Фиона Грейс

Mord im Herrenhaus


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Davids Gedanken einzunehmen. Diese waren fast genauso schnell gekommen, wie das Verschwinden ihres Vaters. Vielleicht war das so ein „Männerding“. So ein plötzlicher Moment der Erkenntnis, nach dem es kein Zurück mehr in ihr ihr altes Leben geben konnte und alles, was ihnen im Weg stand, niedergebrannt werden musste, weil es ihnen sowieso nichts mehr wert war.

      Lacey verließ die U-Bahn und reihte sich in die Menschenmassen ein, die sich durch die Straßen von New York City schoben. Sie lebte schon ihr ganzes Leben lang in New York, doch nun kam ihre Umgebung dort auf einmal erdrückend eng vor. Sie hatte die Geschäftigkeit dieser Stadt immer geliebt – ganz zu schweigen von ihren Geschäften. Eigentlich war New York immer ihr ein und alles gewesen. Doch inzwischen sehnte sie sich von ganzem Herzen nach einer radikalen Veränderung ihres Lebens. Und nach einem Neuanfang.

      Auf ihrem Weg zu ihrem nur ein paar Blocks entfernt gelegenen Büro fischte sie ihr Handy aus ihrer Handtasche und rief Naomi an. Ihre Schwester ging schon beim ersten Klingeln ran.

      „Alles okay bei dir, Schatz?“

      Dass Naomi trotz der frühen Stunde so schnell an ihr Telefon ging lag daran, dass sie schon damit gerechnet hatte, dass Lacey ihre Scheidungspapiere bekommen würde. Doch die Scheidung war das letzte über das Lacey jetzt sprechen wollte.

      „Kannst du dich noch an Wilfordshire erinnern?“

      „Hä?“

      Naomi klang verschlafen, was nicht weiter verwunderlich war, weil sie als alleinerziehende Mutter von Frankie, dem wildesten 7-jährigen Jungen aller Zeiten jeden Tag ziemlich viel zu tun hatte.

      „Wilfordshire. Wo wir unseren letzten Urlaub mit Mama und Papa verbracht haben.“

      Einen Augenblick lang war es ganz still am anderen Ende der Leitung.

      „Warum fragst du mich danach?“

      Wie ihre Mutter sprach auch Naomi nie über etwas, das irgendwie mit ihrem Vater zu tun hatte. Als er verschwand war sie jünger gewesen als Lacey, weshalb sie behauptete sowieso keine Erinnerung an ihn zu haben und auch keine Zeit und Energie damit verschwenden wolle, sich Gedanken über sein plötzliches Verschwinden zu machen. Aber als sie eines nachts ein paar Schnäpschen zu viel intus hatte, hatte sie zugegeben, dass sie sich doch sehr gut an ihn erinnere und oft von ihm träume. Außerdem hatte sie ihrem Vater in ihren über einen Zeitraum von drei Jahren stattfindenden, allwöchentlichen Therapiesitzungen stets die Schuld am Scheitern all ihrer eigenen Beziehungen zugeschoben. Mit vierzehn hatte Naomi ihre erste chaotische Beziehung gehabt, der seitdem eine Menge weitere, nicht weniger chaotische gefolgt waren. Naomis Liebesleben war so ein Durcheinander, dass es Lacey ganz schummerig wurde, wenn sie nur daran dachte.

      „Die Papiere sind gekommen.“

      „Oh Schatz, das tut mir so leid. Bist du – FRANKIE LEG DAS HIN ODER ES SETZT WAS!“

      Während Naomi Frankie alle möglichen schrecklichen Dinge androhte, wenn er nicht sofort mit dem aufhöre, was er gerade tat (was immer das auch sein mochte) hielt Lacey das Handy mit einem leisen Seufzen ein wenig von ihrem Ohr weg.

      „Tut mir leid Schatz,“ sagte Naomi jetzt wieder in normaler Lautstärke. „Bist du okay?“

      „Es geht mir gut.“ Lacey machte eine kleine Pause. „Nein, eigentlich geht es mir nicht so besonders. Ich bin irgendwie durcheinander. Auf einer Skala von eins bis zehn - wie verrückt würdest du es finden, wenn ich meinen Job schwänzen und den nächsten Flug nach England nehmen würde?“

      „Äh, ich bin da ungefähr bei elf. Die werden dich feuern.“

      „Ich frage sie einfach, ob sie mir unbezahlten Urlaub geben.“

      Lacey konnte förmlich hören wie Naomi mit den Augen rollte.

