vertreten zu lassen, der mit dem jeweils startenden Pferd am besten harmoniert. Auch wenn du es nicht gerne hörst, Elisabeth: Dein Sohn besitzt weder Gefühl noch Instinkt, um sachgemäß mit Pferde umzugehen.«
Empört lachte Elisabeth von Rötten auf. »Du vergißt die Siege und Plazierungen, die Michael in den letzten Jahren errungen hat«, hielt sie ihrer Schwägerin mit vor.
»Was bei mittleren Turnieren mit gutmütigen Pferden geschah«, gab Magdalena von Mannengen unerschütterlich zurück.
Michael erblaßte. »Das ist nicht fair, Tante Magdalena«, rief er wütend aus. »Im Gegensatz zu Philipp, der dir mehr am Herzen zu liegen schient als ich, hatte ich nie die Chance, auf Spitzenpferden an den Start zu gehen. Wie also hätte ich bedeutendere Turniere gewinnen sollen?«
Aus schmalen Augen musterte die Fürstin ihren Neffen. »Du kannst deine Stimme in den von dir bevorzugten Bars und Etablissements in dieser ungebührenden Lautstärke gerne erheben. Allerdings dulde ich diesen rüden Tonfall nicht in meinem Hause«, wies sie ihn in einem scharfen Tonfall zurecht.
Michael zog die Schultern ein und schwieg, wie er es immer bei Zurechtweisungen durch seine gestrenge Tante tat.
Nun war es seine Mutter, die ihre Stimme lauter als üblich erhob. »Warum bevorzugst du andere gegenüber meinem Sohn und deinem einzigen Erben?« verteidigte sie Michael vehement.
»Weil es wenig Sinn macht, deinen Sohn auf einem edlen Pferd, auf dem er sich wie ein plumper Kartoffelsack bewegt, starten zu lassen. Oder soll unser Gestüt den Preis für den unfähigsten Reiter der Saison erhalten?«
Fürstin Magdalena lächelte maliziös und trank einen Schluck von dem edlen Chateau Neuf du Pape, der heute zum Diner serviert wurde.
Rainer von Rötten konnte nur schwer ein Lachen unterdrücken, während die Gesichtsfarbe seiner Gattin vor Entrüstung von schockierter Blässe auf erzürntes Rot wechselte.
Fürstin Magdalena warf ihrem Schwager einen tadelnden Blick zu. Sie haßte es, wenn jemand in ihrer Gegenwart die Contenance verlor.
»Ihr entschuldigt mich bitte«, sie gab Crispin ein Zeichen. »Mir ist der Appetit vergangen.«
Crispin zog den Rollstuhl von der Tafel zurück und schob die Fürstin aus dem Speiseraum in ihre Gemächer.
»Bitte teilen Sie Herrn von Hanbaum mit, daß ich ihn gerne sprechen möchte, sobald es seine Zeit erlaubt.«
»Sehr wohl, Durchlaucht.« Mit einer Verbeugung verließ Crispin den Raum.
Fürstin Magdalena rollte zur Terrasse hinaus und ließ ihre Blicke versonnen in die Ferne schweifen.
Schloß Falkenhorst lag auf einem bewaldeten Hügel aus Feldgestein. Die große Eckterrasse führte auf die Seite des Schlosses, an welcher der Fels steil abfiel. Von hier aus hatte man eine herrliche Fernsicht sowohl über den südlichen Taunus bis hin zu den großen Mainstädten, als auch über die Reitanlagen des Gestüts innerhalb der mächtigen Schloßmauern. Auf einem Platz drehten Reitanfänger ihre Runden unter der Aufsicht von Peter Helfrich, der seine Elven mit ruhiger Stimme dirigierte.
Dies alles soll einmal Michael, dieser verwöhnte Kretin, erben? dachte Fürstin Magdalena mit Wehmut. Wie so oft fühlte sie sich bei diesem Gedanken unwohl. Wenn nur Claudia, ihre Tochter, noch bei ihr wohnen würde. Bei ihr hätte sie die Zukunft des Gestüts in kompetenten Händen gewußt.
Sie schlug die Hände vor das Gesicht. »Mein Gott, was habe ich Claudia damals nur angetan! Wie konnte ich mein einziges Kind schwanger aus dem Hause weisen?« murmelte sie, wie immer tief erschrocken über ihr damaliges Handeln.
