Frank Maschmann

Total Compensation


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und Aufgaben ergibt sich, dass die Angemessenheit für jedes Vorstandsmitglied gesondert zu bestimmen ist.

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      Die Praxis wird hiermit vor erhebliche Schwierigkeiten gestellt, die zum verstärkten Einsatz externer Vergütungsberater führen, wenngleich dieser grundsätzlich weder verpflichtend ist,30 noch den Aufsichtsrat umgekehrt von seiner Verantwortlichkeit entbindet (insbesondere bleibt es bei der Beweislastverteilung des § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG). Gemäß Ziffer 4.2.2 Abs. 3 DCGK hat der Aufsichtsrat im Falle der Einschaltung eines solchen Beraters auf dessen Unabhängigkeit vom Unternehmen zu achten.

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      Schon aufgrund der individuellen Aufgaben- und Leistungsbezogenheit des Angemessenheitsgebots dürfte es trotz des Bedürfnisses nach Vereinfachung von Entscheidungsprozessen schwierig sein, bereits in der Satzung der Aktiengesellschaft detaillierte Kriterien für die Angemessenheit festzulegen, die längerfristig tragfähig sein können. Angesichts der zwingenden Kompetenz des Aufsichtsrats hinsichtlich der Festlegung angemessener Vorstandsvergütung gem. § 87 Abs. 1 AktG ist zudem davon auszugehen, dass dies in Anbetracht der Vergütungskompetenz des Aufsichtsrats jedenfalls de lege lata nicht wirksam möglich ist.31

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      Die systematische Auslegung des § 87 Abs. 1 und Abs. 2 AktG lässt schließlich erkennen, dass sich die Angemessenheit im Zeitpunkt der Festsetzung der Gesamtbezüge beurteilt, nicht im Zeitpunkt der Auszahlung.32

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      Bezugspunkt der Angemessenheit im AktG sind die „Gesamtbezüge“. Zu diesen rechnen nicht nur fixe und variable Vergütungsbestandteile unabhängig von ihrer Gestaltungsform, sondern gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG auch Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte und „Nebenleistungen jeder Art“. Dies umfasst zum einen typische dienstvertragliche Leistungen wie die Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot33 oder die Fortzahlung von Fixum oder Gesamtvergütung im Falle von Krankheit oder Tod,34 zum anderen darüber hinausgehende Leistungen wie Wohnrechte,35 die Nutzung persönlicher Berater oder medizinische Untersuchungen.36 Abzugrenzen ist zu den sog. dienstlichen Fürsorgeaufwendungen: Leistungen, die dazu dienen, die Infrastruktur für die Vorstandstätigkeit als solche zur Verfügung zu stellen, wie etwa für die dienstliche Nutzung zuhause bereitgestellter IT-Mittel oder eines Dienstwagens zur dienstlichen Nutzung, zählen nicht zu den „Gesamtbezügen“, die Privatnutzung von Dienstwagen oder sonstigen Arbeitsmitteln dagegen ist in die Angemessenheitsprüfung einzubeziehen.37 Hinsichtlich von Versicherungsbeiträgen, einschließlich von Prämien zur D&O-Versicherung, ist nach denselben Kriterien zu differenzieren; somit sind lediglich solche Zahlungen zu den Versicherungsentgelten und mithin „Gesamtbezügen“ des § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG zu rechnen, die ganz maßgeblich privaten Belangen des Vorstandsmitglieds zu dienen bestimmt sind, nicht aber an Unternehmensrisiken ausgerichtete Gruppenpolicen.38 Auch Abfindungen sind vom Begriff der Gesamtbezüge und vom Angemessenheitsgebot umfasst39 (vgl. näher zu Abfindungen Rn. 26).

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      Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 4 AktG gilt das Angemessenheitsgebot sinngemäß für Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art.

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      Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 5 DCGK verlangt, dass „sämtliche Vergütungsbestandteile“ „für sich und insgesamt“ angemessen sind.

