P.L. Winter

Vera - Sklavin der Lust | Roman


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»Sie kennen Frau Wegner?«

      »Ja, sicher, ich wohne drei Häuser weiter und kenne sie seit knapp fünf Jahren, seit sie regelmäßig hier bei Manfred aufgetaucht ist. Nach ihrer Heirat haben wir uns immer wieder mal gegenseitig zum Essen eingeladen. Wir sind gute Freunde, kann man sagen.«

      »Sehr gut. Können Sie uns vielleicht erklären, was hier gerade los war?«, fragte der andere Polizist – Heinrich – nach und deutete zum Haus, in das Maria und Susanne sich gerade schimpfend zurückgezogen und die Türe hinter sich zugeknallt hatten.

      »Das hängt mit dem Verschwinden von Vera und Manfred zusammen – Details sollten Sie auf der Wache nachfragen. Ihre Kollegen können Ihnen das sicher besser erklären. Vera – wo wohnst du jetzt eigentlich?«

      Vera hatte sich zwischenzeitlich wieder etwas gefangen und antwortete direkt: »Hallo, Richard. Danke, mir geht es so weit gut, ich bin nur etwas erschrocken über den Empfang. Eigentlich wohne ich ja dort« – sie deutete auf das Haus von Maria und Susanne – »zumindest hatte ich das angenommen.«

      »Verstehe«, meinte Richard nachdenklich, »das könnte allerdings etwas schwierig werden. Wie Maria schon gesagt hat, haben sie Anfang März plötzlich alles Mögliche rausgeworfen. Da lag ein großer Haufen direkt an der Straße und alle Leute haben sich gewundert, weil die Sperrmüllsammlung schon zwei Wochen vorher war und alles noch recht neu und brauchbar aussah. Reden konnte man zu dem Zeitpunkt mit den beiden auch nicht wirklich. So haben sich viele einfach das eine oder andere Teil von dem Haufen genommen, bis er weg war – wir eingeschlossen. Wenn du willst, kannst du das, was wir uns genommen haben, natürlich gerne wiederhaben.«

      »Danke – ich wüsste derzeit aber gar nicht, wohin damit. Vielleicht später, in ein paar Wochen. Wenn ich mich wieder eingelebt habe und ich das eine oder andere vermisse, komme ich gerne auf dich zurück. Vielleicht weißt du dann, wo es geblieben ist.«

      »Hast du schon mit Gerda gesprochen? Hat sie dich nicht ... vorbereitet?«, wollte Richard vorsichtig wissen.

      »Gerda? Meinst du Gerda Schuster?« hakte Vera unsicher nach. »Nein, daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ich wollte eigentlich nur erst mal nach Hause. Mich wieder in gewohnter Umgebung einleben und herausfinden, was aus Manfred geworden ist.«

      »Das solltest du doch am besten wissen – oder etwa nicht?« Jetzt war es an Richard, verdutzt zu sein. Auch die beiden Polizisten spitzten nun interessiert die Ohren und hofften auf mögliche Hintergründe zu diesem verzwickten Auftrag.

      »Nein, ich weiß gar nichts. Am Flughafen in Brasilien haben sie mir anfangs Schwierigkeiten gemacht, weil ich so lange im Land war. Mit dem Touristenvisum hätte ich eigentlich binnen drei Monaten ausreisen müssen. Über die Einreisepapiere sind sie auf seinen Namen gestoßen und wollten wissen, wo er ist, da auch er laut ihren Informationen bisher nicht ausgereist ist. Bei der Einreise in Frankfurt wurde ich zur Seite genommen und schon wieder nach ihm gefragt! Die Polizisten waren aber wirklich freundlich. Nach der Befragung haben sie mich mit den beiden Kollegen nach Hause geschickt und gemeint, ich solle mich in den nächsten Tagen zur Verfügung halten, die Kollegen vor Ort würden mich kontaktieren. Es gäbe da anscheinend etwas zu klären und sie bräuchten dazu weitere Informationen von mir.«

      »Du hast also keine Ahnung davon, was hier in den letzten Monaten los war?«

      »Nein! Ich weiß nicht einmal so richtig, warum ich in Brasilien war«, antwortete Vera und ihre Augen begannen wässrig zu werden.

