Henryk Sienkiewicz

Die Kreuzritter


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»Willkommen, Großväterchen!« rief Zbyszko, unter den Tannen hervortretend.

       Der Bär stieß ein kurzes Gebrüll aus; zweifellos erschreckte ihn die unerwartete Erscheinung, allein er war schon zu nahe gekommen, um sich durch die Flucht zu retten. Ohne weiteres erhob er sich auf den Hinterfüßen und streckte die Vordertatzen wie zu einer Umarmung aus. Darauf hatte Zbyszko gewartet; er nahm einen Anlauf, sprang wie der Blitz vor, um dann mit aller Gewalt seiner kräftigen Arme dem Tiere die Heugabel in die Brust zu stoßen.

       Ein schaudererregendes Gebrüll erfüllte jetzt den ganzen Wald. Der Bär, die Heugabel mit seinen Tatzen ergreifend, strengte sich vergeblich an, sie herauszuziehen, die scharfen Zinken saßen fest. Durch dies Bemühen vergrößerte daher das Tier nur den entsetzlichen Schmerz, und als es versuchte, seinem Gegner näher zu kommen, trug es abermals dazu bei, daß die Heugabel noch tiefer in seine Brust drang. Zbyszko aber, der sich nicht klar darüber war; ob er die Heugabel tief genug eingestoßen hatte, ließ den Stiel nicht los. So standen sich Mensch und Tier zerrend und zausend gegenüber. Voll Wut und Verzweiflung brüllte der Bär laut auf. Zbyszko war nicht im stande, das Beil zu erfassen, so lange er nicht das Ende des zugespitzten Stieles der Heugabel in die Erde zu stoßen vermochte, der Bär hingegen, als ob er verstünde, um was es sich handle, zerrte unaufhörlich mit den Vorderpfoten die Heugabel und mit ihr Zbyszko hin und her – und trotz der Qual, welche ihm bei jeder Bewegung die tiefeinbiegenden Zinken verursachten, widersetzte er sich so Zbyszkos Absicht. In solcher Weise zog sich der Kampf in die Länge, und Zbyszko fühlte immer deutlicher, daß seine Kräfte erlahmten. Gleichzeitig sagte er sich aber auch, daß er verloren wäre, sobald er stürzen würde. So nahm er sich denn nochmals zusammen, bot seine ganze Kraft auf, stemmte die Füße fest auf die Erde, bog sich, um nicht nach rückwärts zu stürzen, so weit vor, daß sein Rücken vollständig gekrümmt war und murmelte voll Wut durch die aufeinander gepreßten Zähne: »Einer von uns muß zu Grunde gehen, ich oder Du.«

       Und es erfaßte ihn schließlich ein solcher Zorn, ein solcher Grimm, daß er eher sich selbst geopfert hätte, als die Bestie freigegeben. Doch siehe da, er strauchelte mit einem Male über eine Baumwurzel und würde sicherlich zu Boden gestürzt sein, wenn nicht in diesem Augenblicke eine zweite dunkle Gestalt vor ihm aufgetaucht wäre, wenn nicht eine zweite Heugabel die Bestie getroffen und ihm eine Stimme zugerufen hätte: »Das Beil!«

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      »Einer von uns muß zu Grunde gehen, ich oder Du.«

       In der Hitze des Kampfes überlegte Zbyszko nicht erst, woher ihm die unerwartete Hilfe komme, sondern er ergriff das Beil und versetzte dem Bären einen wuchtigen Schlag. Die Heugabeln zerbrachen krachend unter der gewaltigen Schwere des in Konvulsionen sich krümmenden Tieres, das sich wie vom Blitz getroffen röchelnd auf der Erde wälzte. Aber schließlich hörte dies Röcheln auf. Die herrschende Stille ward nur durch das laute Atmen Zbyszkos gestört, der sich an eine Tanne lehnte, da seine Füße den Dienst zu versagen drohten. Gleich darauf erhob er jedoch das Haupt, erblickte eine neben ihm stehende Gestalt und fuhr erschreckt zusammen, sagte er sich doch, dies könne kein menschliches Wesen sein.

       »Wer ist hier?« fragte er schließlich unruhig.

       »Jagienka!« erwiderte eine zarte weibliche Stimme.

