»Ach nichts«, antworte ich möglichst gelassen. Mein Puls rast. Das Teil muss wohl ein Andenken von seinen »Gästen« sein. Aber es sieht sauber aus. Wahrscheinlich hat sich die Frau – oder waren es gar mehrere Frauen? – anderweitig vergnügt.
Unwillkürlich drängt sich mir das heiße Bild auf, das Jason gestern erst mit July und dann allein abgegeben hat. Das Drängen in meinem Schoß wird stärker. Der Dildo sieht wirklich verlockend aus. Nimm ihn! Das ist die Gelegenheit ... Mit zitternden Fingern greife ich nach dem künstlichen Schwanz.
»Warum bist du dann so erschrocken, wenn nichts ist?« Angespannt stößt Jason sich vom Türrahmen ab und kommt zu mir herüber.
Mich hätte nur beinahe eine Biene gestochen, die sich hinter dem Vorhang versteckt hat, schießt mir sofort eine passende Ausrede durch den Kopf. Aber ich bringe die Worte einfach nicht über die Lippen. Fuck ... Es fühlt sich scheiße an, Jason zu belügen.
Weich schmiegt sich der Silikonschwanz in meine Handfläche, als ich mich zu ihm herumdrehe. Nichts würde ich lieber tun, als ihn mir einfach zu nehmen. Doch irgendwo ganz weit hinten in meinem Kopf, beinahe völlig verdeckt von diesem Nebel, der mich umwabert, seit ich sein Leben vor wenigen Tagen betreten habe, meldet sich die Stimme meines Gewissens. Reumütig lege ich das Teil zwischen Jason und mir auf den Sofatisch. »Also gut. Es ist mir ein wenig peinlich, aber auf deiner Fensterbank lag ein Dildo.«
Jason atmet auf. Ich kann nicht beschreiben, was es ist, aber etwas verändert sich an ihm. »Ich schätze deine Ehrlichkeit, Lara. Deshalb frage ich dich jetzt auch noch einmal nach gestern und gebe dir die Gelegenheit, auch diesbezüglich ehrlich zu sein: Hast du etwas in der Wohnung vergessen oder warum hast du dich in meinem Schlafzimmerschrank versteckt?«
Mir ist, als ziehe Jason mir mit seinen Worten den Boden unter den Füßen weg. Nein! Meine Gedanken überschlagen sich. Warum hat er nicht verhindert, dass ich ihn und July beobachte, wenn er wusste, dass ich da war? Das ist doch völlig absurd! Kopfschüttelnd weiche ich vor ihm und seinem lauernden Gesichtsausdruck zurück.
»Ich habe nicht –«
»Wage es nicht, es zu leugnen, Lara!«, unterbricht mich Jason, geht völlig sicher um den Couchtisch herum und folgt mir. Seine Bewegungen wirken fahrig, als läge eine kaum beherrschbare Kraft darin, mit der er mich am liebsten packen und solange schütteln würde, bis ich die Wahrheit sage.
Mit den Oberschenkeln stoße ich an die Fensterbank. Wie ein Raubtier kommt Jason immer näher. Gleich hat er mich. Ich zittere. Die Situation ist beunruhigend und erregend zugleich.
»Es stimmt, ich war da«, knicke ich ein, um ihn aufzuhalten. Es abzustreiten ist zwecklos. Er weiß es und sein Verhalten schüchtert mich ein. Augenblicklich bleibt er stehen, nur wenige Zentimeter trennen uns noch.
Er seufzt leise. »Wie ich schon sagte, ich schätze Ehrlichkeit. Allerdings bringst du mich damit auch in eine ziemliche Zwickmühle.«
Ich erstarre. »Jason, bitte ... Es war keine Absicht! Bitte kündige mir nicht. Ich brauche diesen Job, sonst verliere ich meine Wohnung. Nachdem, was du mir über July gesagt hast, wollte ich ihr nicht begegnen. Deshalb habe ich mich vor ihr versteckt! Ich konnte ja nicht ahnen, dass ihr ins Schlafzimmer geht. Ich wollte das alles nicht sehen!«
»Wolltest du nicht?«, hakt Jason mit einem spöttischen Lächeln nach und rückt ganz an mich heran. »So hat es sich aber nicht angehört. Ich konnte deine erregten Atemzüge hören, mein Tennisschläger hat nach deiner Lust gerochen.« Sein Atem streift meine glühenden Wangen. Eine Mischung aus Scham und Genuss rast durch mich hindurch. Als würde die Befriedigung von gestern erst dadurch vollkommen, dass Jason sie entdeckt hat. Ob ich es will oder nicht, es macht mich an, dass er mich diesmal bei der Selbstbefriedigung hören konnte. Was sagt das über mich aus? Diese Frage sollte derzeit allerdings nicht meine größte Sorge sein. Ich sammle meinen letzten Rest Selbstbeherrschung zusammen, der sich dem Verlangen, Jason einfach zu berühren, unterwerfen will, und räuspere mich. »Kündigst du mir jetzt?«, frage ich piepsig.
