würde es zu etwas bringen!
Das wusste sie!
Woher auch immer diese Vermutung kam, Katrin wusste einfach, dass ihr Entschluss, sich in Berlin bei der Schauspielschule von Ursula Brackenhorst einzuschreiben, die einzig richtige Entscheidung gewesen war. Die beste Entscheidung ihres ganzen jungen Lebens, stellte sie jetzt fest, als sie hinter Conny her tanzte und merkte, wie sich die Blicke der Männer bewundernd und die der Frauen eifersüchtig auf sie richteten.
Nicht nur, dass sie seit mehr als drei Jahren streng Diät hielt, sich dreimal die Woche zum Sport schleppte und am Wochenende mindestens zwei Stunden schwamm, sie hatte auch schon begonnen, sich in das Thema Schauspiel einzulesen. Sie hatte sich Bücher besorgt, hatte sie studiert, sich Notizen gemacht und bei den Laiengruppen aus Bergedorf schon mehrmals auf der Bühne gestanden.
Mit Erfolg.
Jedes Mal, wenn sie nach der Vorstellung aus dem Tross der Kollegen getreten war, um sich ihren wohlverdienten Beifall abzuholen, hatte sie gemerkt, wie ihr die Herzen des Publikums zuflogen. Dass es dort unten Menschen gab, die nicht genug von ihrem freundlichen Lächeln und ihrer natürlichen, ihrer erfrischenden Art bekamen.
Und dann erst das Lob der Familie und des Freundeskreises ...
Allein die Worte ihrer Mutter, die ihr wieder und wieder sagte, wie wunderschön Katrin sprechen konnte, wie frei sie sich bewegte und wie leichtfüßig sie über die Bühne schwebte, waren Honig auf ihrer nach Anerkennung lechzenden Seele.
Eine Anerkennung, mit der sie etwas zu kompensieren versuchte, wie sie in ganz stillen, einsamen Momenten feststellte. Die versuchten, sich mehr und mehr in ihre Gedankenwelt zu drängen, um ihr dann etwas zuzuraunen, das sie bis heute nicht einmal genau verstanden hatte.
Gerade jetzt, da sie merkte, wie einer der Handballer aus ihrem Hotel mit dem Gedanken spielte, sie anzusprechen, kam der Wunsch nach Anerkennung wieder in ihr auf. Einem dem Himmel entgegenschießenden Lavastrom gleich. Sie wusste einfach, dass sie mit ihrer Art den Menschen gefiel.
Und so blieb sie dann vor einem Tisch stehen, an dem zwei hübsche Frauen saßen, die ihrer allerdings nicht würdig waren. Lasziv wackelte sie mit ihren schlanken, von dem Mini betonten Hüften und warf dem hochgewachsenen Handballer einen Schmollmund zu. Sein Barcadi-Cola-Glas in der Hand, straffte er sich, sodass man seine voluminöse Brust erkennen konnte, wie sie sich unter dem hauteng anliegenden Hemd, das bis zum Brustbeinansatz aufgeknöpft war, abzeichnete.
Er würde zu ihr kommen.
Das wusste sie.
So wie alle zu ihr kommen würden, wenn sie erst einmal in Berlin war und mit ihrer Ausbildung zur professionellen Schauspielerin begonnen hatte.
Deshalb interessierte sie das hämische Gegacker der beiden Frauen auch nicht, die irgendwas wie: „Die nimmt sich aber wichtig“ sagten oder: „Wenn ich mich so falsch zum Takt der Musik bewegen würde, würde ich mich nicht auf die Tanzfläche trauen!“
Drauf geschissen!, dachte sie amüsiert. Ich mach‘, was mir Spaß macht. Ich habe Talent. Unendlich viel davon, sodass man nicht an mir vorbeikommen wird! Ich werde eine unschlagbare Schauspielerin sein. Die Welt wartet auf mich!
„Hast du Tom und Louisa gesehen?“, riss Conny sie aus ihrer Selbstbeweihräucherungsfantasie und ließ sie verwundert zu ihm schauen. Zu dem hochgewachsenen, immer etwas plump wirkenden Conny, dessen Blicke sie bis heute nicht richtig hatte deuten können.
Louisa hatte einmal im Leistungskurs Philosophie gemeint:
„Er sieht aus, als würde er alles ganz genau analysieren, um sich dann seinen Vorteil zu sichern.“ Sie hatte sich geschüttelt. „Der ist mir unheimlich!“
Das nun nicht gerade, dachte Katrin bei sich. Aber etwas Abschätzendes, etwas Suchendes hat er schon. Er wirkt immer unzufrieden.
