Бернгард Келлерман

Тотеnтаnz / Пляска смерти. Книга для чтения на немецком языке


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wohl alles gründlich überlegt haben, Zeit genug hatte sie dazu. Wir werden es ja sehen, morgen wird es sich zeigen! Wenn sie aber auch jetzt noch auf der Trennung bestehen sollte?

      Er hielt inne und lauschte in sein Inneres. Wie eigentümlich, dachte er, dass ich jetzt in aller Ruhe darüber nachdenken kann, während ich im Sanatorium schlaflose Nächte darüber verbrachte? Er stand eine Weile am Schreibtisch, müde und fast taumelnd. Wenn sie aber auch nach diesen vier Monaten noch auf der Trennung bestehen sollte, dachte er weiter, wenn sie es unbedingt, trotz der beiden Jungen, so haben will? Nun, dann soll sie eben die Trennung haben!

      Er runzelte die Brauen und staunte selbst über seine Entschlossenheit. Nun schön, Clotildes Wille war noch immer Clotildes Himmelreich.

      Er war zu müde, um irgendwelche Bitterkeit oder sonst irgend etwas zu empfinden, und begab sich in sein Schlafzimmer.

      II

      Neu gestärkt und voller Zuversicht erwachte Fabian am Morgen. Er machte Toilette und kleidete sich mit großer Sorgfalt an, wobei er sich aufmerksam im Spiegel musterte. Er war zufrieden mit sich, die Kur hatte einen neuen Menschen aus ihm gemacht! Da es schon auf zehn Uhr ging, beeilte er sich beim Frühstück, das er wie gewöhnlich allein im Speisezimmer einnahm. Sein Urlaub ging morgen zu Ende, er wollte sich aber schon heute eine Stunde in seinem Büro einfinden. Übrigens hatte er an diesem ersten Tag nach langer Abwesenheit alle Hände voll zu tun[8].

      Als er sich dem Zimmer seiner Frau näherte, um sie zu begrüßen, hörte er fröhliches Geplauder und Lachen. Clotilde hatte Besuch. Das war ihm für die erste Begegnung nur angenehm, denn Clotilde pflegte in Gegenwart von Besuch gewöhnlich liebenswürdiger zu ihm zu sein, als wenn er sie allein antraf, wo sie ihn gern ihre Laune fühlen ließ.

      «Wer ist da». fragte er Martha, die aus der Küche herausblickte, als sie seine Schritte im Korridor vernahm.

      «Baronin Thünen ist soeben gekomme», antwortete das Mädchen.

      Er trat ein. Clotilde reichte ihm die Hand zum Kusse, und die Begrüßung spielte sich in einer Weise ab, dass jedermann glauben musste, die Gatten hätten sich schon gestern abend gesehen.

      Clotilde trug ein neues auffallendes Morgenkleid und kokette lackrote Pantöffelchen, die ihre zierlichen Füße gut zur Geltung brachten[9]. Das blonde Haar trug sie in einem lockeren, verschwenderischen Schopf, unter dem ihre Augen von blassem Blau schimmerten. Es waren jene betörenden Vergissmeinnichtaugen, die Fabian einst zu lyrischen Ergüssen begeistert hatten. Das war nun schon viele Jahre her.

      Ihr gegenüber saß Baronin von Thünen, deren helle Augen ihn erfreut grüßten.

      Die Baronin, überschäumend von Lebendigkeit und Frische, lag in einem niedrigen Sessel, ein sehr flottes winziges Hütchen mit stahlblauen Federn auf leicht ergrauten Haaren. Dieses flotte Hütchen war die Ursache gewesen, weshalb sie der Freundin einen Morgenbesuch machte. Die Baronin war an die Fünfzig[10], sah aber noch immer recht jugendlich aus, und niemand konnte ihr ansehen, dass sie bereits einen erwachsenen Sohn hatte, der um einen Kopf größer war als sie selbst. Er war Oberleutnant.

      «Du wirst eine Tasse Tee mit uns nehmen, Frank, und uns einen Augenblick Gesellschaft leiste», bestimmte Clotilde und klingelte nach dem Mädchen, ohne Fabians Zusage abzuwarten. «Baronin Thünen war so reizend, auf einen Sprung zu mir heraufzukommen».

      «Ich ahnte ja nicht, dass Ihr Urlaub heute zu Ende ist, mein verehrter Freun», rief Frau von Thünen lebhaft aus und lächelte ihr etwas geziertes Lächeln, das sie stets annahm, wenn ein Mann anwesend war.

      «Meine erste Begegnung in der Stadt könnte nicht angenehmer sein, Baroni», entgegnete Frank mit einer jener höflichen Redensarten, wie er sie liebte.