Wieder seufzt Jason leise. »Lässt du mir eine andere Wahl?« Die Geste, mit der er verspielt eine Strähne meines Haars um seinen Zeigefinger wickelt, steht in hartem Gegensatz zu seinen Worten. Er will mich einschüchtern.
»Du könntest mir noch eine Chance geben«, schlage ich zögerlich vor.
Jasons Lächeln verändert sich, wird weicher. Gut!
»Es tut mir leid, dass ich dich und July beobachtet habe. Ich hätte das nicht tun dürfen. Ich meine, ich verstehe, wenn dir das peinlich ist«, fahre ich fort. Gott, er hat sich vor meinen Augen einen runtergeholt! Vielleicht rede ich mich um Kopf und Kragen, indem ich die beschämende Situation nicht einfach totschweige, in die wir durch mein Verhalten geraten sind. Mir erscheint der direkte Weg jedoch als die beste Lösung, um dieses Missverständnis zu klären. Ich erstarre, als Jason unvermittelt mein Haar von seinem Zeigefinger streift und ihn mir auf die Lippen legt.
»Denkst du wirklich, ich hätte weitergemacht, wenn es mich beschämt hätte, dass du mir zusiehst?« Leise lachend schüttelt er den Kopf. »Du hast keine Ahnung. Das ist irgendwie niedlich ...« Auf seinem Gesicht liegt ein undefinierbarer Ausdruck – Belustigung, Erregung, Spott? Was weiß ich ... Verwirrt mustere ich sein Gesicht. Was bewegt diesen Mann nur?
»Ehrlich gesagt törnt es mich an, beim Sex beobachtet zu werden, Lara. Früher, als ich noch sehen konnte, hatte ich sehr ausgeprägte voyeuristische und exhibitionistische Neigungen. Darum führten July und ich auch eine – nennen wir es mal – sehr offene Beziehung. Aber das geht dich nichts an, Lara, und meine Wohnung ist bestimmt nicht der richtige Ort, um herauszufinden, ob du ebenfalls solche Neigungen besitzt. Ich habe dich eingestellt, um sie sauber zu halten und den Haushalt zu führen, und nicht, um auf Erkundungstour zu gehen. Und dass du diese Regel bereits nach wenigen Tagen brichst ...« Bekümmert schüttelt er den Kopf. Mein Magen rumort. Mir ist, als müsste ich mich gleich übergeben.
»Es war ein Versehen! Ich verspreche dir, dass es nicht wieder vorkommt. Bitte, Jason, nur noch eine Chance«, platze ich heraus. Das hartnäckige Summen in mir, das nach mehr von Jasons freizügigen Worten und Handlungen verlangt, ignoriere ich. Er spricht nur darüber und ich werde schon wieder feucht und mein Schoß pocht begehrlich nach dieser unbändigen Lust von gestern. Das ist doch nicht normal. Ich will das nicht und ich brauche diesen Job!
Doch anstatt auf mein Flehen einzugehen, macht Jason eine abwägende Geste mit dem Kopf. Seine einladenden Lippen schweben vor meinem Gesicht. Die Berührung seines Körpers kann ich nur erahnen, doch ich spüre seine Wärme. Meine Hände wollen ihn fühlen – alles von ihm. Ich umklammere den Rand der Fensterbank, um dem Verlangen nicht nachzugeben. Sag »Nein, kündige mich«, verlangt meine innere Stimme von ihm. Dann kann ich tun und lassen was ich will – ohne ihn, durch ihn, mit ihm.
»In Ordnung, eine letzte Chance«, gibt Jason stattdessen nach. Mein Unterkörper glüht vor Verlangen. Scheiße ... »Gut«, antworte ich heiser. Ich werde mich verdammt noch mal zusammenreißen.
Jason nickt. »Ja, gut. Es ist gut, dass wir das geklärt haben, und ich denke, dass es dir in Zukunft hoffentlich leichter fallen wird, dich an meine Regeln zu halten. Es ist ganz einfach, Lara: Du bist um sechs verschwunden und versuchst nicht, in das abgeschlossene Zimmer hineinzukommen. Setzt du dich ein weiteres Mal über diese Grenzen hinweg, bist du den Job los. So leid es mir tut, ich kann das einfach nicht akzeptieren.«
Mir wird schwindelig. Anstatt sich endlich zurückzuziehen und mich meinen erbärmlichen Gefühlen zu überlassen, neigt er sich noch weiter nach vorn. Was soll das? Er hat doch gemerkt, dass er mich mit Aktionen wie dieser in ein lustvoll wimmerndes Häufchen verwandelt. Will er meine Standhaftigkeit prüfen?
»Es gilt dasselbe wie beim letzten Mal: Über das hier verlieren wir kein Wort mehr, sonst kannst du nicht wiederkommen«, flüstert er an meinem Ohr. Für den Bruchteil einer Sekunde streifen seine Lippen meine Haut. Alles um mich herum dreht sich. Ich will ihn! »Okay«, antworte ich zittrig und umklammere die Fensterbank so fest, dass meine Finger wehtun.
***
Shit, wo