dann fühlte sie eine brennende Eifersucht, die ihr Übelkeit verursachte. Aber das wollte und konnte sie auf keinen Fall an die Oberfläche lassen, geschweige denn zulassen, dass Clive es erfuhr.
»Gwen ist interessant«, sagte Ivy so gelassen wie möglich. »Jemanden wie sie trifft man nicht alle Tage. Ich habe mich auf der Party mit ihr unterhalten und sie schien mir eine sehr nüchterne, realistische Frau zu sein. Genau das, was Jeff braucht.«
Nachdenklich nickend erhob er sich und begann, auf und ab zu gehen. »Es hängt alles davon ab, wie sie drauf ist. Ich fürchte, Jeff ist labiler, als wir alle denken und das macht aus Gwen den Rettungsschirm.«
»Aber ist das nicht etwas, das nur die beiden angeht?« Ivy musste ihren Kopf stark verdrehen, denn Clive hatte sich inzwischen hinter sie gestellt und massierte ihren Nacken.
»Leider nicht. Jeff muss psychisch und physisch funktionieren. Davon hängt ungeheuer viel ab. Wenn er an die falsche Frau gerät, hat das katastrophale Folgen.«
Ivy genoss den entschlossenen Druck seiner Hände, doch gleichzeitig empfand sie, dass dieser ein wenig zu fest war. Gerade so, als würde diese Kraft von anderen Gedanken gelenkt.
»Ich wünschte, es wäre wirklich so«, murmelte er so leise, dass Ivy ihn kaum verstehen konnte.
Für einen Moment kam es ihr in den Sinn, dass er vielleicht tiefer greifende Gefühle für sie, Ivy, haben könnte. Dass das, was ihn zu ihr zog, mehr war als Sex. Doch dann verwarf sie den Gedanken als zu absurd. Vielleicht fand er sie sympathisch, weil sie jemand war, mit dem man sich gut unterhalten konnte. Aber mit Sicherheit nicht mehr, denn ihr fehlte die weltläufige Eleganz, die solche Männer an ihren Begleiterinnen schätzten. Sie war auch keine jener Ärztinnen aus Belgravia, die ein Vermögen mit der Heilung von Patienten machten, denen eigentlich gar nichts fehlte. Und genau das war es auch, was sie verunsicherte, wenn es um Clive ging.
»Und was hast du mit Jeff vor, wenn du nicht die USA als Ziel ansetzt?«
»Er soll sich auf Europa beschränken. Alles andere hat keinen Sinn. So kann Jeff umgehend zurückkommen, wenn es ihm bei einer Tour nicht gutgehen sollte.«
»Das ist ein guter Plan.«
»Aber hier, Ivy, hier werde ich ihn zum größten Hecht im Karpfenteich machen. Das schwöre ich dir. Nächsten Monat wird er ins Studio gehen. Er hat praktisch alle Songs fertig. Übrigens auch ein Ergebnis der Europa-Tournee. Und wenn das Album nur halb so gut wird, wie es jetzt aussieht, dann haben wir einen absoluten ›Homerun‹ vor uns. Jeder einzelne Song ist ein absoluter Kracher.«
Ivy konnte nicht fassen, wie ihr Liebhaber sich förmlich in Rage redete. Es war ehrliche Begeisterung, die ihn beherrschte.
»Du schmunzelst?«
Ivy machte eine abwehrende Handbewegung.
»Du wirst nicht mehr schmunzeln, wenn du die Lieder hörst. Wenn Jeff im Studio ist, kommst du mal mit und dann wirst du wissen, was ich meine. Er ist so was von ›on top‹, das kannst du dir gar nicht vorstellen.« Er schenkte sich und ihr noch einen Drink ein und redete weiter. »Du hast ihn gesehen ... Hat er erschöpft auf dich gewirkt? Hat er sich irgendwie grenzwertig verhalten? Nein. Er ist ganz normal. Es geht ihm blendend. Genau das will ich haben. Ashes war damit überfordert, allein schon, weil er noch die Band handeln musste. Ich habe es Gott sei Dank so eingerichtet, dass es keine Band gibt, nur Begleitmusiker und wenn da einer stresst, fliegt er raus. Alles für den Star.«
Wie oft hatte sie sich in der Zwischenzeit gefragt, welches die wahren Gründe für das Scheitern ihrer Beziehung gewesen sein mochten und sie hatte keine Antworten gefunden, außer denen an der Oberfläche. Jetzt erst ahnte sie, dass sie eine echte Chance gehabt hätten, wenn Clive damals schon die Fäden in Händen gehalten hätte. Tiefe Wehmut überfiel sie. Sehnsucht danach, die Zeit zurückdrehen zu können.