      Er hatte sofort gesehen, dass Clotilde während seines Urlaubs ihr Vorzimmer, das sie Boudoir nannte, neu tapezieren ließ. Sie hatte eine helle, goldfarbene Tapete mit großen Chrysanthemen gewählt, von der sie schon lange schwärmte. Die großen lachsfarbenen Blüten wirkten etwas unruhig, passten aber vorzüglich zu ihrem Morgenkleid, zu den wenigen niedrigen Sesseln, die im Zimmer standen, und dem kleinen gelben indischen Teppich, den sie von ihrer Mutter geerbt hatte.

      «Vergiss nicht, die Baronin zu beglückwünsche», begann Clotilde mit einem liebenswürdigen Lächeln, das jedermann täuschen könnte, nur Fabian nicht. «Herr Oberst von Thünen wurde zum Standartenführer[11] ernannt».

      Fabian verbeugte sich. «Meinen aufrichtigen Glückwunsch, Baronin». rief er aus, aber seiner Stimme hörte man eine leichte Enttäuschung an. Er hatte geglaubt, der Oberst sei mindestens zum General befördert worden. «Herr Oberst von Thünen hatte ja schon lange die Absicht, seine großen Fähigkeiten der Partei zur Verfügung zu stellen».

      Die Baronin nickte eifrig, und die stahlblauen Federn auf ihrem Hütchen schillerten. «Ja, das hatte e», versicherte sie mit verzückten Augen. «Er war ja von jeher ein begeisterter Anhänger der Bewegung und bewarb sich schon seit langem um einen Posten, der seinem Rang als Oberst entsprach. Natürlich griff er jetzt sofort zu. „Man muss dabeisein“, sagte er. „Als Patriot und Offizier erblicke ich meine Pflicht darin, mich der Bewegung mit Haut und Haaren zur Verfügung zu stellen. Wenn die Ney[12] und Murat[13] sich so lange besonnen hätten, bis Napoleon Cäsar wurde, wären sie nicht Marschälle und Könige geworden, sondern kleine Korporale geblieben.». Sie lachte ein helles Lachen, das ebenfalls sehr jugendlich klang. «Sie können sich nicht vorstellen, wie glücklich der Oberst is», fuhr sie fort. «Jetzt hat er wenigstens wieder etwas zu tun. Pensionierte Offiziere ohne Tätigkeit müssen ja rapide verkalken. Ich gebe Ihnen mein Wort, der Oberst ist um zwanzig Jahre jünger geworden».

      Fabian drückte seine Freude aus. Oberst von Thünen war ein Offizier von altem preußischem Schlag[14], dessen Aufrichtigkeit und Offenheit er bewunderte. Er machte keinen Hehl aus seiner kaiserlichen Gesinnung[15], seinen imperialistischen Ansichten und seiner Abneigung gegen die Republik. Im Weltkrieg hatte er mit großem Erfolg ein Regiment geführt und war wiederholt im Heeresbericht erwähnt worden. Eine schwere Verwundung hatte seiner Karriere ein Ende gemacht.

      Die Baronin fuhr mit großem Eifer fort: «Auch Wolf, meinen Jungen, hat er mit seiner Begeisterung angesteckt. Er predigt ihm täglich, wer heute in Deutschland nicht seinen Weg macht, sei entweder ein Esel oder ein vaterlandsloser Geselle. „Deutschlands große Stunde hat geschlagen“, wiederholt der Oberst jeden Tag ein paarmal. Ja, bei Gott, wir leben in einer herrlichen Zeit, einer wundervollen, großen Zeit, nicht wahr? Ich wundere mich auch sehr, mein verehrter Freun», wandte sie sich an Fabian mit ihrem gewinnendsten Lächeln, «dass Sie, gerade Sie, sich bis heute noch nicht positiv erklärt haben». Sie schüttelte den Kopf, und ihre hellen Augen betrachteten ihn mit dem Ausdruck höchsten Erstaunens.

      Fabian wurde verlegen. Er setzte sich in den Sessel zurück und legte die Hände wie zum Gebet aneinander, wie es seine Gewohnheit war, wenn er einen längeren Vortrag halten wollte. «Sie wiederholen den Wunsch Clotildes, Baroni», begann er lächelnd. «Sie hat diese Frage schon oft mit der gleichen Ungeduld an mich gerichtet».

      «Ich würde mich auch heftig wundern, wenn sie es nicht getan hätt», rief die Baronin lachend aus und griff mit ihren zarten Fingern nach einer Zigarette.

      «Ich befürchte nur, Frank fehlt es an der nötigen Wendigkeit, Baroni», warf Clotilde ein.

      «Wendigkeit». Die Baronin schnellte entzückt im Sessel empor. «Ja, das ist das richtige Wort für unsere Tage. Wendigkeit! Alle Schwerfälligkeit ist heute ein Fehler, ein Vergehen, das völlig, aber auch völlig unverzeihlich ist».

      Clotilde hatte sich offenbar vorgenommen, heute die liebenswürdige Gattin zu spielen. Sie lächelte Fabian sogar zu, wenn er auch die Aufrichtigkeit ihres Lächelns bezweifelte. «Ich befürchte nur, Frank kann seine alte Anhänglichkeit an frühere politische Parteien