Tüpfeln gehüllt, dass seine Beine von der Kälte gerötet waren, ohne dass er es empfand, so in Gedanken versunken war er. Als er sich umwandte und zu seiner Frau sagte: »Nun, was willst du denn, Konstanze?« machte er, wie die Leute, die von ihren Berechnungen absorbiert sind, ein so besonders albernes Gesicht, dass Frau Birotteau in ein Gelächter ausbrach.
»Mein Gott, Cäsar, wie komisch bist du so!« sagte sie. »Warum lässt du mich denn allein, ohne mir etwas zu sagen? Ich bin vor Angst beinahe gestorben, ich wusste gar nicht, was ich mir denken sollte. Was machst du denn da, so allem Zug ausgesetzt? Du wirst dich auf den Tod erkälten. Aber hörst du mich denn, Birotteau?«
»Ja, liebe Frau, und hier bin ich«, antwortete der Parfümhändler und trat in das Zimmer.
»Vorwärts, komm und erwärme dich und sag mir, was dir im Kopfe spukt«, begann Frau Birotteau wieder, schob die Asche des Kamins beiseite und beeilte sich, das Feuer wieder anzuzünden. »Mir ist eiskalt. Ich war so töricht, im Hemde herauszuspringen. Aber ich habe wirklich geglaubt, man ermordet dich.«
Der Kaufmann stellte den Leuchter auf den Kamin, zog seinen Schlafrock zusammen und holte mechanisch seiner Frau ihren flanellenen Unterrock.
»Hier, mein Herz, zieh ihn an«, sagte er. »Zweiundzwanzig zu achtzehn,« fuhr er in seinem Monologe fort, »wir können einen prachtvollen Salon haben.«
»Aber, Birotteau, bist du denn verrückt geworden? Träumst du?«
»Nein, mein Kind, ich rechne.«
»Wenn du Dummheiten machen willst, dann warte wenigstens, bis es Tag ist«, rief sie aus, befestigte ihren Unterrock unter der Nachtjacke und ging die Tür des Zimmers öffnen, in dem ihre Tochter schlief.
»Cäsarine schläft,« sagte sie, »sie wird uns nicht hören. Und nun, Birotteau, rede endlich. Was hast du denn?«
»Wir können den Ball geben.«
»Einen Ball geben? Wir? So wahr ich eine anständige Frau bin, du träumst, mein Lieber.«
»Ich träume nicht, mein Herzchen. Höre, es ist nötig, so zu handeln, wie man es der Stellung, die man einnimmt, schuldig ist. Die Regierung hat mich ans Licht gezogen, ich gehöre zur Regierung; wir sind verpflichtet, ihre Grundsätze zu studieren und ihre Absichten zu unterstützen, indem wir sie deutlich machen. Der Herzog von Richelieu hat es jetzt erreicht, dass die fremden Truppen Frankreich räumen. Herr von la Billardière wünscht, dass die Beamten, die die Stadt Paris repräsentieren, ein jeder in der Sphäre seiner Beziehungen, die Befreiung des Landes feiern sollen. Wir wollen den wahren Patriotismus zeigen, über den der der sogenannten Liberalen, dieser verdammten Intriganten, erröten soll, was? Denkst du, dass ich mein Vaterland nicht liebe? Ich will den Liberalen, meinen Feinden, zeigen, dass den König lieben, Frankreich lieben heißt!«
»Du glaubst also, dass du Feinde hast, mein Lieber?«
»Aber gewiss, liebe Frau, wir haben Feinde. Und auch die Hälfte unsrer Freunde in diesem Stadtviertel ist uns feindlich gesinnt. Alle sagen sie: Birotteau hat Glück, Birotteau ist ein Mann von niedriger Herkunft, und gleichwohl ist er jetzt Beigeordneter; alles gelingt ihm. Nun, sie werden sich noch mehr aufregen. Du aber sollst jetzt als erste erfahren, dass ich Ritter der Ehrenlegion geworden bin: der König hat gestern die Ernennung unterzeichnet.«
»Oh,« sagte Frau Birotteau ganz gerührt, »dann müssen wir allerdings einen Ball geben, mein Lieber. Aber weswegen hat man dir denn das Kreuz verliehen?«
»Als mir gestern Herr von la Billardière die Neuigkeit mitteilte,« erwiderte Birotteau verlegen, »da habe ich, wie du, mich auch gefragt, welches Anrecht ich denn darauf hätte; als ich aber heimging, ist es mir schließlich doch klar geworden und ich habe der Regierung zugestimmt. Erstens bin ich Royalist und bin vor Saint-Roch verwundet worden; bedeutet es nicht schon etwas, wenn man sieht, dass einer in jenen Zeiten für die gute Sache mit den Waffen eingetreten ist? Dann habe ich, nach der Meinung verschiedener Kaufleute, meine amtliche Tätigkeit zu allgemeiner Zufriedenheit ausgeübt. Schließlich bin ich Beigeordneter, und der König bewilligt der städtischen Verwaltung vier Ehrenkreuze. Nach Prüfung der Persönlichkeiten der Beigeordneten, die für die Auszeichnung in Frage kommen konnten, hat mich der Präfekt als ersten auf die Liste gesetzt. Übrigens muss mich der König kennen: dank dem alten Ragon liefere ich ihm das einzige Puder, das er gebrauchen mag; wir allein besitzen das