Hof werden immer wieder Tierkinder geboren.« Sie ging auf Patricia zu, deren zierliche Gestalt in dem tiefen Sessel ganz verloren schien. »Du hattest gestern Geburtstag. Ich wollte dir gratulieren. Schau mal, ich habe dir auch ein kleines Geschenk mitgebracht.«
Mit großen Augen nahm die Kleine das Päckchen entgegen und packte es vorsichtig aus. Als das kleine weiche Plüschkälbchen zum Vorschein kam, begann Patricia zu strahlen.
»Wie süß!«, rief sie aus und drückte das Tier zärtlich an sich. »Ich habe ganz viele Stofftiere«, verriet sie Michaela. »Aber ein Kälbchen ist nicht noch nicht dabei.«
»Da bin ich aber erleichtert«, erwiderte diese. »Ich freue mich, dass es dir gefällt.«
»Und wie.«
Michaela setzte sich an den niedrigen Tisch, auf dem noch andere Geschenke lagen, und fragte: »Geht es dir wieder besser?«
Die Kleine nickte, während sie mit versonnenem Lächeln ihr neues Stofftier streichelte.
»Du hast ja viele schöne Geschenke bekommen«, fuhr sie fort.
Sie entdeckte ein paar Rollschuhe, ein hübsches T-Shirt, ein Buch und Malsachen. Neben dem Tisch auf dem Boden stand ein übergroßes Paket in Geschenkpapier, auf dem sich weiße Eisbären tummelten. Unter der riesigen rosa Schleife lugte ein Geldschein hervor.
»Warum hast du das noch nicht ausgepackt?«, fragte sie erstaunt.
Patricia sah sie ernst an. »Ich weiß nicht.«
»Mach es doch mal auf.«
»Nö.« Die Kleine schüttelte den Kopf.
»Ich an deiner Stelle wäre neugierig, was da drin sein könnte«, sagte sie in aufmunterndem Ton.
»Ich nicht. Es ist von meinem Vater. Er hat es gestern vorbei gebracht und ist dann wieder gefahren. Er hatte keine Zeit.« Der traurige Ton in der Kinderstimme schnitt Michaela ins Herz.
Sie ahnte, aus welchem Grund Patricia das Geschenk ablehnte. Sie wollte weder Spielsachen noch Geld von ihrem Vater. Sie wollte seine Liebe.
Sie räusperte sich.
»Malsachen?«, fragte sie dann und zeigte auf die bunten Kreidestifte und den Zeichenblock.
»Die sind von Dr. Brunner und seiner Frau.«
»Dann malst du also gern?«
»Und wie.« Die braunen Kinderaugen begannen zu leuchten. »Meine Lehrerin sagt, dass ich im Zeichenunterricht die Beste bin.«
»Super. Kannst du mir ein paar deiner Bilder zeigen?«
»Die sind alle zu Hause, aber du kannst mich ja zu Hause besuchen.«
Michaela lächelte das Mädchen an, zu dem sie sich auf eine ganz besondere Weise, die sie sich selbst nicht erklären konnte, hingezogen fühlte.
»Da ist eine gute Idee«, stimmte sie Patricias Vorschlag zu.
Da bemerkte sie, wie sich die Miene des Kindes verdunkelte.
»Mein Vater hatte mir versprochen, mit mir in den Zirkus zu gehen. Das hatte ich mir zum Geburtstag gewünscht. Jetzt ist er wieder weg, und der Zirkus ist nur noch ein paar Tage hier.«
»Wollen wir beide zusammen dorthin gehen?«, kam es ihr da ganz spontan über die Lippen.
Sie hielt den Atem an, erschrocken über diesen Vorschlag. Wie kam sie dazu? Sie kannte Patricia doch kaum.
Als sie jedoch das Strahlen auf dem Kindergesicht sah, warf sie alle Bedenken über Bord. Patricia freute sich. Und darüber wiederum freute sie sich. Also, warum sollte sie nicht mit ihr in den Zirkus gehen? Patricia war die Tochter einer guten Bekannten ihrer Schwester. Demnach bestand doch eine erklärbare Verbindung zwischen ihnen. Außerdem liebte sie Kinder.
»Wann gehen wir?«, fragte Patricia jetzt in erwartungsvollem Ton in ihre Gedanken hinein.
Sie musste lächeln. »Sobald Dr. Brunner es dir erlaubt.«
*
Drei Tage nach Michaelas Besuch in der Miniklinik hielt Patricia beim Anblick der Tiger, die mit lautlosen und geschmeidigen Bewegungen wie schwerelos durch die Feuerreifen sprangen, den Atem an. Ihre Hand lag fest in der von Michaela.
»Tun die sich nicht weh?«, flüsterte sie aufgeregt.
»Nein, sonst würden sie diese Übung ganz bestimmt verweigern«, beruhigte Michaela sie. »Sie scheinen sogar Spaß daran zu haben.«
Mit riesengroßen Augen verfolgte Patricia die Darbietung der sechs Raubkatzen. Weniger aufregend, dafür aber umso lustiger wurde es dann, als der Clown die Manege betrat. Patricia bog sich vor Lachen, als dieser sich wie ein Steh-Auf-Männchen immer wieder rücklings in den Sand fallen ließ. Und als schließlich eine Schimpansenfamilie das Publikum zu einem Lied anregte, sang die Kleine fröhlich und aus voller Kehle mit.
Michaela hatte ihre helle Freude daran, wie unbeschwert und glücklich Patricia war. Mit vor Aufregung geröteten Wangen verließ sie schließlich an ihrer Hand die Manege.
»Hast du Lust auf eine heiße Schokolade?«, fragte Michaela ihre kleine Freundin. »Ich kenne hier ein Café, da schmeckt sie besonders gut.«
Mit leuchtenden Augen stimmte Patricia begeistert zu.
So schlenderten die beiden ein paar Minuten später Hand in Hand über die Hauptstraße der kleinen Kreisstadt. An diesem Tag war es kühler als an den vorhergehenden. Es wehte ein frischer Wind, sodass der heiße süße Kakao besonders gut schmeckte. Die beiden saßen in dem Café an einem Fenstertisch, auf dessen Bank eine Kiste mit Malblöcken und Malstiften stand. Wie hätte Patricia da widerstehen können?
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