Anhieb gefallen!«
Yvonne wurde rot und antwortete: »Danke, Frau Doktor, das freut mich sehr!«
»Warum sind Sie denn nicht bei Dr. Laufkötter geblieben?«
»Ach, ich wollte raus aus Delmenhorst, das ist ein schreckliches Kaff, total öde! Und Hamburg fand ich schon immer toll, es ist eine echt faszinierende Stadt. Die Leute sind hier so fröhlich, das finde ich klasse, in Delmenhorst ist immer so eine Depri-Stimmung.«
»Ihre Eltern wohnen da, nicht wahr?«
»Ja, bei ihnen habe ich ja bis vor Kurzem gewohnt.«
»Und wo wohnen Sie jetzt?«
»Mit noch fünf Jungs und Mädchen zusammen in einer Wohngemeinschaft, das ist preiswert, eine eigene Wohnung kann ich mir zurzeit nicht leisten.«
»Haben Sie einen Freund?«
»Im Moment nicht. Ich hatte einen, wir haben uns vor zwei Monaten getrennt.«
»Wovon leben Sie?«
»Mein Vater schickt mir Geld.«
»Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?«
»Ich wollte das schon als Kind. Mir ging es immer gut, als Einzelkind bekam ich alle Wünsche erfüllt. Meine Eltern haben mich regelrecht verhätschelt, besonders mein Vater. Aber anderen Kindern ging es nicht so gut. Und denen wollte ich immer Gutes tun. In der Schule konnte ein Mädchen nicht an einer Klassenfahrt teilnehmen, weil ihre alleinerziehende Mutter das Geld nicht aufbringen konnte. Diesem Mädchen hätte ich das Geld am liebsten geschenkt, wenn ich es gehabt hätte.«
»Das nennt man Helfersyndrom, was Sie da beschreiben«, bemerkte Helga dazu. »Alle, die in medizinischen und sozialen Berufen tätig sind, müssen diese Eigenschaft haben, sonst können sie die Belastungen solcher Jobs nicht aushalten.«
Damit sprach Helga mir voll und ganz aus dem Herzen. Als Yvonne das im Club vortrug, hätte ich am liebsten laut »Wie wahr!« gerufen. Ärzte, Schwestern, Pfleger und Arzthelferinnen können in ihrem Job nicht richtig gut sein, wenn sie nicht von dem tiefen Wunsch beseelt sind, kranken und notleidenden Menschen zu helfen.
Helga sagte dann: »Nun, Frau Schubert, motiviert sind Sie ja, ich glaube, das wird was mit uns.«
»Das wäre unheimlich schön!«
»Sie fangen am Montag an, alles Organisatorische besprechen wir dann. Sie lernen Montag auch Ihre beiden Kolleginnen Melanie und Julia kennen, das sind ebenfalls nette und hübsche Mädchen. Ihren Vertrag schicke ich Ihnen zu, in zweifacher Ausführung, ein Exemplar bringen Sie bitte unterschrieben mit.«
»Mache ich.«
»Das wär’s, Frau Schubert, ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit!«
»Das tue ich auch, Frau Doktor, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr!«
Als Yvonne die Praxis verlassen hatte, fühlte sie sich glücklich und beschwingt. Was für eine total nette Frau, und sie gleicht auch noch einer Schauspielerin, die ich gut finde!, dachte sie begeistert. Dass es noch andere Seiten an Helga gab, dass sie sich von einem Moment auf den anderen in erschreckender Weise verändern konnte, das sollte Yvonne allerdings auch bald erfahren.
Noch am selben Tag rief Helga Yvonne abends auf ihrem Handy an und sagte: »Frau Schubert, ich möchte, dass Sie mich morgen Abend um sieben zu Hause aufsuchen. Sie haben ja das Kärtchen mit meiner Privatadresse. Wir haben etwas sehr Wichtiges zu klären!«
»In Ordnung, Frau Doktor, bis morgen!«
Mit einem Gefühl der Beklemmung machte sich Yvonne am nächsten Tag auf den Weg zu ihrer neuen Chefin. Helga wohnt in einem Einfamilienhaus mit schöner Terrasse und kleinem Garten. Nach der Begrüßung bat Helga das Mädchen ins gediegen eingerichtete, geräumige Wohnzimmer mit Parkettboden und antiken Möbeln. Als einzigen Stilbruch empfand Yvonne einen Korbsessel ohne Beine, dieser hing an einer Kette, die in einer Öffnung in der Decke verschwand.