      »Dann glaube ich wirklich, es wäre das Beste, wenn du erst mal Gerda anrufst – sie kann dir das Ganze sicher am besten erklären.«

      »Woher kennst du Gerda eigentlich? Wieso glaubst du, dass sie mir alles erklären kann?«

      »Du machst wohl Scherze? Sie ist doch eine deiner besten Freundinnen – oder besser gesagt, wahrscheinlich derzeit deine letzte echte Freundin«, erwiderte Richard leicht verwundert und fuhr fort: »Sie war die Einzige, die sich in den letzten Monaten noch für dich ins Zeug gelegt und alle möglichen und unmöglichen Hebel in Bewegung gesetzt hat! Sie hat alles gesammelt, was sie in die Finger kriegen konnte, und hat damit als Einzige einen Überblick, so weit man den überhaupt haben kann. Du hast doch ihre Nummer?«

      »Nein – leider nicht. Ich habe derzeit auch gar kein Handy. Meines hab ich wohl irgendwo in Brasilien verloren und da waren alle Nummern drin.«

      »Kein Problem.« Richard zog sein Mobiltelefon aus der Tasche, wählte eine Nummer aus seinen Kontakten und hielt es Vera hin. »Nimm – ich habe schon gewählt. Sie hat uns ihre Nummer gegeben, damit wir sie erreichen können, falls es irgendwelche Neuigkeiten gibt – dass du wieder da bist, wird sie sicher von den Socken hauen!«

      Vera nahm das Telefon ans Ohr und hörte es klingeln, bevor eine bekannte Stimme sagte: »Hey, Richard, wie geht’s – hast du etwas Neues?«

      »Hallo Gerda. Ich bin’s, Vera.« Vom anderen Ende kam keine Reaktion, ein langer Moment betretener Stille trat ein. »Hallo – bist du noch dran? Ich bin’s! Vera!«

      Nun ertönte eine weinerliche Stimme am anderen Ende: »Vera? Bist du es wirklich? Wo bist du?«

      »Hier vor unserem Haus auf der Straße, bei Richard –«

      »Bleib, wo du bist, geh auf gar keinen Fall weg! Ich bin in zwanzig Minuten bei dir, ich komme sofort!«, kam die erregte Antwort von Gerda. »Nein, besser du gehst mit zu Richard. Halte dich auf jeden Fall von Maria und Susanne fern! Hast du verstanden? Geh ja nicht zu den beiden – ich bin gleich bei dir, gib mir noch mal Richard – schnell!«

      Aus dem Mobiltelefon ertönte plötzlich ein Scheppern, als ob etwas zu Boden gefallen wäre, ein Klirren von Metall auf Metall, das Knallen einer zugeschlagenen Tür und das laute Klappern von Absätzen auf Steinplatten.

      Irritiert gab Vera das Telefon an Richard weiter. »Sie will mit dir reden.«

      Schon ertönte wieder Gerdas Stimme: »Richard, Richard, du musst Vera unbedingt zu dir ins Haus nehmen. Ich bin schon unterwegs, ich komme gleich bei euch vorbei. Bring sie vor Maria und Susanne in Sicherheit – sie darf ja nicht zu den beiden ins Haus, die tun ihr noch etwas an! Hörst du: Lass sie ja nicht zu denen!« Gerda schien in heller Aufregung zu sein und hastete offenbar in Windeseile eine Treppe hinunter.

      »Schon gut, Gerda, ja, wir gehen zu mir. Brauchst keine Angst haben, sie war schon bei Maria und –«

      »Was? Seid ihr wahnsinnig, die beiden flippen doch total aus, wenn Vera bei denen aufkreuzt! Die Alte ist imstande und bringt Vera eigenhändig um ...«

      »Gerda, beruhige dich – so beruhige dich doch. Sie war mit zwei Polizisten am Haus und die haben das Ärgste verhindert. Jetzt komm erst mal in Ruhe her, dann wird sich alles klären. In Ordnung? In Ruhe habe ich gesagt. Vera ist bei uns in Sicherheit, du brauchst dir keine Sorgen zu machen, komm einfach her –«

      »Polizisten? Wieso Polizisten ...?«

      Schließlich brach die Verbindung ab.

      Richard wandte sich an die wartenden Polizisten: »Ich glaube, wir sollten wirklich lieber zu mir ins Haus gehen – wollen Sie mitkommen?«

      »Eigentlich sind wir hier mit unserer Aufgabe fertig, alles Weitere fällt nicht mehr in unsere Zuständigkeit«, gab Schulze zurück. »Wenn Sie es wünschen, können wir zur Sicherheit die Kollegen von der Wache bitten, vorbeizukommen und nach dem Rechten zu sehen. Wir werden sie jedenfalls darüber informieren müssen, was hier vorgefallen ist – nur damit sie Bescheid wissen.«

      »Ich glaube nicht, dass es notwendig sein wird, dass jemand herkommt. Dass Sie die Kollegen informieren, finde ich gut. Diese können uns ja auch erreichen, wenn sie etwas wissen wollen«, antwortete Richard und verabschiedete sich von den beiden Uniformierten. Er griff nach Veras kleinem Trolley und bedeutete ihr, vorzugehen. Sie verabschiedete und bedankte sich ebenfalls bei den Polizisten und schritt hinter ihm durch die sich vor ihr teilende Menge.

       Gerda

      Auf dem Weg zu Richards Haus versuchte Vera, ihre Gedanken etwas zu ordnen.