Günter Dönges

Der exzellente Butler Parker 29 – Kriminalroman


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Der exzellente Butler Parker – 29 –

      Dichter Regen klatschte gegen die Windschutzscheibe. Josuah Parker, der Mylady von den Edinburgher Opernfestspielen ins heimatliche London zurückchauffierte, saß schon seit Stunden am Steuer. Seine Konzentration ließ auch unter widrigen Umständen keine Sekunde nach. Deshalb nahm er unverzüglich den Fuß vom Gaspedal, als die merkwürdig vermummte Gestalt im Lichtkegel der Scheinwerfer auftauchte.

      »Das ist mit Sicherheit eine Falle, Mister Parker«, meldete sich Agatha Simpson über die Sprechanlage, die den schußsicher verglasten Fond mit dem Fahrersitz verband.

      »Ein Verdacht, der keineswegs von der Hand zu weisen sein dürfte, Mylady«, pflichtete der Butler seiner Herrin bei.

      »Trotzdem werde ich halten und der Sache auf den Grund gehen, Mister Parker«, entschied die passionierte Detektivin. »Niemand soll mir nachsagen können, ich wäre einer Gefahr ausgewichen.«

      Der Mann, der wie ein Hase auf dem Grünstreifen herumhüpfte, um auf sich aufmerksam zu machen, bot einen erbärmlichen Anblick. Er war nicht nur bis auf die Haut durchnäßt, sondern an Händen und Füßen gefesselt. Mit wilden Verrenkungen mühte er sich, den Jutesack abzuschütteln, der über seinen Oberkörper gestreift war...

      Mit seinen Nachtvogelaugen versuchte Parker die schwarze Finsternis links und rechts der Straße zu durchdringen, ehe er das Fahrzeug verließ. Anzeichen, die auf einen Hinterhalt gedeutet hätten, vermochte er nicht zu entdecken. Auch die geheimnisvolle innere Stimme, die ihn schon oft vor tödlichen Gefahren gewarnt hatte, blieb stumm.

      Würdevoll, als hätte er einen Ladestock verschluckt, schritt der Butler im Regen auf den Unbekannten zu. Rasch befreite er ihn von Sack und Fesseln und half ihm auf den Beifahrersitz.

      »Gott sei Dank!« schnaufte der Fremde, sobald er sich auch noch des zusammengeknüllten Taschentuchs entledigt hatte, das als Knebel in seinem Mund steckte.

      »Darf man die Hoffnung äußern, daß Sie körperlich unversehrt sind?« erkundigte sich Parker.

      »Danke, es geht schon wieder«, antwortete der Mann und massierte seine Handgelenke, die noch die Spuren der Fesseln zeigten. »Wenn ich die verdammten Halunken erwische, breche ich ihnen jeden Knochen einzeln.«

      Trotz seines bulligen Körperbaus und seiner martialischen Äußerung erweckte der Unbekannte nicht den Eindruck eines brutalen Schlägers. Obwohl er vor Wut schäumte, wirkten die hellblauen Augen im sommersprossigen Gesicht eher freundlich und verständnisvoll.

      »Möglicherweise darf man erfahren, wer die Herren sind, die Sie auf so wenig schmeichelhafte Weise zu titulieren belieben«, äußerte Parker in seiner manchmal etwas umständlichen Art.

      »Wenn ich bloß wüßte, wer die Gangster sind«, knurrte der Sommersprossige. »Auf jeden Fall sind sie mit meinem Lastwagen auf und davon.«

      »Ein Umstand, den man nur bedauern kann, Mister ...«

      »Fields. Marvin Fields«, nannte der Mann seinen Namen.

      »Darf man fragen, wie lange Sie bereits am Straßenrand ausharren mußten, Mister Fields?« wollte der Butler wissen.

      »Zum Glück nur ein paar Minuten«, erwiderte der etwa Fünfundvierzigjährige. »Weit können die Burschen nicht sein.«

      »Unter diesen Umständen dürfte eine Verfolgung noch gewisse Aussichten auf Erfolg haben«, bemerkte Parker und wandte sich mit einem fragenden Blick an seine Herrin.

