Hai bremste ab und warf sich zurück. Da er noch nie im Leben einen aufgespannten Regenschirm gesehen hatte, war seine Überraschung durchaus verständlich.
Mißtrauisch drehte der Hai ab und sah sich nach seinen beiden Partnern um, die ebenfalls bremsten. Auch sie wußten mit diesem Regenschirm nichts anzufangen. Sie schauten erwartungsvoll zu ihrem größeren Partner hinüber und schienen darauf zu warten, daß er dieses schwarze Rätsel löste.
Der Großhai fühlte sich in seiner Ehre empfindlich verletzt, zumal sein Ansehen auf dem Spiel stand. Er konnte es sich einfach nicht leisten, vollends abzudrehen. Solch ein Rückzug hätte sich in seinen Kreisen sehr schnell herumgesprochen.
Er fuhr also einen zweiten Angriff. Und diesmal war er fest entschlossen, sich nicht noch einmal bluffen zu lassen. Er nahm sich vor, den kreisrunden schwarzen Gegenstand einfach zu rammen.
Nach einem schnellen, prüfenden Blick auf seine beiden abwartenden Begleiter brachte er sich entschlossen in Fahrt. Und erneut glich er einem stählernen Torpedo, den nichts mehr zu halten vermochte.
Der Hai visierte den kreisrunden, schwarzen Gegenstand an und ging zum Rammen über. Diesmal, das fühlte er leichtsinnigerweise, konnte gar nichts schiefgehen.
Er erlebte eine äußerst peinliche Überraschung.
Seine Nase hatte das schwarze Ziel fast erreicht, als plötzlich aus dem Zentrum der schwarzen Scheibe heraus ein langer, wippender Gegenstand hervorschoß. Eine rasiermesserscharfe, nadelspitze Stahlspitze bohrte sich in seine empfindliche Nasenpartie.
Der Hai gurgelte erschreckt, zog das Höhensteuer und schoß über den oberen Rand des kreisrunden schwarzen Gegenstandes hinauf zur Wasseroberfläche. Er zog einen dünnen Blutfaden hinter sich her.
Die beiden abwartend zurückgebliebenen Hai staunten nicht schlecht. Sie hatten sich bereits in Bewegung gesetzt, doch als sie ihren Anführer abziehen sahen, hielten sie sich schnell zurück und beratschlagten miteinander.
Sie kamen innerhalb weniger Sekunden überein, es mit einem massiven Angriff zu versuchen. Sie wollten ihrem Anführer beweisen, daß dieses Problem durchaus zu lösen war.
Sie begannen mit einem kleinen Täuschungsmanöver, setzten sich ein paar Meter ab, warfen sich dann entschlossen herum und rauschten heran. Für sie war der Fall bereits gelaufen, wie Menschen sich möglicherweise ausgedrückt hätten. Für sie war die Beute bereits geschafft.
Doch auch sie erlebten eine herbe Überraschung.
Der schwarze, kreisrunde Gegenstand war nicht mehr existent. Er schien sich im Wasser aufgelöst zu haben. Dafür sahen die beiden angreifenden Haie die Beinpaare von zwei im Wasser treibenden Menschen. Ein besseres Ziel hätten sie sich gar nicht vorstellen können. Im Wasser treibende Menschen waren für sie kein Problem.
Doch als sie die beiden Beinpaare fast erreicht hatten, da blähte sich erneut der schwarze, kreisrunde Gegenstand auf. Und aus dem Zentrum dieser schwarzen Scheibe schoß ein langer, wippender, rasiermesserscharfe Degen.
Einer der beiden Haie wurde empfindlich oberhalb der linken Brustflosse aufgeschlitzt. Der Hai drehte sofort ab und ergriff die Flucht. Schließlich kannte er ja die Gier seiner Artgenossen.
In schneller Fahrt lief er ab, um sich irgendwo zwischen den Riffen der kleinen Inseln zu verstecken. Der zweite Hai setzte ihm nach. Ihm saß noch der Schreck in den Gliedern. Er war davon überzeugt, daß Flucht der bessere Teil der Tapferkeit war.
Die beiden mittelschweren Haie verschwanden also, doch der Haupthai wollte noch nicht aufstecken. Der Stich in die Nase hatte ihn bis zum äußersten gereizt. Um sein Prestige zu pflegen, versuchte er es mit einem Überraschungsangriff. Diesmal konzentrierte sich sein Eifer auf die hellen Hosen, die neben dem dunklen, kreisrunden Gegenstand im Wasser paddelten.
Er setzte die List langjähriger Erfahrung ein. Diesmal wollte er wie ein Pfeil von tief unten her nach oben schießen und zuschnappen. Der Haupthai konzentrierte sich. Dann zischte er los, als sei er von einem Katapult befördert worden.