Rezept dieses Puders der hochseligen Königin, dieses teuren erhabenen Opfers! Der Bürgermeister hat mich nachdrücklichst empfohlen. Was willst du also? Wenn der König mir das Kreuz verleiht, ohne dass ich ihn darum gebeten habe, so, meine ich, kann ich es nicht gut ablehnen, ohne den Respekt gegen ihn zu verletzen. Habe ich verlangt, Beigeordneter zu werden? Und deshalb, liebe Frau, da uns ein günstiger Wind von hinten treibt, wie dein Onkel Pillerault sagt, wenn er vergnügt ist, bin ich entschlossen, alles bei uns in Einklang mit unsrer hohen Stellung zu bringen. Wenn ich etwas zu bedeuten vermag, dann will ich auch wagen, das zu werden, was der liebe Gott noch mit mir vorhat, selbst Unterpräfekt, wenn das meine Bestimmung ist. Du bist sehr im Irrtum, meine Liebe, wenn du meinst, ein Bürger habe dem Vaterlande gegenüber seine Pflicht getan, wenn er zwanzig Jahre lang Parfümerien denen, die sie verlangt haben, verkauft hat. Wenn der Staat unsre Einsicht in Anspruch nehmen will, so schulden wir sie ihm ebenso, wie wir ihm die Mobiliarsteuer, die Tür- und Fenstersteuer und anderes schulden. Hast du denn Lust, immer weiter in deinem Kontor zu hocken? Du hast dich dort, Gott sei Dank, lange genug aufgehalten. Der Ball soll ein besonderes Fest für uns werden. Schluss mit dem Detailgeschäft, das heißt, für dich. Ich werde unser Schild ›die Rosenkönigin‹ verbrennen, an Stelle von ›Cäsar Birotteau, Parfümeriehändler, Ragons Nachfolger‹ werde ich einfach in dicken Goldbuchstaben ›Parfümerien ‹ setzen. Ins Zwischengeschoss kommt das Büro, die Kasse und ein hübsches kleines Zimmer für dich. Den hinteren Teil des Ladens, das Speisezimmer und die Küche mache ich zum Magazin. Ich miete das erste Stockwerk des Nachbarhauses und breche eine Tür dahin durch. Die Treppe wird versetzt, so dass ich eine Zimmerflucht durch beide Häuser erhalte. Dann werden wir eine große, elegant möblierte Wohnung haben! Ja, dein Zimmer wird neu ausgestattet werden, du sollst ein Boudoir haben und auch Cäsarine soll ein hübsches Zimmer bekommen. Das Kontorfräulein, das du engagieren wirst, und dein Hausmädchen (jawohl, Madame, Sie werden ein Hausmädchen halten!) werden im zweiten Stock untergebracht. In den dritten kommen die Küche, die Köchin und der Hausdiener. Der vierte soll zum großen Magazin für Flaschen, Kristall und Porzellan werden. Der Raum für unsere Arbeiterinnen kommt ins Dachgeschoss. Dann werden die Passanten nicht mehr mit anzusehen brauchen, wie die Etiketten aufgeklebt, die Plakate gemacht, die Flakons ausgesucht und die Flaschen zugepfropft werden. Das war gut für die Rue Saint-Denis; aber für die Rue Saint-Honoré, pfui, das schickt sich nicht. Unser Geschäft muss aussehen wie ein Salon. Und sind wir denn die einzigen Parfümeriehändler, die eine ehrenvolle Stellung einnehmen? Gibt es nicht Essig- und Mostrichhändler, die Kommandanten bei der Nationalgarde und bei Hofe gern gesehen sind? Wir wollen es ebenso machen, wir wollen unser Geschäft vergrößern und uns gleichzeitig der vornehmen Gesellschaft anschließen.«
»Weißt du, Birotteau, was ich denke, wenn ich dich so reden höre? Du kommst mir vor wie einer, der sich ohne Not selber Lasten aufladet. Erinnere dich daran, was ich dir gesagt habe, als es sich um deine Ernennung zum Bürgermeister handelte: deine Ruhe muss über alles gehen! Du bist, habe ich dir gesagt, für die Öffentlichkeit geschaffen wie mein Arm für einen Windmühlenflügel. Die Ehre würde dein Untergang sein. Du hast nicht auf mich hören wollen, und nun werden wir dem Untergang zusteuern. Wenn man eine politische Rolle spielen will, muss man Geld haben; haben wir denn genug? Wie, du willst dein Schild verbrennen, das sechshundert Franken gekostet hat, und auf die ›Rosenkönigin‹, die dich mit Recht berühmt gemacht hat, verzichten? Überlass doch den andern den Ehrgeiz. Wer seine Hand in einen Scheiterhaufen steckt, der verbrennt sie sich. Heutzutage verbrennt man sich an der Politik. Wir haben schöne hunderttausend Franken in bar, die nicht in unserm Geschäft, unsrer Fabrik und unsern Waren angelegt sind. Willst du dein Vermögen vergrößern, so mach es wie im Jahre 1793. Die Renten stehen zweiundsiebzig, kauf Renten. Du wirst zehntausend Franken Zinsen haben, ohne dass diese Anlage unserm Geschäft schaden kann. Dann benutze das, um unsre Tochter zu verheiraten, verkaufe unsre Papiere, und wir ziehen in deine Heimat. Fünfzehn Jahre