Brigitte Lamberts

El Gustario de Mallorca und das tödliche Elixier


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Früher war das anders. Er legt den Kopf leicht schräg und erinnert sich, wie seine Eltern immer davon sprachen, nach der Oper noch bei Fatty vorbeigeschaut zu haben. Da kam man ohne Krawatte gar nicht erst rein und oftmals schmetterten die Opernsänger dort ihre Arien zur späten Stunde erneut. Heute ist Fatty ein Irish Pub, gepflegt zwar, aber eben doch nur ein Pub unter vielen. Er schaut erneut auf seine Armbanduhr, dann holt er den Terminkalender aus der Umhängetasche. Auf der Seite mit dem heutigen Datum steht mit rotem Filzstift geschrieben: Verleger will sich am frühen Nachmittag melden! Sven trommelt mit den Fingern auf die Tischplatte. Ich hätte dem schnellen Termin nicht zustimmen sollen. Das war ein Fehler. Das war unprofessionell. Ich hätte den Verleger vertrösten sollen, auch wenn ich unbedingt den Auftrag will. Später ist man immer schlauer. Ich war unvorbereitet, fahrig und habe dem sehr engen Zeitraster auch noch zugestimmt. Verdammt, ich hätte es mir so sehr gewünscht. Na, ja, vielleicht wird es ja doch noch was.

      Der Ober stellt gerade eine Flasche Wasser und eine Schale Boquerones fritos vor Sven ab, als dessen Handy klingelt. »Ruge« meldet er sich und nickt dem Ober dankend zu. Konzentriert hört er, was ihm am anderen Ende der Leitung berichtet wird. Seine dunkelbraunen Augen beginnen zu leuchten, und die Hand, die zuvor die Wasserflasche ergriffen hat, um sich einzugießen, ballt er nun zur Faust. Kaum hat er das Gespräch beendet, springt er auf und ruft ein »Yeah« in die Menge.

      »Gute Nachrichten?«, fragt der Ober interessiert, der gerade an einem benachbarten Tisch die Getränke serviert.

      »Ja, sehr gute Nachrichten.« Sven setzt sich, dann steht er wieder auf. Das Lächeln auf seinem Gesicht will nicht mehr weichen. Jetzt reiß dich zusammen, ermahnt er sich, du benimmst dich ja wie ein Schuljunge, der endlich eine Eins in Latein geschrieben hat. Er setzt sich erneut, greift nach einer frittierten Sardelle und tunkt sie in das kleine Schälchen mit ajillo, bevor er sie in den Mund schiebt. Er kann es nicht fassen, ein Traum geht in Erfüllung. Schon wieder springt er auf und eilt an die Bar.

      »Darf ich dich zu einem Glas Champagner einladen?«, fragt er aufgeregt seinen Freund.

      »Natürlich, sag bloß, es hat geklappt!« Der Spanier greift nach einer Flasche in einer silbernen, bauchigen Champagnerschale, die bis zum Rand mit Eis gefüllt ist. Mit einem sachten Geräusch lässt er den Korken aus dem Flaschenhals gleiten. Er füllt zwei Gläser und kaum haben sie sich zugeprostet, sprudelt es aus Sven nur so heraus. »Es hat geklappt. Gerade hat mich der Verleger angerufen und mir offiziell den Auftrag erteilt, einen kulinarischen Reiseführer über Mallorca zu schrei­ben. Über Mallorca, meine Lieblingsinsel!«

      »Mir war klar, dass du den Auftrag bekommst.« Der Barkeeper betrachtet belustigt Sven, der sich aufgeregt an sein Ohrläppchen fasst.

      »Mir nicht. Aber egal, jetzt habe ich den Auftrag.«

      »Du kannst auch ohne ausgereiftes Konzept überzeugen. Dir nimmt man deine Begeisterung ab.«

      »Jetzt sag nur noch, mein Gesicht ist ein offenes Buch.«

      »Für deine Freunde schon.« Er lacht. »Ein Pokerface hast du noch nie gehabt. Und wann geht’s los?«

      »Möglichst bald.«

      »Und wie lange wirst du weg sein?«

      Sven überlegt kurz. »Wenn ich mir eine private Unterkunft besorge und gut haushalte, könnte ich mit dem Vorschuss des Verlags drei Monate auskommen.«

      »Drei Monate«, wiederholt sein Freund erstaunt, »so lange?«

      »Ich werde das Manuskript natürlich früher abgeben müssen. Die Produktion braucht auch Zeit. Und du weißt ja, Auftraggeber möchten alles immer sofort haben.«

      »Ein bisschen neidisch bin ich schon.« Dann legt der Barkeeper ihm die Hand auf die Schulter. »Aber ich gönne es dir von Herzen.«

      »Danke.« Svens Augen leuchten erneut.