       Zbyszko, von Staunen ergriffen, glaubte seinen Ohren nicht trauen zu dürfen. Allein jeder Zweifel mußte bald weichen, denn Jagienka ließ sich von neuem vernehmen: »Ich schlage jetzt Feuer an ...«

       Sofort ertönte das Zusammenschlagen des Feuersteines, die Funken sprühten, und bei ihrem flimmernden Scheine gewahrte Zbyszko die weiße Stirn, die dunkeln Brauen und die gespitzten Lippen des Mädchens, das den glimmenden Zunder anblies. Und als er sich sagte, daß dies junge Mädchen in den Wald gekommen war, um ihm beizustehen, daß er ohne dessen Hilfe elend zu Grunde gegangen wäre – da floß sein Herz über von Dankbarkeit. Ohne seine Handlungsweise lange zu erwägen, umfaßte er Jagienka und küßte sie auf beide Wangen.

       Ihr aber fielen Zunder und Feuerstein aus den Händen.

       »Verhalte Dich ruhig, hörst Du?« gebot sie mit etwas gedämpfter Stimme, allein trotzdem entzog sie ihm ihr Antlitz nicht, nein, im Gegenteil, sie näherte wie unwillkürlich ihren Mund den Lippen Zbyszkos.

       Dieser gab sie indessen frei und sagte: »Gott wird Dir lohnen. Ich weiß nicht, was ohne Dich aus mir geworden wäre!«

       Nun ließ sich Jagienka, die sich niederkauerte, um in der Dunkelheit Feuerstein und Zunder wieder zu finden, also vernehmen: »Ich fürchtete für Dich, weil Bezduch, trotzdem er wie Du mit der Heugabel und mit dem Beile auszog, von den Bären zerrissen ward. Gott verhütete dies. Was hätte aber auch Macko angefangen, er, der ja so schon nur schwer zu atmen vermag. Nun, ich bewaffnete mich mit der Heugabel und folgte Deiner Spur.«

       »Demnach schlichst Du zwischen den Tannen hindurch?«

       »Ja, ich.«

       »Und ich glaubte, es sei der Böse.«

       »Mich überkam auch keine geringe Furcht, denn gar unheimlich ist es in dunkler Nacht bei den Sümpfen von Rudzik.«

       »Weshalb hast Du denn nicht gerufen?«

       »Ach, ich fürchtete, Du könntest mich wegjagen.«

       So sprechend, fing sie wieder von neuem an, Feuer zu schlagen. Dann legte sie auf den glimmenden Zunder ein Stückchen dürrer Rinde von einem Flachsstengel, das sofort in helle Flammen aufging.

       »Ich habe zwei kleine scheite Holz bei mir,« rief sie hierauf, »Du aber mußt rasch einige dürre Aeste sammeln, dann werden wir gleich ein gutes Feuer haben.«

       In der That knisterte auch schon nach wenigen Minuten ein lustiges Feuer, dessen Schein den in einer großen Blutlache liegenden schmutzig-braunen Körper des Bären grell beleuchtete.

       »Ei, welch mächtiges Tier!« rief Zbyszko mit einer gewissen Selbstgefälligkeit.

       »Aber sieh nur, der Kopf ist fast ganz gespalten. Ach, Herr Jesus!«

       Nach diesen Worten bückte sie sich und fuhr mit der Hand in das zottige Fell des Ungetüms, um sich zu überzeugen, ob das Tier fett sei. Gleich darauf erklärte sie mit frohem Gesicht: »Auf wenigstens zwei Jahre hinaus werdet Ihr Fett haben.«

       »Die Heugabeln sind aber ganz entzwei. Schau nur her!«

       »Das ist einmal ein Unglück! Was soll ich nun zu Hause sagen?«

       »Was ist denn, was hast Du denn?«

       »Ach, das Väterchen hätte mir nicht erlaubt, des Nachts in den Wald zu gehen. Ich mußte daher warten, bis sich alle schlafen gelegt hatten. Erzähle keinem Menschen, daß ich hierher gekommen bin,« fügte sie nach kurzem Schweigen hinzu, »man könnte mich sonst verspotten.«

       »Nach Hause werde ich Dich aber begleiten. Wie leicht könnten Dich Wölfe überfallen, und Du hast jetzt keine Heugabel mehr.«

       »Ja, das ist mir recht.«

       Noch eine geraume Zeit plauderten sie bei dem getöteten Bären, an dem lustig prasselnden Feuer stehend, und glichen in ihrer jugendlichen Schöne zwei holden Waldgeschöpfen.

       Zbyszko blickte sinnend auf das liebliche, von der Flamme des Feuers hell beleuchtete Antlitz Jagienkas und sagte plötzlich voll unwillkürlicher Bewunderung: »Ein zweites Mädchen wie Du giebt es auf der ganzen Welt nicht mehr. Du solltest mit in den Kampf ziehen.«

       Da schaute ihm Jagienka tief in die Augen und erwiderte fast traurig: »So sagen alle, doch verlache mich darob nicht!«

      Siebentes