Amy Hempel

Sing


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      Amy Hempel

      Sing

       Neue Stories

      Aus dem Amerikanischen von

      Annette Kühn und Christian Lux

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       Sing

       Das verwaiste Lamm

       Full-Service Tierheim

       Der Tornado aus Puppen

       Ich bleibe bei Syd

       Die Schikane

       Greed

       Fort Bedd

       Vier Anrufe in der letzten halben Stunde

       Der richtige Griff

       Der Tisch danach

       Mondregenbogen

       Äquivalent

       Der Ruhewagen

       Wolkenland

       Danksagung

       Annotationen

      Für Gloria Vanderbilt Cooper

      Sing

      Am Ende sagte er, Keine Metaphern! Nichts ist wie irgendetwas Anderes. Außer, dass er bevor er dies sagte, gesagt hatte, Mach’ eine Hängematte aus deinen Händen für mich. Da war also schon eine.

      Er sagte, Nicht einmal der Regen – und er zitierte den Dichter – nicht einmal der Regen hat solch schmale Hände. Da war also noch eine.

      Am Ende wollte ich ihn trösten. Doch was ich sagte, war, Sing für sie. Das arabische Sprichwort: Wenn die Gefahr sich nähert, sing für sie.

      Außer, dass ich zuvor zu ihm gesagt hatte, Keine Metaphern! Niemand ist wie jemand anderes. Und er sagte, Bitte.

      Also, am Ende, machte ich eine Hängematte aus meinen Händen für ihn.

      Meine Arme waren die Bäume.

      Das verwaiste Lamm

      Er schnitt das Fell von dem toten Winterlamm, wischte das Blut an seiner Hose ab, um einen festen Griff zu behalten, fuhr zunächst um die Hufe und schnitt jedes Bein gerade nach oben, dann schlug er die Haut von Muskel und Knochen.

      Er band die Haut mit Garn auf den Leib des verwaisten Lamms, damit das trauernde Mutterschaf den Geruch erkannte und das verwaiste Lamm stillte.

      Zumindest sagte er das.

      Es war Verführung. Es war dies die Geschichte, die er erzählte, von all den Geschichten über Bauernjungen, die er hätte erzählen können. Er wählte die eine, in der Brutalität ein Leben rettet. Er wollte, dass ich spüre, während er seinen Körper über meinen fügte, dass ich so weiterleben würde, so würde man mich kennen.

      Full-Service Tierheim

      Sie kannten mich als jemanden,

      der mit einem Schlauch stinkenden Kot aus Käfigen spritzte.

      – Leonard Michaels, »In the Fifties«

      Sie kannten mich als jemanden, der mit einem Schlauch stinkenden Kot aus Käfigen spritzte – und dem das gefiel. Und als jemanden, der lieber das tat, als ins Kino zu gehen oder zu einem Abendessen mit einem Freund. Sie kannten mich als jemanden, der zwei Abende die Woche kam, der um vier kam und bis nach zehn blieb, und der wusste, dass das nicht genug war, denn »genug« gab es im Tierheim von Spanish Harlem nicht, das von der Stadt betrieben wurde, die die Mittel kürzte.

      Sie kannten uns als diejenigen, die die Euthanasie-Liste nach den Hunden absuchten, die am nächsten Morgen getötet werden sollten, die die Todeszellen-Hunde mitnahmen, meistens waren es Pitbulls, die sie mitnahmen auf einen letzten Spaziergang, die ihnen gutes Futter brachten, ihre Zwinger säuberten und ihre Betten machten, mit Strandhandtüchern, Badematten und Scooby-Doo-Fleecedecken, die noch warm vom Trockner waren. Sie kannten mich als jemanden, der ihre Betten nach einem anstrengenden Abend nicht mehr so ordentlich machte, der an den Künstler dachte, den seine Tochter in seinem Atelier besuchte, auf ein Bild zeigte, das sie mochte und dann fragte, »Warum hast Du sie nicht alle so gut gemacht?«

      Sie kannten uns als diejenigen, die Schweineohren auf ihre Kopfkissen legten, wie Schokolade in einem guten Hotel. Sie kannten uns als entschiedene Vegetarier, die ihnen gekochtes Fleisch mitbrachten – gegrillte Pute, rohes Roast Beef, Schinken in Honig mariniert –, um das Dosenfutter abzurunden, das wir ihnen auch brachten und das immer noch besser war als das, was sie dort bekamen. Sie kannten uns als diejenigen, die sie fütterten, wenn sie wach waren, anstatt sie nachts um 2:00 Uhr für die Fütterung zu wecken, wie ein Direktor das Nachtpersonal angewiesen hatte, das er für unterbeschäftigt hielt.

      Sie kannten mich als jemanden, der kein Spanisch sprach, der nur »Sí, sí« sagen konnte, wenn jemand über einen Hund beim Spazierengehen »Que lindo!« sagte. Und die, wenn sich ein Schlägertyp zu schnell näherte, sagte »Das ist ein süßes Kerlchen«, schau, wie wir ein weiteres Stereotyp explodieren ließen, in einem Viertel, das sich von sich selbst erholt.

      Sie kannten uns als diejenigen, die keine Zeit für eine Diskussion darüber hatten, ob die Liebe zu Tieren auch bedeutet, dass man sich nicht um Menschen schert: Eine von uns tat es! Evelyne, eine Kinderärztin, die missbrauchte Kinder behandelte.

      Sie kannten uns als diejenigen, die Tetanus- und Tollwutimpfungen bekamen – letztere immer noch in Serie, aber nicht mehr in den Bauch –, und die ihre Kratz- und Bisswunden mit Krazy-Kleber verschlossen – nicht die medizinische Variante, sondern die, die man im Baumarkt findet, anstatt sich in der Notaufnahme nähen zu lassen, wo wir die Hunde hätten melden müssen, die dann eingeschläfert werden würden.

      Sie kannten uns als diejenigen, die ihre zugewiesenen Namen diskutieren wollten, wenn sie aufgenommen wurden, die sagten, »Wer wird denn einen Hund namens Nixon adoptieren?« Und als Nixons Name geändert wurde – zu Dahmer – wurden wir wieder wütend, bis wir es gut sein ließen, als er am Ende O.G., Original Gangster, genannt wurde. Es gab in einem der Trakte immer ein »Baby«, sodass die Angestellten auf die Karte am Zwinger schreiben konnten: »Mein Baby gehört zu mir, ist das klar!« und sie hörten endlich damit auf, den Namen »Precious« zu vergeben, nachdem ein älterer Mitarbeiter über einen alten, stattlichen Rottweiler sagte, »Ich hasse diesen verdammten Namen, aber er ist ein guter Hund.« (Oft hatten sie aber auch ein gutes Händchen; sie nannten einen kleinen braun-weiß-cowboy-farbenen Pit, der