Sicherlich würde Eliza etwas Warmes zu trinken wollen. Sie hätte sie mitbringen sollen, anstatt sie bei der Kutsche zu lassen.
Mehr als eine Stunde war vergangen und Grace wartete noch immer auf Neuigkeiten. Nicht ein einziger ihrer Männer hatte sich gezeigt. Gerade als sie dachte, dass sie sich selbst vor Sorge verrückt machen würde, blickte sie sich im Speisezimmer um und wurde mit dem Anblick ihres näherkommenden Kutschers belohnt.
Er kam neben ihrem Tisch zum Stehen. »Euer Gnaden.«
Sie schluckte das Stück Käse, welches sie gekaut hatte, herunter und schenkte ihm ein Grinsen. Sein Mund war zu einer festen Linie gezogen und er warf seinen Blick für einen Moment auf den Boden, bevor er ihn zu ihr zurückkehren ließ.
Grace wappnete sich für unangenehme Neuigkeiten. »Liege ich korrekt mit der Annahme, dass mir nicht gefallen wird, was Sie mir zu sagen haben?«
Der Kutscher nickte. »Es tut mir leid, Euer Gnaden, aber es gibt keinen Kutschenbauer in der unmittelbaren Umgebung. Einer kann von einer benachbarten Stadt herübergeschickt werden. Jedoch kann er nicht vor dem übermorgigen Tag eintreffen.«
Grace entließ einen Atemstoß. »Und was ist damit eine Kutsche zu mieten?«
»Es sind keine verfügbar.« Die Schultern des Kutschers sackten zusammen. »Die einzige Option scheint zu sein auf die Reparatur der Ihren zu warten. Sollen wir nach dem Kutschenbauer schicken?«
Grace versteifte ihre Wirbelsäule. »Nein. Ich nehme die Postkutsche. Gehen Sie und finden Sie heraus, wann diese ankommt. Während Sie dabei sind, arrangieren Sie, dass Eliza und Jasmine, zusammen mit meinen Koffern, hierher gebracht werden.«
Die Augen des Kutschers wurden groß, während er sie anstarrte, Schock in die Linien seines Gesichts geätzt. »Das könnt Ihr nicht. Es wäre höchst unschicklich. Sogar mit—«
»Unsinn. Ich kann das und ich werde es. Nun gehen Sie und tun, um was ich Sie gebeten habe.« Grace winkte ihn weg. Sie hatte sich niemals einen Deut um Schicklichkeit geschert und würde jetzt verdammt nochmal nicht damit anfangen. Nichts würde sie davon abhalten ihre Verpflichtung gegenüber ihrem Neffen und Amelia zu erfüllen. Sicherlich nicht eine kaputte Kutschenachse. Sie war zäher als das gemacht.
Das Kratzen eines Stuhls zog ihre Aufmerksamkeit auf sich und Grace blickte hoch. Sie erstarrte, glaubte nicht ganz ihren Augen. Ein Gentleman—nicht nur irgendein Gentleman, sondern Lewis Duffield, genau der Mann, in den sie sich als junge Debütantin verliebt hatte—zog einen Stuhl an ihrem Tisch heraus und rutschte darauf.
»Euer Kutscher liegt richtig«, sagte er, sein Tonfall kühl.
Graces Puls beschleunigte sich, während sich die Luft in ihren Lungen verfing. Sie war nicht bereit ihm entgegenzutreten. Noch nicht. Natürlich hatte sie gewusst, dass Amelias Onkel bei der Taufe sein würde, aber sie hatte angenommen, dass er direkt nach Schottland segeln würde. Dass sie Tage hätte sich darauf vorzubereiten, bevor sie ihm begegnete. Was zum Teufel machte er hier? In England?
Sie sammelte sich und lächelte. »Sie sind die letzte Person, von der ich erwartet hatte, dass ich ihr in die Arme laufe.«
»Es ist einige Zeit her, seit wir uns das letzte Mal getroffen haben.« Lewis erwiderte ihr Lächeln.
»Amelia hat mir gesagt, dass Sie in Schottland sein würden.« Grace streifte eine Locke von ihrer plötzlich warmen Wange. »Was machen Sie in England?«
»Ich hatte Geschäfte in London, um welche ich mich kümmern musste.« Er entspannte sich im Stuhl, seine grünen Augen auf Grace gerichtet. »Ich bin jetzt auf dem Weg zu Amelia. Ich habe nur angehalten, um mein Fasten zu brechen.«
War sie verrückt zu denken, dass er ihr helfen könnte? Möglicherweise, aber gleichwohl lächelte sie. »Dann beabsichtigen Sie heute Abend weiterzureisen?«
Er glättete sein Jackett. »Gewiss. Und Ihr werdet mich begleiten.«
Graces Herz flatterte, alte Gefühle kamen wieder zum Vorschein. Als sie Lewis zum letzten Mal gesehen hatte, hatte sie gehofft ihre vergangene Beziehung wieder entzünden zu können. Es hat jedoch nicht sollen sein und sie blieb zurück und fragte sich, ob er sich ursprünglich jemals wahrlich etwas aus ihr gemacht hatte. Konnte ihr Herz es überstehen mit ihm in einem engen Quartier gefangen zu sein, wenn sie kaum den Nachmittagstee überstand?
Warum verschwendete sie Zeit damit über ihre Gefühle nachzusinnen? Sie bekam, was sie sich gewünscht hatte—eine Mitfahrgelegenheit zu Amelia.
Sie atmete aus, zwang sich selbst dazu sich zu entspannen. Sie konnte es sich kaum erlauben wählerisch zu sein und ihre anderen Optionen hielten sie alle für eine unsägliche Menge Zeit auf. Er hatte eine Kutsche, die zum gleichen Ziel fuhr wie sie. Ob sie mit ihm reiste oder nicht, sie müsste Zeit mit ihm verbringen, sobald sie Schottland erreichten. Außerdem waren sie beide reife Erwachsene.
Sie atmete beruhigend ein, griff dann nach einem Stück Käse, tat ihr Bestes sich nonchalant zu geben. »Ich danke Ihnen, Mr. Duffield.«
Er zog seine dunklen Brauen zusammen. »Ich bin für Euch immer Lewis gewesen. Lasst uns diese Dinge jetzt nicht ändern.«
Ein breites Grinsen zog an Graces Lippen. »Sehr wohl, Lewis. Lassen Sie mich gehen und meine Diener informieren. Ich werde Sie wenig später draußen treffen.«
»Sehr gut, ich werde auf Euch warten.« Lewis stand auf, nahm dann mit einem Nicken Abschied.
Graces Herz stockte bei seinen Worten. Auf die gleiche Art und Weise, wie er auf sie vor all diesen Jahren gewartet hatte, als sie ihn abweisen musste. Hatte sein Herz sich seither nach ihr gesehnt? Hat er darum nie geheiratet? Eine Welle der Schuld krachte auf sie ein.
Vielleicht, nur vielleicht, war dies ihre Chance Wiedergutmachung zu leisten, zu heilen, was sie in ihnen beiden zerbrochen hatte, auch wenn sie und Lewis nie sein sollen.
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