betrunkenen Zustand ist mir Höflichkeit und eine gepflegte Ausdrucksweise vollkommen egal. Ich hau dann durchaus mal unter die Gürtellinie, aber so richtig. Ich fluche, schimpfe und in extremen Fällen schlage ich auch um mich. Nicht, um jemanden zu treffen oder gar zu verletzten. Ich weiß dann einfach nicht mehr, wohin mit meiner Energie. Um dann mitten im Geschehen plötzlich müde zu werden und genau da einzuschlafen, wo ich mich gerade befinde. Ob nun auf der Straße, im Gebüsch oder auf einer Toilette.
Bisher hatte ich Glück gehabt und mir war nie etwas passiert. Ich hatte immer irgendwen dabei gehabt, der dafür gesorgt hatte, dass ich heil nach Hause gekommen war. Aber schön war so was nicht. Und witzig war es vielleicht als Teenager. Mit neunundzwanzig nicht mehr.
Daher trank ich grundsätzlich nicht mehr, als ich vertrug. Und um herauszufinden, ob ich schon am Limit war, brauchte ich mir nur an die Ohren zu fassen. Wenn sie anfingen zu glühen, war es Zeit, aufzuhören. Maximal ein Drink war dann noch drin. Das hatte ich mal durch Zufall entdeckt, als mich jemand beim Vorspiel auf meine heißen Ohren aufmerksam gemacht hatte. Er war einer von denen gewesen, die gerne an den Ohrläppchen knabberten. Ich steh da ja nicht so drauf. Ich finde, es kitzelt nur unangenehm, erregend ist anders. Noch schlimmer finde ich es, wenn sie einem mit der Zunge reingehen. Das kann ich überhaupt nicht leiden. Wenn das einer bei mir macht, ist meine Lust dahin. Aber zumindest die Erkenntnis über mein glühendes Frühwarnsignal hatte mir die Ohrknabberei beschert. Von daher ...
***
»Weißt du schon, was du anziehst?« Bea stand in meiner Küche an den Kühlschrank gelehnt da und biss genüsslich in ihr Brötchen.
»Ich bin noch gar nicht richtig wach, um ehrlich zu sein.« Sie schaute auf ihre Armbanduhr und schob die Stirn in Falten.
»Es ist fast drei Uhr nachmittags.«
»Ich hatte Spätschicht. Ich war erst um halb sechs zu Hause.« Sie stopfte sich ihr Brötchen in den Mund und schüttete einen Schluck Kaffee hinterher.
»Sorry, hab vergessen, dass du Schichtdienst hast.«
»Schon gut. Wohin gehen wir überhaupt?«, fragte ich, während ich ein Gähnen zu unterdrücken versuchte. Sie erzählte mir von einem kleinen Rockschuppen, in dem sie wohl seit Jahren ein- und ausging. Gegen Rock hatte ich nichts einzuwenden. Ich war zwar kein Metaller oder ein heimlicher Punk, aber die Stilrichtung mochte ich. Ich konnte mich grundsätzlich noch nie mit den Philosophien und Lebensstilen identifizieren, die hinter vielen Musikrichtungen standen. Ich hatte weder die Mode mitgemacht noch mein Leben nach den Botschaften der Songs oder der Lebensweisheiten der Künstler ausgerichtet. Musik ist für mich nur Musik und kein Lebensgefühl.
Sicher gab es viele Erinnerungen, die ich mit bestimmten Bands oder Songs verband. Das tat sicher fast jeder. Coldplay zum Beispiel konnte ich mir nicht anhören, ohne an meinen ersten Freund zu denken. Er hatte die Band gemocht. Mehr noch, er hatte sie geliebt. Neben seinem Fußballverein Schalke04 hatte Coldplay ganz oben gestanden. Ich fand sie auch recht ansprechend. Aber besonders war sie für mich nur, weil er sie so sehr geliebt hatte. Wenn ich einen der Titel hörte, egal welchen, dachte ich automatisch an unseren ersten Kuss oder an sein hellblaues Hemd, das er mir dagelassen hatte. Besprüht mit seinem Parfüm. Ich glaube, das habe ich sogar noch. Irgendwo.
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