im Bett aufrecht und hörte noch das Geräusch seiner Schritte, dann war er fort. Als ich aus der Tür herauskam, sah ich ihn noch einen kurzen Augenblick am anderen Ende des Ganges. Ich lief die Treppe hinunter und rief nach Tilling. Ich habe ihn dann noch einmal gesehen, als er durch das Bibliotheksfenster stieg. Ich habe stets eine Pistole in meinem Zimmer, und ich schoß hinter ihm her, als er die Stufen der Terrasse hinunterlief und im Dunkeln verschwand.«
»Hörten Sie ihn nicht sprechen?«
Mr. Salter schüttelte den Kopf.
Es war das Werk eines erfahrenen Einbrechers, das erkannte Andy sofort. Und wenn er nicht absolut sicher gewesen wäre, daß Scottie in diesem Augenblick den Schlaf des Gerechten schlief, hätte er schwören mögen, daß er den Einbruch verübt hatte.
Aber dieser Einbrecher hatte offenbar keinen festen Plan gehabt. Scottie hätte auch keine Papiere aus den Schubladen herausgeworfen und obendrein noch Salter in seinem Schlafzimmer gestört. Man ging wieder in die Bibliothek zurück.
»Das ist der zweite Raubüberfall heute abend in Beverley Green«, sagte Andy und erzählte von dem Vorfall bei Wilmot.
»Albert Selim?« meinte Mr. Salter nachdenklich. »Ich möchte mich Ihrer Theorie fast anschließen, Mr. Macleod.«
»Vermissen Sie etwas?«
»Ich glaube kaum, es befand sich nichts in der Bibliothek, das sich zu stehlen lohnte, höchstens ein paar Pachtverträge, die ihn aber schwerlich interessiert haben können.«
»Was ist denn das?«
Andy ging zum Kamin. Er war leer, da das Wetter ungewöhnlich warm war, aber auf der Feuerstelle lag die Asche von verbranntem Papier! Wieder eine Parallele zu der Ermordung Merrivans!
»Haben Sie etwas verbrannt?«
»Nein. Ist die Schrift noch erkennbar – manchmal ist das ja der Fall.«
Andy kniete nieder und beleuchtete die Asche mit seiner Taschenlampe.
»Nein, es ist leider fast nichts mehr zu erkennen.« Vorsichtig nahm er ein größeres Stückchen verbrannten Papiers heraus und brachte es zum Tisch.
»Es sieht aus wie ›RYL‹, meinte er. »Eine sonderbare Kombination von Buchstaben.«
»Es könnte Orylbridge geheißen haben«, erwiderte Boyd Salter. »Ich habe dort Grundeigentum.«
Bei diesen Worten hob er einige Papiere vom Fußboden auf.
»Es ist mir jetzt unmöglich, alle Dokumente zu ordnen und zu sehen, was fehlt. Vielleicht kommen Sie morgen früh noch einmal, Doktor.«
Andy wartete noch, um den Bericht zweier Parkwächter entgegenzunehmen, die aufgestanden waren und die Gegend abgesucht hatten.
»Dieser Fall geht mir langsam auf die Nerven, Dane«, sagte er, als der Wagen den Hügel hinunter zum Parktor fuhr. »Eins ist sicher: In diesem Tal verbirgt sich irgendwo ein Mörder, mag er nun Albert Selim oder sonstwie heißen. Offenbar ist er von hier. Es gibt keine andere Erklärung für seine Schnelligkeit und Sicherheit. Er kennt hier jeden Zoll Boden, und er sucht nach irgend etwas. Er tötete Merrivan, um es zu finden, er tötete Sweeny, weil ihm der zufällig im Obstgarten über den Weg lief. Er brach in Beverley Hall ein, um auch dort zu suchen. Aber warum hat er in beiden Fällen Papiere im Kamin verbrannt?«
»Wo hätte er sie sonst verbrennen sollen?« fragte Inspektor Dane. »Der Kamin war doch in beiden Fällen ganz in der Nähe.«
Andy erwiderte nichts darauf.
Er erinnerte sich jetzt daran, daß er auch ein drittes Mal verbranntes Papier gesehen hatte. Stella hatte sich in derselben Weise der Dinge entledigt, die sie vernichten wollte.
