Friederike von Buchner

Toni der Hüttenwirt 252 – Heimatroman


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Wir hatten noch einige Hühner, Hasen, eine Katze und einen alten Hund. Als die Katze und der Hund nicht mehr waren, wollte mein Vater keine Tiere mehr.«

      »Du solltest dir einen Hund und oder eine Katze zulegen. Rede doch mal mit Beate! Als Tierärztin weiß sie immer, wenn Tiere ein neues Zuhause suchen.«

      Statt einer Antwort zuckte Rosel mit den Schultern.

      Martin seufzte innerlich, ließ sich aber nichts anmerken. Sie folgt immer noch den Wünschen ihres verstorbenen Vaters, dachte er.

      »Rosel, um des gleich klarzustellen, das ist kein Hausbesuch. Es ist ein Freundschaftsbesuch.«

      Er rieb sich das Kinn.

      »Genauer gesagt, habe ich eine Frage, verbunden mit einer Bitte. Ich belästige dich damit, weil ich sonst keine Möglichkeit sehe. Ich kann mir denken, dass es für dich eine Umstellung wäre. Es ist auch nicht für lange, nur bis ich für Lena und ihre Mutter, Julia, eine Ferienwohnung gefunden habe. Es ist Hochsaison und alles belegt. Wenn die Schulferien in zwei Wochen zu Ende gehen, werden die Belegungszahlen zurückgehen. Ich werde morgen einen Zettel im Wartezimmer aushängen und bin sicher, dass ich ein Quartier finden werde, das auch nicht so teuer ist. Toni und Anna würden die beiden sofort auf der Berghütte aufnehmen. Aber für die kleine Lena wäre der Weg zur Oberländeralm herunter und wieder hinauf zu anstrengend. Und ich schaffe es zeitlich wohl nicht, fast täglich meine Runde der Hausbesuche auf die Berghütte auszudehnen. Lena braucht noch ärztliche Betreuung.«

      An Rosels Blick erkannte Martin, dass er ihr Interesse geweckt hatte. Sie wusch sich die Hände, holte zwei Bier und zwei Gläser und bat Martin, sich zu setzen.

      »Rosel, du bist die Einzige hier im Ort, die ich noch fragen kann. Du hast das große Haus. Lena ist ein stilles kleines Mädchen. Ihre Mutter soll eine ganz liebe junge Frau sein. Persönlich kenne ich die beiden nicht. Mein Studienfreund Felix Linder ist Kinderarzt in München und hilft an den Wochenenden in einer Kinderklinik außerhalb aus. So ist er auf das Schicksal von Lena und ihrer Mutter aufmerksam geworden. Er meint, Julia sei sehr bescheiden und ruhig. Sie würden dir keine Mühe machen.«

      »Wie alt ist das kleine Mädchen?«, frage Rosel.

      »Lena ist sechs geworden. Sie geht aber erst nächstes Jahr in die Schule. Die Zeit braucht sie auch, um sich noch besser zu erholen.«

      »Was ist mir ihr?«, fragte Rosel.

      Martin seufzte.

      »Es ist schlimm, was Julia und Lena zugestoßen ist.«

      Martin trank einen Schluck Bier.

      »Am besten hole ich weiter aus. Ich erzähle es dir so, wie ich es von Felix weiß.«

      Rosel nickte ihm zu.

      »Also, Lenas Vater hatte einen schweren Autounfall und starb nach einer Zeit im Koma. Das war vor ungefähr achtzehn Monaten.

      Danach hatten Julia und Lena nicht nur den Verlust des Ehemanns und des Vaters zu bewältigen, sondern noch viel mehr. Sie verloren das Haus. Julias Mann besaß eine Firma gemeinsam mit einem Partner. Für diese Firma hatte Julias Mann mit seinem Elternhaus, in dem er mit Julia und Lena wohnte, gebürgt. Es stellte sich heraus, dass dieser Partner der krumme Geschäfte gemacht hatte. Dafür wurden sie haftbar gemacht. Sie mussten alles verkaufen und aus dem Haus ausziehen. Zum Glück fand sich ein Käufer und die Schulden waren beglichen. Aber es blieb nichts für einen guten Neuanfang übrig. Julia, die plötzlich mittellos war, zog mit Lena in eine winzige Dachwohnung in München und ging auf Arbeitssuche. Sie bekam immer nur Aushilfsstellen und schlug sich so durch. Das blieb nicht in den Kleidern, wie man sagt. Julia brach mehrmals vor Erschöpfung zusammen und ist bis heute krankgeschrieben. Es ist das Herz. Sie ist nicht belastbar. Während sie in der Klinik lag, war Lena in einem Heim untergebracht. Sie lief von dort fort, wollte zu ihrer Mutter ins Krankenhaus und kam unter ein Auto. Lena hatte innere Verletzungen und Brüche an Armen und Beinen. Heute ist alles verheilt. Aber das Madl ist noch schwach von der langen Liegezeit im Kinderkrankenhaus. Dazu kommt der seelische Stress, aus den Lebensumständen. Die Krankenkasse bewilligte nur eine kurze Kur. Das war viel zu wenig. Ihre Mutter hat Tag und Nacht an Lenas Bett gewacht, trotz ihres eigenen schlechten Gesundheitszustands. Beide sind sehr blass und geschwächt. Mein Studienkollege meinte, dass gute Bergluft den beiden gut tun würde. Katja und ich wären sofort bereit, sie aufzunehmen. Aber das kleine Mädchen will bestimmt nicht bei einem Arzt wohnen. Es war lange genug im Krankenhaus. Ich halte es auch für besser, wenn sie irgendwo ist, wo es nicht nach Praxis riecht. Sie kann zwar wieder gehen, aber ich will sie nicht auf der Berghütte unterbringen, bevor ihr es nicht noch besser geht.«

      Martin holte Luft.

      »Rosel, da kam mir die Idee, dich zu fragen. Ich erwarte jetzt von dir keine Antwort. Ich will, dass du dir das in Ruhe überlegst. Denke darüber nach und gib mir die Tage Bescheid. Ich bin dir auch nicht böse, wenn du ablehnst. Schließlich gibt es auf deinem Hof keine Ferienwohnungen.«

      »Nein, die gibt es nicht. Aber es gibt immer noch das Altenteil. Das hat zwei Zimmer, eine Küche und ein Badezimmer. Das könnte ich herrichten. Es würde einige Tage dauern, bis ich alles saubergemacht habe.«

      Rosel lächelte Martin an.

      »Martin, ich muss nicht lange überlegen. Ich nehme die beiden gern auf. Ich bin froh, wenn ich helfen kann.«

      »Das freut mich, vielen Dank, Rosel! Was denkst du, wie viel Miete du verlangst?«

      »Martin, darauf kommt es mir nicht an. Die Räumlichkeiten stehen ohnehin leer. Ich helfe gern. Du weißt, dass ich finanziell gut abgesichert bin. Ich kann ruhig etwas abgeben an jemanden, dem das Schicksal nicht so gnädig war. Also, sage deinem Studienkollegen, die beiden sind mir herzlich willkommen!«

      »Du bist ein guter Mensch, Rosel. Danke und Vergelt’s Gott. Du musst mir dann nur noch Bescheid geben, ab wann Julia und Lena kommen können. Entweder bringt sie mein Freund Felix her oder ich hole die beiden. Ich muss gestehen, dass Felix noch nicht mit Julia darüber gesprochen hat. Er ist sich nicht sicher, wie sie es aufnimmt. Aber sie ist eine gute und liebevolle Mutter und wird bestimmt herkommen, weil die Bergluft Lena guttut.«

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