um Mord ging. Die Stimme wusste, was er sich im Internet ansah. Manchmal glaubte er, die Stimme kenne ihn besser als er selbst und kontrolliere ihn von innen.
Ja, die Stimme hatte ihn schließlich darum gebeten, zu töten – eine Fantasie auszuleben, statt nur davon zu träumen, während er im Dark Web browste.
Die Stimme hatte ihn herausgefordert. Und er war ihr gefolgt.
Und nun gab es eine neue Aufgabe.
Die Stimme hatte sie ihm vor einer Stunde erteilt. Deshalb browste er gerade durch Foren und schaute sich Videos tabuisierter Inhalte an – Inhalte, von denen er wusste, dass sie ihm Gefängniszeit einbringen konnten, wenn er jemals erwischt wurde.
Er arbeitete daran, den Mut aufzubringen. Denn die Stimme hatte ihn erneut gebeten, zu töten. Und dieses Mal sollte er es am helllichten Tag tun.
Die Vorstellung war mehr als aufregend – fast schon erregend. Er konnte an nichts anderes denken. Er war sich nicht sicher, wie er es anstellen sollte, aber er hatte bereits ein Opfer im Kopf. Er hatte schon darüber nachgedacht, bevor die Stimme überhaupt damit begonnen hatte, mit ihm zu sprechen. Eine andere Frau, eine andere wunderschöne Kreatur, die ihm das Gefühl gab, schmutzig und schlecht zu sein. Sie verdiente es vermutlich nicht, zu sterben, aber das lag nicht in seiner Hand.
Die Stimme hatte die Herausforderung gestellt und er konnte nichts dagegen tun. Selbst wenn er es wollte. Sein Verstand, sein Körper und sein Herz waren bereit, die Aufgabe anzunehmen. Es würde einfach sein. Wie atmen oder schlafen. Es wäre natürlich, wie alles andere auch, worum die Stimme ihn gebeten hatte.
Tu es erneut. Dieses Mal am helllichten Tag.
Er konnte die Stimme in seinem Kopf noch immer hören. Jedes Wort langsam und langgezogen.
Sie war noch immer da, als er auf seinem Schreibtischstuhl einschlief, der Bildschirm mit den erbärmlichen Fotos vor ihm.
KAPITEL SIEBEN
Es war nie einfach, die Familie eines Opfers so kurz nach dem Tod eines geliebten Menschen zu besuchen – vor allem wenn man vorhatte, genau darüber Fragen zu stellen. Mackenzie hatte aufgehört, zu zählen, wie oft sie diesen Besuch gemacht hatte, aber es gab einige, die sie nie vergessen würde. Trauer wurde immer auf unterschiedlichste Weise ausgedrückt, aber noch nie hatte sie gesehen, dass sie durch pure Wut geäußert wurde.
Der Besuch bei Sophies Torres Eltern war anders. Die Mutter – eine spindeldürre Frau mit dem Namen Esmeralda – war vor Trauer offensichtlich fix und fertig. Das sah sie in ihren Augen und in ihrem Gesicht, als sie ihr Haus betrat.
Esmeralda führte sie wie ein Gespenst durchs Haus, als übe sie, in ihrem eigenen Zuhause herum zu spuken. „Bitte kommen Sie herein“ war alles, was sie herausgebracht hatte. Sie lief, als verlören ihre Beine ihre Kraft, als sähe kein einziger Muskel in ihrem Körper auch nur einen Grund, weiterzumachen, jetzt, wo ihre Tochter nicht mehr am Leben war.
Dies war wirklich der eine Teil ihres Jobs, den Mackenzie hasste. Sie schielte zu Webber und sah, dass er feierlich und fast schon bedauernd wirkte. Es passte nicht zu ihm – sie hatte ihn bisher ganz anders kennengelernt.
Esmeralda brachte sie in ihre Küche. Dort sah Mackenzie ihren Mann, der am Küchentisch saß. Vor ihm ein Fotoalbum und ein Dekanter mit einer Art von Likör. Sein Gesicht war wie eine Steinmauer, sein Körper eine Hülle der Wut. Sie war so dick, dass Mackenzie glaubte, sie spüren zu können wie eine Feuerwand.
„Mein Mann“, sagte Esmeralda und winkte abwesend in seine Richtung. Sie nannte nicht einmal seinen Namen und schien nichts mehr zu tun, als ein wahlloses Möbelstück zu identifizieren.
Zuerst sagte er nichts. Doch als die Agenten die Küche betraten, stand er auf. Er ließ das Fotoalbum auf dem Tisch liegen, nahm sich aber den Likör. Noch immer sagte er nichts und lehnte sich lediglich gegen den Küchentresen.
