Gisbert Haefs

VERGANGENE ZUKUNFT


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wenn auch durchaus begabter – Anfänger am Werk ist, dessen Fähigkeiten zur lesefreundlichen und aktionsreichen Schilderung zumindest partiell immer wieder aufscheinen.

      Der erste Roman »Wo Namen tödlich sind« wie auch der zweite »Rote Sichel über Beirut« sind konventionelle Spionagegeschichten, die vor allem deswegen auffallen, weil Spionage gemeinhin im Leihbuch kaum eine Rolle spielt. Im Gegensatz etwa zu Frankreich, wo der Spionagethriller sich durchaus neben dem normalen Kriminalroman behaupten konnte und kann, konnte sich das Agentenmilieu als Themenkreis weder im Romanheft noch im Leihbuch durchsetzen. Insofern war allein diese Themenwahl ein Faktum, das auf den Autor aufmerksam machte.

      Da Mielke seinen Erstling als Science-Fiction zur Welt brachte, verwundert es wenig, dass er auch im Spionageumfeld SF-Elemente verwendete, genauer: in den Bänden drei und vier.

      »Achtung Sperrzone« beschäftigt sich mit den Bemühungen der US-Amerikaner, im Wettlauf mit der Sowjetunion den ersten Menschen ins Weltall, genauer: in eine Erdumlaufbahn zu bringen. Man kann durchaus der Meinung sein, dass eine so zeitnahe Schilderung keineswegs Science-Fiction genannt werden kann, schließlich startete Gagarin am 12. April 1961 zu seinem Flug. Andererseits ist wahrscheinlich der Roman ein halbes Jahr zuvor oder noch früher geschrieben worden. Vielleicht stuft ihn der Autor persönlich als sozusagen gegenwartsbezogene SF ein.

      Was den Roman in Hinblick auf das spätere Schreiben interessant macht, sind einzelne Stellen, wo ein gewisses Maß an ironischem Humor hervorlugt, der später auch in Mielkes »Marcus T. Orban«-Romanen (SF-Reihe des Zauberkreis-Verlages, Rastatt) immer wieder erkennbar wurde.

      Zwei Polizisten saßen hinter ihren Schreibtischen. Einer las Zeitung, der andere schlief mit offenen Augen.

      »Good evening«, sagte Old William laut. Sie rührten sich nicht. Wahrscheinlich hatten sie ihn nicht einmal bemerkt.

      Burkley schlurfte auf die Barriere zu, hinter der die Schreibtische standen.

      »Schönen guten Abend, die Herren!«

      Noch immer machte keiner der beiden Cops Anstalten, ihn zu bemerken. Aber da waren sie an den Falschen geraten!

      Er nahm vorsichtig die Dienstpistole des Zeitungslesers und knöpfte die Tasche auf. Die peinlich gut geölte »Zimmerflak« wies immerhin das beachtliche Kaliber von 0,45 Inches auf. So leise wie möglich lud er durch. Dann war eine Patrone im Lauf der 1919 A1.

      Er drückte ab. Dann brach alles zusammen! Der Zeitungsleser hatte nur noch einen kleinen Fetzen in der Hand. Krachend fuhr das Geschoss neben ihm in die Wand. Ein faustgroßes Loch gähnte neben seiner rechten Schulter.

      Wenn alle amerikanischen Raketen so senkrecht in die Luft gegangen wären wie der Cop, der manchmal mit offenen Augen schlief – die Amis wären schon seit zehn Jahren auf dem Mond. (S. 94/95)

      Über die stilistischen Mängel dieser Schilderung sei stillschweigend hinweggesehen. Anfängerfehler und – vor allem – mangelndes Lektorat.

      Ein total anderes Thema, das sich im Übrigen in den vergangenen Jahrzehnten zunehmender Beliebtheit erfreute, behandelt der letzte und vierte Spionageroman »Verrat war seine letzte Chance« von Roy Marcus: die alles vernichtende, die ultimate Waffe, gegen die es – allem Anschein nach – keine Gegenwaffe gibt. Daraus entwickelt sich die Spannung: so auch in diesem Leihbuch.

      Hier ist es das sogenannte BBT, Abkürzung für »British Botilus Toxine«, eine Kombinationswaffe aus chemischen und biologischen Komponenten, die zusätzlich mit einer Miniatombombe in sogenannten Targets eingebaut ist und von der lediglich zwei Exemplare existieren, um die sich die internationalen Geheimdienste streiten. Hauptaustragungsort ist Hongkong mit seinem bunten Völkergemisch. Mir als Sinologen fiel sogleich das bemühte Pidgin-Chinesisch auf, das in dieser hier dargestellten Form eine ganz neue Sprache darstellt und ebenso einem Volk vom Mars zugehörig sein könnte.