„Die sind raus, glaube ich“, sagte sie schulterzuckend und wartete kopfwippend - während „Ich hab ein knallrotes Gummiboot“ über die Tanzfläche dröhnte - darauf, dass der Handballer endlich zu ihr kam.
„Warum das denn?“
„Keine Ahnung. War denen vielleicht zu laut hier drinnen.“
„Wir wollten doch zusammen was trinken“, meinte er, während sein dumpf riechender Alkohol-Atem ihr übers Gesicht wehte – und sie gar nicht störte.
Nein, sie war gerade in einem Zustand, der einer Trance nahe kommen musste – falls es nicht sogar eine Trance war.
Sie war so auf sich selbst fokussiert, so unendlich mit sich im Reinen, dass sie ernsthaft anzunehmen begann, dass die Welt ihr zu Füßen lag und sie nur mit dem Finger auf jemanden deuten musste, damit er sich vor sie hinwarf und ihr sagte, dass er sie verehrte.
Allein der Gedanke daran machte sie ganz wirr im Kopf.
Zu glauben, einen Blick in die Zukunft werfen zu können, löste in ihr eine Freude aus, die sie dazu brachte, nach Connys Hand zu greifen, ihn dann mit einem Ruck zu sich hin zu ziehen und ihm mitten ins Gesicht zu sagen: „Hol mir einen Sex on the Beach!“
Conny, überrascht und verwundert, nicht dazu in der Lage, die Initiative zu ergreifen und verbal zu kontern, nickte nur unterwürfig.
„Klar“, sagte er heiser und taumelte dann mehr, als dass er ging, zur Theke, um die Bestellung auszuführen.
Und dabei, das merkte sie und genoss es sichtlich, warf er immer wieder einen verwirrten Blick in ihre Richtung und schien nicht zu begreifen, was da gerade eben über ihn hereingebrochen war.
Was Katrin jedoch verwunderte, war ein beinahe ängstlich klingender Gedanke, der sich meldete und ihr zuraunte: Hoffentlich verliebt er sich jetzt nicht in mich!
Nur um sofort einen anderen, einen alles dominierenden, herablassenden Gedanken zuzulassen, der bittersüß lächelnd feststellte: Ist er eben der Erste, dem du das Herz brichst. Hat er in zehn Jahren der Bild-Zeitung was zu erzählen, während ich mich auf den Weg mache, Hollywood zu erobern.
Obwohl sie wusste, dass der Gedanke albern war – denn welcher deutsche Schauspieler hatte es bisher wirklich nach Amerika geschafft? –, liebte sie ihn heiß und innig. Ihr war, als habe sich etwas in ihr verfestigt, das bislang nur auf schwammigem Boden gestanden hatte. Und wie damals, als sie von ihrer Mutter zu hören bekommen hatte, dass ihr Mann, Katrins Vater, die Familie verlassen hatte, fühlte sie sich auch jetzt – nur eben andersherum. Nicht niedergeschlagen, nicht dem Schicksal trotzig das Kinn entgegenreckend, sondern losgelöst und sich selbst liebend, weil sie um das Potential wusste, das in ihr steckte. Sie musste sich nur die Videos ansehen, die ihre Mutter zu Dutzenden im Regal stehen hatte, um zu wissen, was für eine Karriere sie einmal einschlagen würde.
Berauscht davon genoss sie den in ihr zirkulierenden Gedanken und stieß ein erleichtertes: „Endlich“ aus, als sie wahrnahm, wie sich der hochgewachsene Rückraumspieler in Bewegung setzte und sich mit einem siegessicheren Lächeln auf den Lippen in ihre Richtung bewegte.
Nachdem der Handballer sie mit der dämlichsten aller Fragen kontaktiert hatte - „Was machst du denn hier?“ - , hatte sie Conny schon wieder vergessen.
Während sie „Feiern“ sagte, griff sie schon nach dem Bacardi-Cola-Glas und schlug das warnende: „Ist stark und haut einen schnell um“ in den Wind.
Sollte die Mischung doch hart sein.
Was kümmerte sie das?
Nichts konnte sie umhauen.
Nicht einmal eine wirklich unangenehme, nach purem Alkohol schmeckende Bacardi-Mischung, die sie glauben ließ, ihre Speiseröhre stehe in Flammen, während ihr die Flüssigkeit brennend in den Magen rann.
Sofort musste sie husten, kniff die Augen zusammen und hätte dem Kerl am liebsten eine Ohrfeige verpasst, als sie ihn lachen hörte.
„Hab ich doch gesagt. Ist nicht für jeden!“
„Ich hab immer noch Durst“, knurrte sie und nippte noch