Diesmal war der Hai so schnell, daß er seine Fahrt nicht mehr zu bremsen vermochte. Gierig riß er sein Maul auf. Genußvoll schloß er die Augen. Dann schlossen sich seine Kiefer. Und gleichzeitig spürte er, daß er seine Beute zwischen den Zähnen hatte.
Er biß kraftvoll zu.
Und bekam heftige Zahnschmerzen.
Seine Zähne schrammten und splitterten auf einer Halbkugel herum, die aus Stahlblech zu bestehen schien. Der getäuschte Hai spuckte den unverdaulichen Brocken hastig aus, verschluckte sich und raste, geplagt von heftigen Zahnschmerzen, davon. Sein Bedarf war, wie es so treffend heißt, restlos gedeckt. Er erinnerte sich plötzlich jener Haifänger, die diese Gewässer unsicher machten. Wahrscheinlich hatten diese Menschen sich neue Köder ausgedacht.
Wild vor Wut und Gier folgte er der Blutspur, die die beiden anderen davonzischenden Haie hinterlassen hatten. Sie führte hinüber zu einem nahen Riff. Die Blutwitterung wurde immer stärker und frischer. Der Hai wußte längst, daß sie von einem Artgenossen stammte, doch das störte ihn nicht weiter. Er wollte morden. Um jeden Preis!
»Erinnern Sie mich daran, Parker, daß ich später noch vor Angst zu zittern habe«, sage Mike Rander wasserspuckend. »Im Moment habe ich keine Zeit dazu.«
Der junge Anwalt trieb neben seinem Butler im Wasser und sah der davonjagenden Dreiecksflosse des Haies nach. Parker nickte zur Bestätigung der gehörten Worte und faltete dann sorgfältig seinen altväterlichen Universal-Regenschirm zusammen, der den Hai in die Flucht geschlagen hatte. Anschließend bemühte er sich um seine zerschrammte und angeknabberte Melone, die der Hai als unverdaulich ausgespuckt hatte. Die Melone sah noch recht ansehnlich aus. Parker konnte sie ohne weiteres wieder aufsetzen, was er wegen der sengenden Sonne auch tat.
»Rechnen Sie mit weiteren Raubfischen?« erkundigte sich Mike Rander.
»Weniger mit weiteren Fischen, Sir, als vielmehr mit der Rückkehr der Gangster«, antwortete der Butler und warf einen interessierten Blick in die Runde.
»Weit und breit nichts mehr zu sehen«, sagte Mike Rander, der sich ebenfalls umgesehen hatte. »Haben Sie ein Patentrezept, Parker, wie wir schleunigst aus dem Wasser kommen?«
»Verflixt, wie kommen wir aus dieser Wasserwüste wieder heraus«, schimpfte Rander. Er sah sich nervös in der Runde um und fügte hinzu: »Sind Sie sicher, daß die Haie sich auch wirklich verzogen haben?«
»Im Augenblick ist mit weiteren Belästigungen wohl kaum zu rechnen, Sir.«
»Keine Insel in der Nähe?«
»Ich sehe einige kreisende Vögel über dem Horizont.«
»Ich sprach von einer Insel, nicht von Vögeln«, gab Rander zurück, nachdem er wieder einmal Wasser gespuckt hatte.
»Wo kreisende Vögel sind, Sir, ist auch mit einem mehr oder weniger großen Eiland zu rechnen.«
»Na schön, setzen wir uns in Bewegung«, schlug der Anwalt vor. »Hoffentlich kreuzen wir keine Wasserstraße der Haie.«
Die beiden Männer, mochten sie äußerlich auch noch so ungleich sein, steckten selbstverständlich nicht auf. Gewiß, sie hatten einiges Pech gehabt, doch im Grunde konnte sie so etwas kaum aus dem seelischen Gleichgewicht bringen. Dazu waren sie viel zu trainiert, dazu hatten sie sich schon in ganz anderen Situationen befunden.
Parker übernahm die Führung und schwamm los. Mike Rander schloß sich seinem Butler an und mußte bald feststellen, daß Josuah Parker auch im Wasser ein einsamer Meister war. Trotz der hinderlichen Kleidung, die Parker natürlich nicht abgestreift hatte, entwickelte er ein Tempo, das Rander die Luft nahm.
Parker fand sehr schnell heraus, daß er sein Tempo drosseln mußte. Er paßte sich der Geschwindigkeit seines jungen Herrn etwas besser an. Rander entledigte sich der Oberkleidung und war einer ersten Erschöpfung nahe, als nach gut einer Stunde endlich vor ihnen die vagen Umrisse einer Insel zu erkennen waren.
»Ist das die