      Im Vergleich zum Spionageroman Nr. 1, in dem Namen tödlich sind, ist diese Geschichte bereits etwas besser erzählt. Man merkt, dass sich der Autor allmählich eine – wenn auch noch geringe – Schreibroutine erarbeitet hat. Hier flicht der Autor ein Detail ein, die nur SF-Insidern als etwas Besonderes erkennbar ist. Der Held, ein NBC-Reporter, trägt den Namen Gordon Bings; und der Kenner wird aufmerksam. Denn unter »Henry Bings« hatte Heinz Bingenheimer, Mielkes Literaturagent, bereits 1956 den SF-Roman »Welten im Brand« veröffentlicht und ein Jahr später die erste Anthologie mit deutschsprachigen SF-Kurzgeschichten nach 1945 herausgegeben. In dem Sammelwerk finden sich Kurzgeschichten heute so bekannter Autoren wie (in alphabetischer Reihenfolge) Rainer Eisfeld, Walter Ernsting alias Clark Darlton, Jürgen Grasmück alias Jay Grams, Wolfgang Jeschke, Karl Herbert Scheer, Willi Voltz. Kein Zweifel: eine Hommage des Autors an seinen literarischen Agenten.

      Thomas R. P. Mielke hat mit »Unternehmen Dämmerung« sowie seinen vier Spionagetiteln einige Übungsstücke vorgelegt, die ihm eine erste Grundlage lieferten für später und ihn letztendlich befähigten, so grandiose Science-Fiction wie »Der Pflanzen Heiland« (1981) und »Das Sakriversum« (1983) zu schreiben, von »Der Tag, als die Mauer brach« (1985) ganz zu schweigen, in dem er ins politische Thema zurückgefunden hatte. Dass es ihm darüber hinaus gelungen ist, sich in der Folge im Bereich des historischen Romans ein internationales Renommee zu erarbeiten, zeigt, dass Autoren sich durchaus von unten (Leihbuch, Romanheft) nach oben (allgemeine Literatur im Hardcover mit Grenzen überschreitender Vermarktung) hinaufschreiben können.

      Die Leihbücher waren der erste, sehr bescheidene Anfang; aber wichtig genug, um den Autor zu befähigen, Größeres in Angriff zu nehmen. Was ihm gelungen ist.

      Bibliografie

      (in der Reihenfolge des Erscheinens)

      Roy Marcus: WO NAMEN TÖDLICH SIND … Spionageroman. Balve/Westfalen, Balowa, o. J. (1961), 255 S.

      Roy Marcus: ROTE SICHEL ÜBER BEIRUT. Spionageroman. Balve/Westfalen: Balowa, o. J. (1961), 271 S.

      Roy Marcus: ACHTUNG SPERRZONE. Spionageroman. Balve/Westfalen: Balowa, o. J. (1961), 271 S.

      Roy Marcus: VERRAT WAR SEINE LETZTE CHANCE. Spionageroman. Balve/Westfalen: Balowa, o. J. (1962), 272 S.

      

      Rainer Schorm: Der Inspirativ

      Es gibt Kollegen, die stehen einem näher als andere. Und das, obwohl man sie nicht einmal persönlich kennt!

      Einer dieser Kollegen ist Thomas R. P. Mielke. Auf gewisse Weise trägt er Mitschuld daran, dass ich heute die geneigte Leserschaft mit Texten traktiere. Man könnte sagen, er fügte meiner textlichen Welt einen neuen Fall hinzu: den Inspirativ.

      Als junger Mensch buhlten zwei SF-Heftserien um meine Aufmerksamkeit. Das muss irgendwann zwischen 1978 und 1980 gewesen sein. Nachdem die Neuauflage von ORION – die Heftausgabe mit dem silbernen Rahmen – abgefrühstückt war, fand mein Sprung zu Perry Rhodan statt, passend zur frisch gestarteten 4. Auflage. Rhodan fand ich faszinierend und da es vier Auflagen davon gab, konnte man schnell ermessen, welche Ausdehnungen dieses Universum hatte.

      Die zweite Serie war sehr viel exotischer – und sie war neu im ursprünglichsten Sinne des Wortes: Die Terranauten.

      Bereits der Name machte jedem klar, dass der Zugang ein anderer sein würde. Dieses Versprechen hielt die Serie, auch wenn sie nur bis Band 99 (im Heft) laufen sollte.

      Die Autoren waren andere und die Pseudonyme sagten mir wenig – schon damals war ich eher engagierter Leser als ein »Fan«.

      Dinge wie Yggdrasil-Misteln oder die »Knospen des Baumes« faszinierten mich auf Anhieb, auch wenn mir schien, dass die Autoren daraus zu wenig machten. Nicht, dass ich zum damaligen Zeitpunkt hätte sagen können, warum ich dieses Gefühl hatte.

      Immerhin aber kam mit Yggdrasil, der Borstenzapfenkiefer, dem Urbaum, eine Komponente hinzu, die eindeutig mythologisch war. Die Edda faszinierte mich (genau wie die griechische