      »Kannst du denn so einfach weg?«

      »Das ist der Vorteil, wenn man Single ist.« Sven zwinkert seinem Freund zu. »Und meine Eltern sind noch fit genug, die kommen schon klar.«

      »Aber deine Freunde werden dich vermissen.«

      »Wir reden von maximal drei Monaten. Ich wandere ja nicht aus.«

      »Wer weiß?«

      Sven lacht und knufft ihm in die Seite. »Aber du hast recht. Ein paar Termine muss ich wohl noch verschieben.«

      »Und fliegst du?«

      »Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Aber vielleicht ist es sinnvoll, mit dem Auto zu fahren und mit der Fähre überzusetzen.«

      »Dann sparst du auf jeden Fall die Kosten für den Mietwagen. Bei drei Monaten kommt da schon einiges zusammen.«

      »Stimmt, und du weißt ja, wie viel Freude es mir macht, mit meinem alten Porsche Targa die Gegend zu erkunden.«

      »Hm, ich glaube, ich habe auch gleich den ersten Insidertipp für dich.«

      »Ich höre!« Sven greift sich einen Bierdeckel von der Theke und sein Freund reicht ihm einen Kugelschreiber.

      »Meine Cousine führt zusammen mit ihrem Mann eine Cafeteria in der alten Poststation von Montuïri, das ist etwas unterhalb von Petra, an der Schnellstraße Ma-12.«

      Der Barkeeper schmunzelt. »Ich weiß, diese Kneipenrestaurants auf Mallorca sind für dich nicht so interessant, weil sie nur kalte Speisen anbieten. Und die Bar S’Hostal von meiner Cousine reicht ausschließlich belegte Brote. Aber das Brot ist köstlich und die Auswahl an Käse und Schinken vom Feinsten. Und«, er lächelt, »dort kommen nur Einheimische hin oder Fernfahrer.«

      »Hört sich gut an.«

      »Grüß sie von mir und viel Erfolg.«

      Sie prosten sich nochmals mit dem letzten Schluck zu, dann kehrt Sven zurück an seinen Tisch auf der Terrasse. Der Ober kommt mit zwei braunen Keramikschälchen und stellt sie vor ihm ab.

      »Hier eine neue Portion boquerones, die anderen waren ja schon kalt«, bemerkt er gespielt vorwurfsvoll, »und die Pollo al ajillo, die du noch bestellt hast.« Sven ist immer noch ganz aufgeregt. Er muss schon wieder lächeln, denn er stellt sich den Kommentar seiner Mutter vor, die allen, die es wissen wollen oder auch nicht, erzählt, dass seine Leidenschaft für Mallorca bestimmt damit zu tun hat, dass sie, mit ihm im fünften Monat schwanger, Urlaub auf Mallorca gemacht hat. Am liebsten würde er sein Tablet greifen und schon einmal nach einer privaten Unterkunft recherchieren, doch er weist sich zurecht: Iss erst einmal in Ruhe die vorzüglichen Tapas. Während er genüsslich Hähnchenstücke mit der Gabel aufspießt und durch die Knoblauchsoße schwenkt, sieht er sich schon im Strandrestaurant Playa in der Cala Santanyí sitzen, bei gutem Essen vom Holzkohlegrill und mit einem fantastischen Blick auf das Meer. Das wird ein entspanntes und schönes Arbeiten.

      Kapitel 2

      Zürich Hotel Baur Au Lac. Der Sekretär betritt den Balkon. »Die Herren wären jetzt da.« Der kleine, etwas untersetzte Schweizer Unternehmer erhebt sich aus dem Korbstuhl und begrüßt die Spanier.

      »Schön, dass Sie so schnell kommen konnten.« Mit einer Handbewegung bittet er sie, in den Sesseln auf dem Balkon Platz zu nehmen.

      »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«

      José Maria Jamires, ein drahtiger, hochgewachsener junger Mann, bittet um ein Glas Wasser und der etwas grobschlächtige, kleinere Jesús Gonzáles zeigt ungelenk auf eine silberne Kaffeekanne.

      »Sie haben einen guten Flug gehabt?« Die Frage ist für Otto Bächli nicht mehr als eine höfliche Floskel. Die beiden Männer nicken.

      »Sie sind mir von einem Freund empfohlen worden, für den Sie schon einmal zu seiner Zufriedenheit tätig geworden sind.« Gonzáles lächelt unsicher und fasst sich an seine ­große Nase. Jamires beginnt, in recht gutem Deutsch, aber mit einem starken Akzent die Erfolge ihrer Detektei hervorzuheben. Der Schweizer schaut dabei über den Zürichsee, der von der Sonne beschienen wird und dessen Oberfläche irritierend