„Tee?“, fragte Esmeralda. „Kaffee?“
Mackenzie wollte nichts, aber sie war schon oft in dieser Situation gewesen. Sie wusste, dass es für Esmeralda Torres eine große Hilfe sein würde, etwas zu tun zu haben. Eine Beschäftigung zu haben gab Menschen in dieser Situation das Gefühl, die Kontrolle über irgendetwas zu behalten.
„Wir wissen, wie unglaublich schwer das ist“, sagte Webber, während sie sich auf die kleinen Barstühle setzten. „Vielen Dank für Ihre Kooperation. Dabei helfen Sie uns in vielerlei Hinsicht, diesen Fall besser zu verstehen.“
Esmeralda sagte nichts, sondern beschäftigte sich mit dem Tee. Kein einziges Wort wurde in der Küche der Torres gesprochen, bis der Wasserkessel auf dem Herd pfiff und sie das Wasser in die Tassen gab, an deren Seiten Teebeutel hingen.
Esmeralda überreichte ihnen ihre Teetassen. Mackenzie nippte sofort daran. Der Tee war stark, vermutlich eine Art Grüntee, wenn sie richtig lag. Sie hatte schon immer Kaffee bevorzugt.
„Was können wir für Sie tun?“, fragte Esmeralda schließlich.
„Wir versuchen, herauszufinden, ob Sophie möglicherweise Leute kannte, die Sie als ihre Feinde betrachten würden“, sagte Mackenzie. „Ich benutze dieses harte Wort nicht gerne, aber gewisse Details ihres Todes bringen uns zu der Annahme, dass er womöglich mit einem anderen aktuellen Fall in Verbindung steht.
„Feinde, nein …“, sagte Mrs. Torres. „Aber es gab einige Dinge, die …“
Sie verstummte, blickte zu Boden und gab offensichtlich ihr Bestes, nicht zu weinen. In der Zwischenzeit war Mr. Torres mehr als glücklich, ihren Satz fortzuführen. Und die Wut, die Mackenzie schon zuvor gespürt hatte, wurde in seiner Stimme noch deutlicher.
„Keine Feinde“, sagte er und sprach mit dem Tonfall eines Ausbilders beim Militär. „Aber ihr Ex-Freund ist ziemlich an die Decke gegangen, als sie mit ihm Schluss gemacht hat. Er hat ihr furchtbare Nachrichten geschickt.“
„Wann ging die Beziehung zu Ende?“, fragte Mackenzie.
„Ich weiß es nicht. Vielleicht vor etwa einer Woche. Es ist definitiv nicht länger als zwei Wochen her.“
„Woher wissen Sie von den Nachrichten?“, fragte Webber.
„Sie hat sie uns gezeigt“, sagte Mr. Torres. „Sie kam vorbei und schien irgendwie ängstlich zu sein. Sie wollte wissen, ob wir es für angebracht hielten, die Polizei zu rufen. Ich meinte, ich würde mit dem kleinen Arschloch reden und habe ihn angerufen. Aber er ist nicht rangegangen. Ich habe ihm eine relativ aggressive Nachricht hinterlassen und soweit ich weiß, gab es danach keinen Kontakt mehr.“
„Was stand in den Nachrichten des Ex-Freunds?“, fragte Mackenzie.
„Obsessive Dinge. Er schrieb, dass sie einen Fehler gemacht hatte und er ihr folgen konnte, wann immer er wollte. Dass er immer wusste, wo sie war. In einer Nachricht hoffte er, sie eines Tages so sehr zu verletzen, wie sie es getan hatte.“
„Du hast nicht zufällig ihr Handy?“, fragte Mackenzie und sah zu Webber.
„Nein“, sagte Webber. „Das ist noch immer bei der örtlichen Polizeidienststelle.“
„Haben Sie diesen Freund je kennengelernt?“, fragte Mackenzie.
„Einmal“, sagte Mr. Torres. „Er kam zum Abendessen vorbei und ich hätte schwören können …, dass er ein anständiger Junge ist. Aber sie hat durchdringen lassen, dass die Beziehung eher holprig war. Und dann diese verdammten Nachrichten …“
„Wie lange waren die beiden zusammen?“, fragte Webber.
„Vielleicht ein Jahr?“, vermutete Mr. Torres. „Könnte auch etwas länger sein, nehme ich an.“
„Wissen Sie, warum die Beziehung auseinander ging?“, fragte Mackenzie.
„Ich