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      Die Kriterien des § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG, Aufgaben und Leistung des Vorstandsmitglieds und Lage der Gesellschaft sind kumulativ zu verstehen,40 sodass das Angemessenheitsgebot nicht gewahrt ist, wenn die Lage der Gesellschaft die vorgesehenen Gesamtbezüge zwar der absoluten Höhe nach zuließe, diese jedoch zu Aufgaben oder Leistung des individuellen Vorstandsmitglieds außer Verhältnis stünde.41

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      Ausgangspunkt der Bestimmung der Aufgaben des Vorstandsmitglieds ist die Aufgabenzuweisung in Satzung, Geschäftsordnung und Dienstvertrag unter Berücksichtigung des Umfangs und der Besonderheiten des zugewiesenen Ressorts, der Stellung (Vorstandsvorsitzender, Vorstandssprecher) des Vorstandsmitglieds und der Größe des Vorstands.42 Zu berücksichtigen ist zudem das Maß der aufgrund dieser Aufgabenzuweisung übertragenen Verantwortung, sodass sich in der Praxis erhebliche Unterschiede in der Höhe der Vergütung einzelner Vorstandsmitglieder ergeben können.43 Nach überzeugender Ansicht ist daher eine exorbitant nach oben abweichende Vergütung eines einzelnen Vorstandsmitgliedes auch keine Frage des formalen Gleichheitsgrundsatzes, sondern kann, wenn sie nicht auf besondere Umstände wie die Übernahme zusätzlicher Aufgaben und Arbeitsbelastung (Vorstandsvorsitzender, Vorstandssprecher; vgl. für ein Praxisbeispiel Kap. 18 Rn. 30 f.) zurückgeht, die Unangemessenheit der höheren Vergütung unter § 87 Abs. 1 AktG indizieren.44

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      Da die Vergütung künftige Leistungen honorieren soll, ist Bezugspunkt der Angemessenheit auch die künftig zu erwartende Leistung,45 wobei Leistungen der Vergangenheit als Indiz für die Prognoseentscheidung herangezogen werden dürfen.46 Die Einzelheiten des Leistungsbegriffs bleiben unklar; anerkannt ist die Ausrichtung an Kriterien wie Rentabilität und Steigerung des Unternehmenserfolgs, soweit diese jeweils auf Nachhaltigkeit angelegt ist.47 Einfacher ist die Umsetzung der Leistungsorientierung in der Praxis bei einem hohen Anteil variabler, erfolgsbezogener Vergütung. Reine Fixvergütungen bleiben gleichwohl zulässig (vgl. Rn. 47 ff.).48

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      Der Wortlaut des § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG („Leistungen des Vorstandsmitglieds“) spricht dafür, lediglich die Leistungen des individuellen Vorstandsmitglieds, nicht aber die des Gesamtgremiums einzubeziehen,49 wobei über Teamfähigkeit und Kooperation mit und Einbindung in den Gesamtvorstand, die allgemein als valide Kriterien benannt werden,50 ein gewisser Gremienbezug hergestellt wird.

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      Über das Kriterium der Lage der Gesellschaft sind in die Angemessenheit insbesondere die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft insgesamt, ihr Ruf, ihre strategische Ausrichtung und Position im Markt und auch die Komplexität der Gesellschafts- oder Gruppenstruktur einzubeziehen, und zwar unter Abschätzung auch künftiger Entwicklung in- und externer Faktoren.51

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      Die Vorstandsbezüge dürfen gem. § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG zudem „die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen“ (Üblichkeit der Vergütung). Die Üblichkeit bildet damit eine Obergrenze, keinen Begründungsansatz für eine besonders hohe Vergütung.52 Die Üblichkeit ist in zwei Schritten zu prüfen: Einerseits ist zwingend53 die „Branchen-, Größen- und Landesüblichkeit“ zu prüfen (sog. horizontale Vergleichbarkeit), wobei sich die Landesüblichkeit auf den Geltungsbereich des Aktiengesetzes, also die Bundesrepublik Deutschland bezieht.54 In den horizontalen Vergleich sind „Unternehmen derselben Branche, ähnlicher Größe und Komplexität“ einzubeziehen.55 Der Aufsichtsrat hat bei der Wahl der Vergleichsunternehmen auf Grundlage von Faktoren wie Reputation, Markt, Marktpräsenz und Komplexität der Unternehmens- und Aktionärsstruktur ein weites Ermessen.56 Andererseits „kann aber auch das Lohn- und Gehaltsgefüge im Unternehmen herangezogen werden (Vertikalität)“,57