Günter Dönges

Butler Parker 171 – Kriminalroman


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Butler Parker – 171 –

      »Ich erlaube mir, einen besonders schönen Abend zu wünschen«, sagte Josuah Parker und lüftete höflich grüßend seine schwarze Melone. Er blinzelte ein wenig in das grelle Licht der Scheinwerfer und sah zu der jungen Frau hinüber, die malerisch drapiert vor der Hasselblad lag, die auf einem festen Stativ montiert war.

      Die junge Frau trug einen äußerst knapp sitzenden Sarong, der gerade noch mühsam von den Hüftknochen gehalten wurde. Dieser Sarong hatte sich verschoben und gab lange, schlanke Beine fast bis zum Ansatz frei.

      Verschoben hingegen hatte sich nicht das knappe Brusttuch. Es fehlte, was den Butler irgendwie stutzig werden ließ. Die junge Frau tat nichts, um ihre Blöße zu verdecken. Sie lag nach wie vor ruhig vor der Hasselblad und rührte sich nicht.

      Parker räusperte sich diskret, aber unüberhörbar.

      »Ich möchte auf keinen Fall stören«, entschuldigte Parker sich mit leicht erhobener Stimme.

      Sie reagierte wieder nicht. Was kein Wunder war, wie der Butler Sekunden später feststellte. Die junge Dame war tot und konnte den Butler daher nicht mehr zur Kenntnis nehmen. Die große, scharlachrote Blume oberhalb vom linken Ohr entpuppte sich leider als eine Wunde, die diesen Tod herbeigeführt haben mußte.

      Josuah Parker war peinlich berührt. Eine Tote hatte er hier im Fotoatelier auf keinen Fall erwartet. Und mit einem Mord hatte er schon gar nicht gerechnet. Daß hier ein Mord begangen worden war, stand für ihn fest. Von einem bedauerlichen Unfall konnte überhaupt keine Rede sein.

      Er sah sich in dem mittelgroßen, sehr modern eingerichteten Atelier ein wenig um. Hinter der Toten war ein Prospekt ausgerollt worden. Er zeigte die Idylle einer Südseelandschaft. Im Atelier hing, das hatte Parker sofort bemerkt, noch warmer Zigarettenrauch.

      Hatte er den Mörder überrascht? Befand er sich noch im Atelier oder in einem der Nebenräume? Josuah Parker verzichtete darauf, in das Licht der Scheinwerfer zu treten. Er blieb im Halbschatten hinter dem gleißenden Licht und horchte auf seine innere Alarmanlage.

      Sie schrillte unhörbar, aber für den Butler überdeutlich.

      Parker wußte, daß er tatsächlich nicht allein im Atelier war. Augen belauerten ihn aus dem Hinterhalt. Und vielleicht wurde gerade in diesem Augenblick bereits die Mündung einer Waffe auf ihn gerichtet.

      Da Josuah Parker es gar nicht schätzte, wenn auf ihn geschossen wurde, wandte er sich ab und begab sich aus dem Atelier. Dabei passierte ihm das Pech, sich mit dem Fuß im Gewirr der Lichtkabel zu verheddern.

      Die Wirkung trat daraufhin prompt ein, zumal der Butler sich ausgesprochen nachdrücklich verheddert hatte.

      Schlagartig verlosch das Licht. Tiefe Dunkelheit breitete sich aus. Das war genau das, was Parker vorgeplant hatte. Er verließ eine mögliche Schußrichtung und schritt würdevoll und gemessen auf den Ausgang zu.

      Nachdem er das Atelier hinter sich gelassen hatte, schloß er die Tür und begab sich laut und deutlich die steile Treppe hinunter. Nur er allein wußte, daß er während seines Abstiegs einen seiner Patentkugelschreiber in der Hand hielt, dessen Inhalt er sorgfältig auf die Treppenstufen sprühte ...

      *

      Anwalt Mike Rander saß im Studio seiner Dachgartenwohnung und befaßte sich mit dem Inhalt einer Klageschrift.

      Unwillig sah der junge Anwalt hoch, als sich das Telefon meldete. Er griff nach dem Hörer, hob ab und meldete sich.

      »Hier spricht die ›Schwarze Hexe‹«, meldete sich eine Frauenstimme, die nach verrostetem Blech klang.

      »Außerordentlich witzig«, sagte Rander.

      »Ich scherze nicht«, warnte die Stimme, »und das werden Sie und Ihr Butler erfahren! Wer mich entzaubern will, der wird sehr schnell sterben!«

      »Können Sie sich nicht etwas deutlicher ausdrücken?« Rander hatte bereits das Tonbandgerät eingeschaltet und schnitt das Gespräch mit. Ihm kam es darüber hinaus darauf an, diese skurrile Unterhaltung auszudehnen.