Es gab keinen Tag in den letzten Jahren, an dem sie ihre uneinsichtige Haltung nicht aus tiefstem Herzen bereut hätte. Doch damals war sie nicht fähig gewesen, anders zu handeln. Aufgewachsen in einem starren, konservativen Elternhaus war es ihr nicht möglich, sich über gesellschaftliche Konventionen hinwegzusetzen. Daß dieser Windhund von Stallknecht, der ihre Tochter Claudia geschwängert hatte, das angebotene Geld nahm und verschwand, war kein großes Unglück. Aber…
»Ich hätte nie darauf bestehen dürfen, daß sie das Kind abtreiben soll«, sinnierte sie leise vor sich hin. »Meine Güte, irgendwo auf dieser Welt lebt mein Enkel oder meine Enkelin, und ich sitze allein hier mit dem großen Besitz. Wie schön könnte das Leben sein, wüßte ich meine Tochter und ihr Kind in meiner Nähe.«
Schon vor Jahren hatte Fürstin Magdalena eine Detektei beauftragt, ihre Tochter Claudia ausfindig zu machen. Vergeblich. Sie hatte es auch nicht anders erwartet. Mit der von ihr geerbten Sturheit hatte ihre Tochter bei ihrem Weggang alle Spuren verwischt. Einzig den Flug nach New York vermochte die Detektei nachzuweisen. Jede weitere Spur hatte in die Irre geführt.
Ein klopfen an der Tür riß Fürstin Magdalena aus ihren unfrohen Gedanken.
»Ja, bitte!«
»Sie haben nach mir verlangt, Durchlaucht?« Philipp von Hanbaum trat ein.
»Ja, Philipp, setzen Sie sich zu mir!« bat die Fürstin mit einer einladenden Geste auf die schwere Teakholz-Garnitur. »Ich hoffe, ich habe Sie nicht bei einer wichtigen Arbeit gestört?«
In dem sympathischen Gesicht des Verwalters zeichnete sich ein Lächeln ab. »Keineswegs, Durchlaucht. Ich saß an dem leidigen Wochenbericht, und da freut mich jeder Grund, der mir zu einer Unterbrechung verhilft.«
Die Fürstin lächelte, doch dann wurde sie ernst. »Es hat heute wieder eine Auseinandersetzung mit meinem Neffen gegeben?« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
»Auseinandersetzung mag vielleicht zu hart ausgedrückt sein«, versuchte Philipp von Hanbaum die Konfrontation mit Michael von Rötten auf dem Springplatz zu mildern, doch die Fürstin winkte ungeduldig ab.
»Erzählen Sie mir keine Märchen, Philipp. Ich kenne meinen Neffen und sein unterentwickeltes Ego, das er bei jeder Gelegenheit aufzupolieren versucht. – Wie geht es Hurrican?«
»Nicht gut, Durchlaucht. Seine Beinverletzung hat sich verschlimmert.«
Die Fürstin nickte. »Das habe ich vermutet. Wird etwas zurückbleiben? Kann er bis zum Turnier in Hamburg starten?«
»Leider kann ich Ihnen beide Fragen nicht beantworten. Zumindest nicht mit einer positiven Nachricht«, bedauerte Philipp von Hanbaum. »Selbst bei einer schnellen Heilung wird die Zeit zu knapp, um Hurrican auf einen neuen Reiter einzustellen.«
»Er lief doch unter Helfrich ganz passabel«, warf die Fürstin verwundert ein.
»Peter Helfrich wird uns zum nächsten Ersten leider verlassen.«
»Helfrich? Wieso? Das kann er uns nicht antun! Hat man ihm eine besser bezahlte Stelle angeboten? Darüber ließe sich doch reden!?«
»Peter hat zwar bereits eine andere Stelle, aber ob sie besser bezahlt ist…«, Philipp von Hanbaum zuckte mit den Achseln.
»Nicht? Was ist dann der Grund? Ich hatte den Eindruck, er arbeitet gerne hier.«
Der Fürstin entging nicht Philipps Zögern, und sie interpretierte es auf ihre Weise. »Er geht wegen Michael, richtig?«
»Michael hat ihm mit Kündigung gedroht und…«
»Und Helfrich ist nicht der Typ Mann, dem man droht«, vervollständigte die Fürstin den Satz. »Es tut mir leid, es sagen zu müssen, aber mein Neffe Michael ist nicht gerade mit Intelligenz gesegnet. Wie sollen wir jetzt, so kurz vor Saisonbeginn, noch einen guten Trainer und Reiter für Hurrican finden?«
»Ich weiß es nicht, Durchlaucht«, bekannte Philipp von Hanbaum und fuhr sich verzweifelt mit den Fingern durch die dunkelblonden Locken.
»Bitte, Philipp, holen Sie aus dem Sekretär einen Cognac und zwei Gläser. Ich glaube, den können wir beide jetzt brauchen.«
Während Philipp von Hanbaum sich erhob, grübelte die Fürstin nach einer Lösung des Problems.
»Vielleicht gäbe es eine Möglichkeit«,