Wagen plötzlich wieder anfuhr und mit quietschenden Reifen um die nächste Ecke verschwand.

      Fluchend stiegen sie wieder ein und nahmen die Verfolgung von neuem auf. Diesmal hatten sie aber kein Glück; soviel sie auch kreuz und quer fuhren, der Wagen war und blieb verschwunden.

      Sie bezahlten den Chauffeur und schlenderten durch die nächtlichen Straßen. Gegen helle, erleuchtete Plätze schienen sie eine Abneigung zu haben. Meistens hielten sie sich, so gut es ging, im Dunkeln.

      »Er hat uns doch tatsächlich an der Nase herumgeführt!«

      Der andere knurrte nur etwas Unverständliches vor sich hin. Er war viel schweigsamer als der Untersetzte, der gesprochen hatte. Auch äußerlich bildete er mit seiner großen, kräftigen Figur und der Narbe quer über dem Kinn einen Gegensatz zu ihm.

      »Es ist besser, wenn wir uns jetzt wieder trennen«, sagte der Kleinere schließlich und gab seinem Begleiter nachlässig einige Geldscheine. »Ich werde jetzt versuchen, den Chef zu erreichen.«

      Eine halbe Stunde später schlenderte Cornelius Helder durch die Upper Brook Street, als plötzlich der untersetzte Mann neben ihm auftauchte und mit ihm weiterging.

      »Wir haben leider seine Spur verloren«, entschuldigte, er sich.

      »Sie sind ein Idiot«, entgegnete Helder wütend. »Sagen Sie nur noch, Sie haben sich so auffällig betragen; daß alle Polizisten Londons auf Sie aufmerksam wurden!«

      »Ich würde Ihnen raten, ein wenig freundlicher mit mir zu reden. Schließlich habe ich in der letzten Zeit sehr viel für Sie getan – viel zuviel! Meinen Sie vielleicht, es macht mir Spaß, daß in allen Zeitungen mein Steckbrief erschienen ist?«

      »Deswegen brauchen Sie sich keine grauen Haare wachsen zu lassen«, entgegnete Helder. »Kein Mensch würde Sie nach der Beschreibung erkennen.«

      »Na, das ist auch das einzige Gute an der Sache. Wäre ja noch schöner, wenn mich die Polente schnappte.«

      »Auf jeden Fall hätten Sie es sich selbst zuzuschreiben. Vergessen Sie nicht, daß Sie lediglich den Auftrag hatten, mit dem alten Mann zu verhandeln. Sie sollten ihn nur dazu veranlassen, daß er uns seine Entdeckung gegen ein entsprechendes Honorar zur Verfügung stellt.«

      »Na ja, ich bin nervös geworden«, gab der andere zu. »Sagen. Sie mal« – er packte Helder am Arm –, »Sie lassen uns doch nicht im Stich? Nehmen wir an, man würde uns verhaften – dann könnten Sie die Sache drehen, daß wir freikommen?«

      »Ich glaube nicht«, entgegnete Helder kühl.

      »Dann kann ich Ihnen versichern, daß wir Sie mit in die Sache hineinziehen werden!«

      »Das wird Ihnen kaum gelingen, mein Lieber, In einem solchen Fall weiß ich von gar nichts, verstehen Sie? Sie sind verrückt, wenn Sie versuchen wollen, mir zu drohen. Glauben Sie bloß nicht, daß mich das auch nur im geringsten berührt. Es gibt keinerlei Beweise dafür, daß ich irgendwie mit der Entführung des alten Maple in Verbindung stehe. Wenn Sie mich hereinlegen wollen, geraten Sie also nur selbst in die Patsche.«

      Als sie an die nächste Straßenlaterne kamen, schaute Helder dem anderen ins Gesicht. Der Untersetzte schwitzte vor Angst und Aufregung, seine Mundwinkel zuckten nervös.

      »Ich habe mit der Sache nichts zu tun«, sagte er hartnäckig, »Carl hat das Ding gedreht, weil Sie ihm den Auftrag dazu gaben. Und er hat es aus demselben Grund getan, aus dem ich Gold umlegen sollte. Aber damit wollen Sie natürlich auch nichts zu tun haben, wie?«

      Seine Stimme wurde immer lauter; es war ein Glück für die beiden, daß weit und breit kein Mensch zu sehen war.

      »Ich habe es jetzt wirklich satt – am besten wird es sein, ich werfe den ganzen Krempel hin und fahre mit dem nächsten Schiff zurück.«

      »Das werden Sie nicht tun«, entgegnete Helder bestimmt.

      »Und ich sage« Ihnen, daß ich es tue«, drohte sein Partner. »Mir hängt die Geschichte zum Hals heraus.«

      Helder lachte laut und klopfte dem andern auf den Rücken.

      »Ihnen schlägt wohl das Gewissen? Das paßt gar nicht zu Ihnen. Was sollen denn Ihre Chikagoer Freunde von Ihnen denken, Billy? Also, seien Sie vernünftig. Denken Sie daran, daß wir bald noch viel mehr Geld verdienen werden. Zwei weitere Jahre in diesem Stil, dann können Sie sich das schöne Lokal in New York kaufen und jeden Sonntag nachmittag nach Coney Island fahren.«

      Aber der Mann ließ sich nicht so leicht beruhigen. Zu Hause in Chikago hätte er sich sicher gefühlt, aber, hier, in einem fremden Land mit einer unangenehm rührigen Polizei!

      Erst als Helder ihn in einer stillen, verschwiegenen Bar in Soho zu einigen Gläschen Whisky eingeladen hatte, fand er seine Ruhe und Selbstbeherrschung wieder. Ja, er wurde sogar wieder ganz fröhlich und mitteilsam.

       Inhaltsverzeichnis

      Im Leben jedes Durchschnittsmenschen gibt es Monate und Jahre, in denen das Leben gleichmäßig dahinfließt. Aber dann kommen ganz unerwartete Tage, in denen sieh