Helga wirkte merkwürdig ernst, ganz anders als am Mittwoch in der Praxis. Irgendetwas lag in der Luft. »Wir haben etwas sehr Wichtiges zu klären«, hatte Helga gesagt. Yvonne ahnte Schlimmes.
»Ziehen Sie sich aus, ich mochte Sie einmal anschauen«, sagte Helga dann. Es klang so beiläufig und selbstverständlich, als hätte sie gesagt: »Nehmen Sie Platz, ich mache uns erst mal einen Kaffee!«
Yvonne blickte Helga höchst erstaunt an, sie wollte etwas sagen, doch dann gehorchte sie und entkleidete sich vollständig.
»Vor mir müssen Sie sich nicht schämen, ich bin ja schließlich Ärztin. Und Sie haben ja wohl auch nichts dagegen, wenn ich Sie anfasse.«
»Nein, natürlich nicht.«
Helga tastete ausgiebig Yvonnes Körper ab, die Schultern, die Brüste und den Bauch, sie kniff einige Male in ihre Pobacken und ließ sie die Muskeln anspannen. Hierauf musste Yvonne verschiedene Körperhaltungen einnehmen und je zwanzig Knie- und Rumpfbeugen vollführen. Zu guter Letzt musste sie auf eine Waage steigen.
Helga konstatierte: »Vierundsechzig Kilo bei einer Größe von eins fünfundsechzig. Das könnte ein bisschen weniger sein. Und dieses Speckröllchen hier an Ihrem Bauch ist auch überflüssig. Sie haben einen schönen Körper, stramme Brüste, Ihr Po gefällt mir auch, aber der müsste noch etwas fester und knackiger sein. Sechs Kilo runter würde Ihnen gut stehen! Dann sind Sie eine richtig schöne, junge Frau, das sind Sie natürlich auch jetzt.«
»Vielen Dank, Frau Doktor!« Yvonne wurde wieder vor Verlegenheit knallrot, worauf Helga ausrief: »Wie süß, Sie können noch richtig schön rot werden! Manche Leute sind so abgebrüht, dass sie das gar nicht mehr können. Wie sieht’s denn mit Sport aus?«
»Fahrrad fahren, laufen, manchmal schwimmen, in der Disco tanzen. Aber ich faulenze auch gerne.«
»Haben Sie ein Hobby?«
»Ja, Gitarre spielen, ich hatte Unterricht, kam aber mit der Lehrerin nicht klar, deshalb habe ich aufgehört und die Gitarre verkauft, leider!«
»Das ist wirklich schade! Was ist mit Rauchen, Alkohol und andere Drogen?«
»Rauchen noch nie, Alkohol gelegentlich, Bier oder Wein, nichts Hartes. Andere Drogen natürlich nicht.«
»Ziehen Sie sich jetzt wieder an und nehmen Sie im Sessel Platz!«
Yvonne befolgte die Anweisungen, während Helga sich aufs Sofa setzte und dann sagte: »Ich möchte jetzt mal ein bisschen Ihr Fachwissen abklopfen. Was versteht man unter dem TSH-Wert?«
»Der wird aus dem Blut ermittelt. Er zeigt bei Männern an, ob eine Veränderung der Prostata vorliegt.«
»Das wäre der PSA-Wert. Na gut, das kann eine Arzthelferin mal verwechseln. Was heißt denn PSA? Wofür stehen diese Buchstaben?«
»Ach verflixt, das wusste ich mal. Irgendwas mit Anti...«
»Irgendwas, ja. So, Frau Schubert, jetzt ist Schluss mit den neckischen Spielchen! Sie haben nie eine Abschlussprüfung vor der Ärztekammer abgelegt.«
»Oh je!«
»Und Sie haben die Ausbildung bei meinem Kollegen nach dem zweiten Lehrjahr abgebrochen.«
»Oh je!«
»Ich habe mit dem Kollegen Laufkötter telefoniert, er teilte mir mit, dass Sie sehr oft zu spät gekommen sind. Warum?«
»Weil ich immer wieder verschlafen habe. Und immer viel zu spät ins Bett gegangen bin.«
»Also mangelt es Ihnen ganz erheblich an Disziplin, das können Sie ja wohl nicht abstreiten.«
»Nein, kann ich wohl nicht.«
Helga fuhr fort: »Alle Dokumente, die Sie mir mit Ihrer Bewerbung zugeschickt haben, sind gefälscht! Sagen Sie jetzt nicht wieder, oh je’, sonst wird das ein Running Gag. Halten Sie lieber den Mund und reden Sie nur, wenn ich Sie etwas frage. Ihr Lebenslauf ist auch