Aimée Rossignol

Marthas Liebschaften | Erotischer Roman


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zu enden, während man vom Wohnzimmer aus zwei kleine Stufen überwinden muss, um in die verwinkelte Küche mit dem Erkerfenster zu gelangen. Es ist wirklich keine sehr schöne Wohnung, zumal sie überwiegend mit Sperrmüllfunden und Flohmarkt-Schnäppchen möbliert ist.

      Aber es ist meine Wohnung. Die erste Wohnung, die allein mir gehört, gekauft vom Geld, das mir Luc nach der Scheidung überweisen musste. Und endlich auch das Zuhause für den alten Blüthner-Flügel meines Großvaters, den Luc in seiner Wohnung nicht haben wollte. Zwei Flügel bräuchte kein Mensch, er hätte doch schon einen wunderbaren Steinway, hat er immer gesagt, wo solle man auch hin mit dem riesigen Instrument. Aber jetzt steht der Blüthner hier in meinem Wohnzimmer und manchmal, so wie jetzt eben, streiche ich mit den Fingern über das alte Holz und denke an meinen Großvater.

      Das hartnäckige Vibrieren meines Telefons reißt mich aus meinen Erinnerungen.

      »Martha, du hast mich einfach so stehen lassen!« Luc klingt empört.

      »Ich hatte zu tun«, sage ich kühl und schlage in das darauffolgende Schweigen, zwei, drei Tasten leise an.

      Blitzschnell wechselt Luc seine Taktik. Er ist ein Meister darin, zwischen Stimmungen hin- und herzuspringen. Himmelhauchjauchzend, zu Tode betrübt und blitzschnell erregt.

      »Der Flügel klingt verstimmt. So ist das eben mit solch einem alten Monster. Du solltest Cedric anrufen, meinen Klavierstimmer. Er versteht einfach mehr davon, als dieser Frechat, den du dir immer ins Haus holst.« Jetzt klingt er plötzlich liebevoll besorgt und der leichte Vorwurf in seiner Stimme hat einen neckischen Unterton.

      »Ich bin mit Monsieur Frechat überaus zufrieden.« Ein Lächeln huscht über meine Lippen. »Monsieur Frechat kümmert sich hingebungsvoll um das Instrument. Er versteht es wirklich, alle Saiten zum Klingen zu bringen.«

      Allerdings versteht er etwas davon und die Erinnerung an seinen letzten Besuch lässt augenblicklich mein Herz ein wenig schneller schlagen. Sind tatsächlich schon wieder drei Monate vergangen? Ich rechne im Geiste nach. Anfang Dezember, pünktlich für die Weihnachtsproben meiner Schüler, hat er Hand angelegt. Ich weiß es noch genau. Er hat ...

      »Martha, du erscheinst mir anders als sonst. Ist etwas mit dir?«, unterbricht Luc mein verträumtes Sinnieren.

      »Nein, was soll denn sein?«, frage ich schroff zurück.

      »Martha!« Lucs Stimme überschlägt sich jetzt fast. »Martha, ich kann es doch hören. Du hast einen Mann, einen Liebhaber, oh, mach mir doch nichts vor! Das ist es also. Ich kenne dich zu gut. Was gibt er dir, was ich dir nicht tausendmal mehr geben könnte?« Anklagend stößt er seine letzten Worte hervor und ich rolle mit den Augen.

      »Das geht dich gar nichts an. Selbst wenn es so wäre und ich hätte jemanden, es wäre nicht deine Sache!«

      Luc presst einen tiefen Seufzer in mein Ohr. Ich hasse es, wenn er so melodramatisch wird.

      »Gib mir eine Chance, Martha, nur noch eine und ich werde dir zeigen, was ich dir für ein Mann sein kann. Erinnerst du dich? Damals, in Rom. Das bin ich. Das waren wir. Das war die Leidenschaft, die du brauchst und die nur ich dir geben kann.«

      Rom. Wir kannten uns noch nicht lange und Luc bat mich, ihn zu der Aufführung seiner neuesten Symphonie zu begleiten. Aufgewühlt von seiner Musik, irrten wir in der Nacht nach dem Konzert durch enge Gassen, küssten uns. Erst zart und fast verschämt, dann hungriger und gieriger, bis wir es nicht mehr aushielten und er mich in eine dunkle Toreinfahrt schob, gegen die Wand presste und den leichten Sommerrock anhob, den ich trug.

      Sein Begehren hatte mich erregt. Wenn Luc etwas tut, dann nicht halbherzig. Er komponiert ganz und gar und er liebt ganz und gar. Ich kann die Mauer noch in meinem Rücken spüren. Spitzer krümeliger Stein bohrte sich durch die dünne Bluse in meine Haut. Mit einem einzigen Ruck zerriss er meinen feuchten Slip und lachte leise in mein Ohr, als er seine Hand zwischen meine Schenkel schob und mit ihr meinen Saft auffing, bevor er in mich eindrang. Ich hatte die Augen geschlossen und wir blieben eine Weile lang so stehen. Bewegungslos. Er in mir. Für die wenigen vereinzelten Passanten hatten wir sicher ausgesehen, wie ein beliebiges Liebespaar in einer umschlungenen Umarmung. Ein Liebespaar unter vielen in der Ewigen Stadt.