      »Es geht aber nicht nur um Sie oder um Ihren Butler«, redete das angerostete Blech weiter, »es geht um junge Mädchen, die wohl noch gar nicht wissen, in welch tödlicher Gefahr sie sich befinden. Ich werde sie der Reihe nach zum Teufel schicken, wenn sie nicht meinen Befehlen nachkommen werden. Habe ich mich jetzt deutlich genug ausgedrückt?«

      »Wann waren Sie zuletzt beim zuständigen Psychiater?« erkundigte der Anwalt sich gereizt.

      »Das werden Sie mir büßen«, fauchte die Frauenstimme wütend zurück, »Sie werden es büßen wie Ihr Butler, der sich in Dinge einmischt, die ihn nichts angehen ...«

      »Ich werde es ihm ausrichten, wenn Sie einverstanden sind. Wie war noch Ihr Name?«

      »Ich bin die ›Schwarze Hexe‹«, lautete die verblüffende Antwort, »aber Sie werden mich noch kennenlernen!«

      Bevor Mike Rander weitere Fragen stellen konnte, hatte die »Schwarze Hexe« bereits aufgelegt. Rander warf den Hörer in die Gabel, spulte das Tonband zurück und spielte sich die Unterhaltung noch einmal vor.

      Kopfschüttelnd hörte er sich die Worte der Frau an. Und es war klar für ihn, daß er es keineswegs mit einer Witzboldin, sondern sehr wahrscheinlich mit einer Irren zu tun hatte.

      Worauf hatte die Frau mit der Roststimme angespielt? Welche jungen Mädchen befanden sich in Lebensgefahr, falls sie bestimmten Befehlen nicht nachkamen?

      Ausgerechnet jetzt war Josuah Parker nicht erreichbar. Er hatte sich vor gut einer Stunde entschuldigt und die Dachgartenwohnung verlassen, um sich ein wenig die Füße zu vertreten.

      Wußte Parker bereits von dieser »Schwarzen Hexe«? Stand sein abendlicher Ausflug schon in Verbindung mit dieser unheimlichen Frau, deren Stimme wie rostiges Blech klang?

      *

      Am Fuß der Treppe blieb Josuah Parker stehen und harrte der Dinge, die seiner bescheidenen Ansicht nach unbedingt noch kommen mußten.

      Nicht umsonst hatte ihm seine innere Alarmanlage gemeldet, daß er im Atelier nicht allein gewesen war. Und nicht umsonst hatte er nach dem Abschalten der Scheinwerfer das Atelier verlassen. Er hoffte, nicht allzulange warten zu müssen.

      Was tatsächlich auch der Fall war.

      Schon nach knapp zwei Minuten war oben an der Treppe ein feines, scharrendes Geräusch zu vernehmen. Die Tür wurde wahrscheinlich vorsichtig aufgedrückt. Danach erklangen schnelle, aber dennoch leise, ungemein vorsichtige Schritte. Der Besucher des Ateliers schickte sich an, die Treppe herabzusteigen. Ob dieser Besucher identisch mit dem Mörder war, mußte sich herausstellen.

      Parker vertraute auf sein Sprühmittel.

      Und wurde wieder einmal nicht enttäuscht.

      Plötzlich war ein erstickter Aufschrei zu hören. Und dieser Aufschrei leitete einen Sturzflug ein, der es in sich hatte. Parker, der das Licht im Treppenhaus eingeschaltet hatte, sah einen menschlichen Körper, der sich in eine Art Sturzkampfbomber verwandelt hatte.

      Mit ausgestreckten Armen und angezogenem Kopf schoß der Mann unter Mißachtung der Treppenstufen nach unten. Seine Beine hingen gekrümmt in der Luft und versuchten das Gleichgewicht zu halten, was aber in Anbetracht der stetig steigenden Geschwindigkeit nicht so recht klappen wollte.

      Parker trat zur Seite, um die Landung nicht zu behindern.

      Der Mann segelte knapp an ihm vorbei und ... produzierte eine durchaus gekonnte Bauchlandung, die es allerdings in sich hatte. Nach dem Bodenkontakt blieb der menschliche Sturzkampfbomber erschöpft knapp vor der Tür liegen und war offensichtlich nicht ansprechbar.

      Parker kontrollierte das Allgemeinbefinden des Mannes und durfte zufrieden sein. Dauerschäden trug dieser Mann sicher nicht davon. Im Moment war er allerdings etwas angeschlagen und zudem bewußtlos.

      Josuah Parker kontrollierte den Tascheninhalt des Schlafenden und zupfte unter anderem einen handlichen 38er aus der Hosentasche des Bewußtlosen.

      Aus dieser Waffe war einwandfrei nicht geschossen