Um halb drei verabschiedete er sich von dem Polizeiinspektor. Im Osten dämmerte schon der neue Tag, als er in sein Zimmer kam. Er warf noch einen Blick zu dem Haus Nelsons hinüber und blieb erschrocken stehen. Stella mußte wach sein, denn er sah Licht durch ihre Jalousien schimmern.
Er wartete fast eine volle Stunde. Erst als es ganz hell geworden war, wurde drüben das Licht ausgemacht.
Andrew seufzte und ging zu Bett.
21
Scottie kam am Morgen, noch bevor Andy aufgestanden war. Er hatte die Hände in den Hosentaschen und sah sehr unzufrieden aus.
»Hallo, Scottie«, sagte Andy und stützte sich auf den Ellenbogen. »Was gibt’s?«
»Nichts, nur die allgemeine Moral gefällt mir hier nicht.« Scottie setzte sich. »Ich gehe wieder in die Stadt, Macleod. Hier ist es mir zu aufregend. Sie machen sich hier auch nur einen schlechten Namen. Ich habe diesen Federfuchser, diesen Downer, heute morgen getroffen. Er sagte, das sei der schlechteste und undankbarste Fall, der ihm je untergekommen ist, und er habe einen guten und aussichtsreichen Mord dafür weggegeben.«
»Haben Sie seinen Artikel in der Zeitung gesehen?«
Scottie nickte.
»Er ist sehr zahm, Macleod. Er sah, in welche Gefahr er sich gebracht hatte, und außerdem sprang doch dieser maskierte Mann hinter dem Vorhang hervor und bedrohte ihn mit der Waffe.«
»Ob er maskiert war oder nicht, weiß niemand. Ich glaube es nicht. Was hat er über Miss Nelson geschrieben?«
»Er hat sie freigesprochen. Es sei alles zufriedenstellend aufgeklärt worden. Er entschuldigte sich fast in dem Artikel.«
»Dann geht er also fort?« fragte Andy befriedigt.
Scottie schüttelte den Kopf. »Das sagt er bloß. Er wird sicher noch eine Woche hierbleiben!« Er ging zur Tür. »Vielleicht komme ich noch mal zurück, Macleod. Auf Wiedersehen.«
Er war gegangen, bevor Andy ihn fragen konnte, ob Stella Nelson schon zu sprechen sei.
Andy war nun auf dem toten Punkt angekommen, er war in eine Sackgasse geraten. Er würde bald nach London zurück müssen, und der Mord würde dann unter die ›unaufgeklärten Fälle‹ eingereiht werden.
Das eigentliche Geheimnis lag in der Verkettung, die Darius Merrivan, Albert Selim und den Mörder miteinander verband.
Andy wollte gerade Stella aufsuchen, als ein Telegramm von Scotland Yard eintraf.
›Kommen Sie sofort zurück. Wentworth verschwunden. Geschäftsmann Ashlar Building. Nachforschungen bei Bank ergaben hohes Konto. Grund zu Annahme, daß Selim und Verschwinden Wentworth in Zusammenhang.‹
Andy hatte schon verschiedenes über den Stand der Firma erfahren, bevor er die Stenotypistin befragte.
»Am letzten Freitag war er zum letztenmal hier«, sagte sie niedergeschlagen, »er hat mir mein Gehalt ausgezahlt und Geld für die Portokasse und andere Kleinigkeiten gegeben. Er sagte, daß er am Montag oder Dienstag wiederkommen werde. Ich sprach mit ihm über das Geschäft, denn wir tun eigentlich überhaupt nichts. Ich fragte ihn, wie lange dieser Zustand noch anhalten könne, bevor er das Büro ganz schließen würde. Aber er war guter Laune und erwiderte, daß er mir bald etwas Angenehmes mitteilen könne. Er sagte das in der scherzhaften Art, in der er stets mit mir zu sprechen pflegte.«
»Sie wissen, wo er wohnt?«
»Nein. Ich vermute nur, daß er sich häufig in Hotels aufhält. Er schrieb ein paarmal, wenn er abwesend war, und gab als Absender immer ein Hotel an, obwohl ich ihm nie Briefe nachsandte. Ich erinnere mich noch an eine andere Bemerkung, die er machte, als ich ihn das letztemal sah. Er sagte, es sei doch merkwürdig, daß man nie etwas von Mr. Selim zu sehen bekäme.«
»Erinnern Sie sich an ein Hotel, von dem aus er Ihnen schrieb, und wissen Sie, an welchem Datum er den letzten Brief absandte?«