      Wir aber waren ganz wir selbst und ganz bei uns. Luc hatte mir seine warme Hand auf den Mund gelegt und mit seinen langen, schmalen Fingern meine Wange gestreichelt, während er mich stieß, mein Stöhnen von seiner duftenden Haut aufgenommen und sicher bewahrt.

      Immer und immer wieder. Als Rhythmus unser pochender Herzschlag. Schneller und schneller, wie die Pirouetten der Elevinnen in Madame Blanchards Unterricht. Es schien eine nicht enden wollende Vereinigung zu sein, so, als hätten wir Angst gehabt, uns zu verlieren, würden wir uns lösen.

      Der Höhepunkt als beinahe schreckliches Ende, aber nicht als Ziel unserer keuchenden Ekstase.

      Luc hat genau das später einmal bei einem Essen mit Freunden gesagt. Wenn es beim Sex nicht mehr um den Akt an sich geht, sondern nur noch um die Erleichterung des Kommens, dann ist die Liebe dahin. Ich weiß nicht, wie ich dazu stehe. Ich weiß nur, dass ich alles an der Liebe liebe und dass Luc mir das verleidet hat mit seinem Verrat.

      Rom. Ja, ich erinnere mich gut. Zu gut vielleicht.

      »Au revoir, Luc.« Ich lege auf und er ruft nicht wieder an, aber einzig und allein, weil er glaubt, seinen Worten so mehr Bedeutung zu verleihen und mit stetem Tropfen den kalten Stein meines Herzens doch auszuhöhlen.

      Ich nehme ein Glas aus dem Schrank und gieße mir Rotwein ein, dann wähle ich Monsieur Frechats Nummer. Die Erinnerung an Rom hat etwas in mir geweckt. Verlangen und Begehren.

      Monsieur Frechat meldet sich nach dem zweiten Klingeln und hastig schlucke ich den Wein hinunter.

      »Madame Pelletier hier.« Ich warte einen Moment.

      »Ah«, sagt er und nichts weiter. Vielleicht lächelt er.

      »Mein Flügel ist arg verstimmt. Wann hätten Sie Zeit für mein Instrument?«

      »Einen Moment bitte, Madame Pelletier.« Ich kann hören, dass er in seinem Kalender blättert und ich glaube zu hören, dass er einen Finger befeuchtet, um das Papier besser zu greifen.

      »Bedauerlicherweise kann ich Ihnen vor Ende nächster Woche keinen Termin anbieten. Würde Ihnen Donnerstag, fünf Uhr passen?«

      Er hat nicht vergessen, dass Donnerstag der einzige Wochentag ist, an dem ich nachmittags keine Schüler habe und mein Herz macht einen kleinen Hüpfer. Ich atme lautlos und lasse mir einen Augenblick Zeit.

      »Ja, ich sehe gerade, das passt recht gut. Soll ich Ihnen noch einmal sagen, wo ich wohne?«

      Jetzt kann ich ihn schlucken hören.

      »Danke, Madame, ich habe Ihre Adresse.«

      »Gut, dann bis Donnerstag.«

      »Au revoir, Madame Pelletier.«

      »Au revoir, Monsieur Frechat.«

      Ich trinke noch einen großen Schluck Rotwein und überlege, was ich beim letzten Mal trug. Das rote Spitzenset. Der BH mit den schmalen Trägern. Genau. Und darüber mein schwarzes Etuikleid mit dem Wasserfallausschnitt. Mittlerweile haben wir Frühling und mir ist danach, etwas zu kaufen. Ich will etwas Neues, Schönes. Nur für diesen Donnerstag. Nur für Monsieur Frechat und mich.

      Und so endet der Tag vor meinem kleinen Laptop mit dem Besuch diverser Online-Shops. Zu teuer, nicht schön, wunderbar, aber unbezahlbar, geht so, wäre machbar.

      Ich schlafe schließlich am Küchentisch ein, wache gegen zwei Uhr morgens mit Rückenschmerzen wieder auf und krieche ins Bett.

       Sonntag

      Am Sonntag erwache ich, leider viel zu spät, vom Gesang eines tapferen Vögelchens, das wohl irgendwo auf dem Dach sitzt. Ich dusche, stürze im Stehen einen Milchkaffee hinunter und beiße zweimal in ein mittlerweile labberiges Croissant. Ich schaffe es trotzdem, kurz vor zehn in Lucs Wohnung zu sein.

      Jedes