      „Du willst Saskia echt nach einem freien Tag oder gar nach unbezahltem Urlaub fragen? Erinnerst du dich denn nicht mehr daran, wie sie dich letztes Jahr über Weihnachten durcharbeiten lassen hat?“

      Bestürzt zog Lacey eine Schnute – eine Geste, die sie laut ihrer Mutter von ihrem Vater geerbt hatte. „Ich muss aber irgendwas tun, Naomi. Ich fühle mich so erdrückt von dem allem.“ Wie zur Bekräftigung ihrer Worte begann sie am Hals ihres Rollkragenpullovers, der sich plötzlich wie eine Schlinge um ihren Hals anfühlte, herumzuziehen.

      „Natürlich fühlst du dich jetzt so, als müsstest du etwas an deinem Leben ändern. Das ist in deiner Situation wohl ganz normal. Ich will bloß nicht, dass du etwas Unüberlegtes tust. Die Frage ist doch: warum wirfst du jetzt, wo David weg ist, auch noch deine Karriere hin, die dir ja scheinbar immer wichtiger war als er?“

      Lacey blieb stehen und runzelte ihre Stirn. Meinte Naomi, das was sie da gerade gesagt hatte wirklich ernst?

      „Ich habe meiner Karriere nie den Vorzug vor David gegeben – schließlich war es doch er, der mir ein Ultimatum gestellt hat.“

      „Lege dir die Geschichte ruhig so zurecht wie sie dir am besten passt, Lace, aber…FRANKIE! FRANKIE! ICH SCHWÖRE DIR – “

      Inzwischen war Lacey an ihrem Büro angekommen. Sie seufzte kurz auf. „Tschüss, Naomi.“

      Damit beendete sie ihr Telefonat und blickte an dem großen Backsteingebäude hoch, in dem sie 15 Jahre ihres Lebens gearbeitet hatte. Fünfzehn Jahre für den Job. Vierzehn Jahre für David. Jetzt war es an der Zeit, einmal an sich selbst zu denken. Nur ein kleiner Urlaub. Eine Reise in ihre Vergangenheit. Eine Woche. Vierzehn Tage. Höchstens einen Monat lang. Plötzlich wurde es Lacey ganz leicht ums Herz. Sie betrat das Gebäude. Saskia stand über einen Computer gebeugt da und brüllte einem verängstigt dreinblickenden Angestellten Befehle ins Gesicht. Noch bevor ihre Chefin die Gelegenheit hatte, sich ihr zuzuwenden, streckte Lacey ihr eine Hand entgegen, um ihr zu signalisieren, dass sie ruhig sein solle. Denn jetzt sprach sie: „Ich nehme mir ein paar Tage frei.“

      Bevor sie auf den Absätzen kehrt machte und auf demselben Weg, auf dem sie eben hereingekommen war, wieder hinausmarschierte, sah sie gerade noch, wie Saskia die Stirn runzelte.

      Fünf Minuten später hing Lacey wieder am Telefon und buchte einen Flug nach England.

      KAPITEL ZWEI

      „Mensch, Schwesterherz, bist du jetzt total durchgeknallt?“

      „Liebling, du verhältst dich vollkommen irrational.“

      „Geht’s Tante Lacey gut?“

      Diese Worte von Naomi, Mama und Frankie geisterten immer noch in Laceys Kopf herum, als sie aus dem Flugzeug stieg und das Rollfeld des Flughafens Heathrow betrat. Vielleicht war es ja verrückt gewesen, den ersten Flug vom JFK Flughafen nach England zu nehmen, sich sieben Stunden in ein Flugzeug zu setzen und nichts weiter mitzunehmen als ihre Handtasche und eine Tragetasche, die nur ein paar schnell in den Läden am Flughafen zusammengekaufte Hygieneartikel und Kleidungsstücke enthielt. Aber seit dem Moment, in dem sie Saskia, David und New York den Rücken zugekehrt hatte, fühlte sie sich richtiggehend beschwingt. Sie fühlte sich jung. Sorglos. Zu Abenteuern aufgelegt. Mutig. Sie fühlte sich wieder wie die Lacey Doyle, die sie VD (Vor David) gewesen war.

      Ihrer Familie die Neuigkeit zu überbringen, dass sie sich mal eben ohne Vorwarnung auf den Weg nach England machen würde, war allerdings deutlich weniger erhebend gewesen. Zwar hatte sie dies nur übers Telefon erledigt, doch das Dumme an der Sache war gewesen, dass keiner ihrer Lieben einen Anrufbeantworter zu haben schien und sie alle kein Blatt vor den Mund nahmen. Und so hatte Lacey das „Vergnügen“ gehabt, von allen Dreien die Leviten gelesen zu bekommen.

      „Was ist, wenn du gefeuert wirst?“ jammerte ihre Mutter.

      „Die feuern sie ganz bestimmt“, war Naomis Meinung dazu.

      Und Frankie wollte wissen: „Hat Tante