So schnell sie nur konnte, schob sie alle Bilder beiseite, die die glücklichen Erinnerungen zu ihr zurückbrachten. Es war vorbei, das durfte sie nicht vergessen. Es half niemandem, wenn man versuchte, Dinge zurückzuholen, die lange begraben waren.
»Vermisst du ihn?«, drang Clives Stimme plötzlich in ihre Gedanken.
Für einen Moment musste sie sich erst sammeln, um dann zu antworten. »Ehrlich gesagt, manchmal ja. Aber das ist selten und wird immer seltener. Es ist nicht einfach, solch ein Leben zu führen, wie wir es getan haben. Und ich wollte es einfach nicht noch einmal. Auch wenn Jeff ein wunderbarer Mann sein konnte – wenn ihm nicht gerade Drogen oder Alkohol in den Weg geraten sind.«
»Oder Sex«, fügte Clive mit einer solchen Ruhe an, dass man hätte meinen können, er hätte nichts weiter getan, als eine Aufzählung von Farben zu vervollständigen. Stattdessen hatte er in ein Wespennest gestochen.
»Er hat mich nie betrogen, solange wir zusammen waren.« Sie hörte in ihrer Stimme eine hochmütige Schärfe. So hatte sie nicht sprechen wollen.
»Entschuldige. Ich wollte dich nicht verletzten.« Er beugte sich über sie und küsste sie sanft auf die Lippen. Wie wunderbar sein Aftershave duftete, so herb und frisch. »Ich wünschte, du würdest so über mich sprechen, wenn ...« Noch einmal suchten seine Augen die ihren und dann richtete er sich wieder auf, wandte sich ab und blickte in den Abendhimmel.
Es war schwer, die Augen von seinem Rücken abzuwenden. Diesem wundervollen Dreieck mit den breiten Schultern und durchtrainierten Armen. Seine Hemden saßen stets einwandfrei. Sie ließen die Bewegungen seines Körpers nur erahnen und wirkten dadurch nie aufgesetzt, angeberisch oder vulgär. Er war ein Mann, der mit größter Selbstverständlichkeit mit seinem perfekten Aussehen umging. Und wieder fragte sie sich, was er von ihr wollte. Wenn Ivy einen schlechten Tag hatte, sagte sie sich, dass Clive ihr wie ein Mann schien, der am Losstand die freie Auswahl gewonnen hatte und den Trostpreis mitnahm. Es konnte nicht funktionieren. Nie und nimmer.
»Ivy ... Weißt du was?« Er sprach in Richtung des Firmaments.
»Nein ...«
»Manchmal frage ich mich, was du in Wirklichkeit von mir denkst.«
»Was meinst du damit, was ich in Wirklichkeit von dir denke? Wir gehen miteinander ins Bett und führen Unterhaltungen. Was deine berufliche Seite angeht, kann ich kein kompetentes Urteil fällen. Aber was ich sehe und höre, gefällt mir.«
Sie hörte sein unterdrücktes Lachen. »Du klingst wie eine Politikerin vor einem Untersuchungsausschuss.«
»Mag sein. Aber das ist, was ich denke. Viel mehr weiß ich ja nicht von dir.« Die ganze Unterhaltung nahm in ihren Augen eine zu schwierige Wendung.
»Was musst du noch von mir wissen? Du kannst mich alles fragen und ich beantworte dir jede Frage.«
»Ich finde, das Ganze klingt eher, als wolltest du einen Kredit beantragen ...«
Mit jedem Atemzug, jedem Wort, fühlte sie sich unwohler in ihrer Haut. Es kam ihr so vor, als wollte er irgendetwas von ihr hören und sie hatte keinen blassen Schimmer, um was es ihm ging. Erst die Fragen nach Jeff, dann die Nebelfragen, die er jetzt stellte. Am liebsten wäre sie aufgestanden und nach Hause gefahren.
»Ich hatte gehofft ... dass du mehr für mich empfindest. Du bist die erste Frau, bei der ich überhaupt keine Idee habe, wie sie mich sieht.«
Jetzt gab es keinen Rückzugsort mehr. Keine noch so winzige Höhle, in der sie sich hätte verstecken können. Also holte sie tief Luft. »Warum soll ich jetzt dein Ego befriedigen, indem ich dir all deine Vorzüge aufzähle und dich dann praktisch dazu zwinge, meine Nachteile zu listen. Du siehst toll aus. Bist intelligent. Erfolgreich in deinem Beruf und und und ...« Ivy stand auf, zog ihren Blazer gegen die abendliche Kälte über und nahm ihre Tasche.
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