      »Eine Verfolgung wollte ich auch gerade anordnen, Mister Parker«, nickte Lady Agatha eifrig und ließ ihren perlenbesticken Pompadour wippen. »Ich werde die Lümmel stellen und ihnen eine Lektion erteilen, die sie ihr Leben lang nicht vergessen.«

      »Ein Vorsatz, der Myladys beeindruckende Tatkraft aufs neue dokumentiert«, entgegnete der Butler, legte mit unbewegter Miene den ersten Gang ein und gab seinem hochbeinigen Monstrum die Sporen.

      Früher hatte das altertümlich wirkende Gefährt mal brave Dienste als Taxi geleistet. Seit Parker den Wagen erworben und nach seinen Vorstellungen umgebaut hatte, war daraus jedoch eine »Trickkiste auf Rädern« geworden, die über schußsichere Panzerung, ein leistungsstarkes Zusatztriebwerk und diverse Einrichtungen zur Abwehr von Verfolgern verfügte.

      *

      »Ich kam mit einer Ladung Whisky aus Aberdeen und hatte meinen Laster auf dem Parkplatz neben der Raststätte bei Darlington abgestellt, um im Führerhaus ein paar Stunden zu schlafen«, berichtete Fields, während das schwarze Vehikel mit aufgeblendeten Scheinwerfern und gleichmäßig brummender Maschine über die leere Landstraße jagte.

      »Plötzlich wurde ich wach, als zwei Kerle mich packten und mir einen Wattebausch unter die Nase preßten«, fuhr der Mann auf dem Beifahrersitz fort. »Ich verlor das Bewußtsein und kam erst wieder zu mir, als ich gefesselt und geknebelt auf der Ladefläche lag. Kurz darauf hielten die Burschen an, warfen mich in den Straßengraben und fuhren weiter.«

      »Sagten Sie Whisky, junger Mann?« erkundigte sich Agatha Simpson unvermittelt.

      »Bester schottischer Whisky, Madam«, erwiderte Fields mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme. »Vierzig Paletten. War alles für eine Londoner Exportfirma bestimmt.«

      »Vierzig Paletten?« wiederholte die ältere Dame. »Sie wollten wohl Flaschen sagen, mein Lieber.«

      »Unter Paletten versteht man im Transportgewerbe stabile Holzgestelle, auf denen eine größere Anzahl Kartons oder entsprechendes Versandgut gestapelt werden kann«, erläuterte Parker beiläufig. »Beim Be- und Entladen mit Gabelstaplern bieten Paletten entscheidende Vorteile, falls dieser Hinweis gestattet ist.«

      »Dachten Sie, das wüßte ich nicht, Mister Parker?« reagierte die passionierte Detektivin gereizt.

      »Nie würde meine Wenigkeit es wagen, Mylady Wissenslücken zu unterstellen«, versicherte der Butler in seiner unbeirrbaren Höflichkeit.

      »Wie auch immer«, kam Agatha Simpson zielstrebig zum Thema zurück. »Wie viele Flaschen haben Sie denn auf so eine Palette gestapelt, Mister Fields?«

      »Das sind jeweils zwanzig Kartons à zwölf Flaschen, macht zweihundertundvierzig Flaschen pro Palette«, rechnete der Lastwagenfahrer vor.

      »Also neuntausendsechshundert Flaschen«, ergänzte Lady Agatha, die sich auf ihr Kopfrechnen etwas zugute hielt.

      »Sie wollen es aber genau wissen, Madam«, schmunzelte Fields.

      »Wenn ich den Fall übernehme, muß ich zunächst den präzisen Sachverhalt ermitteln«, belehrte Mylady ihren Mitfahrer. »Meine Fragen stelle ich natürlich aus rein dienstlichem Interesse.«

      »Sie sind Detektivin, Madam?« fragte der Sommersprossige entgeistert.

      »Sie haben es erraten, junger Mann«, bekräftigte Agatha Simpson. »Sie dürfen sich darüber hinaus glücklich schätzen, daß mein kriminalistischer Instinkt mich zu Ihnen geführt hat.«

      »Das war ja wohl eher ein Zufall«, wandte Fields ein, der die Empfindlichkeit der älteren Dame noch nicht kannte.

      »Zufall?« grollte Mylady. »Bei mir gibt es keine Zufälle, junger Mann. Außerdem muß ich Sie dringend davor warnen, mich zu beleidigen. In solchen Fällen werde ich ausgesprochen ungemütlich, wie Mister Parker Ihnen bestätigen kann.«

      »Schon gut, Mylady«, lenkte Marvin Fields ein. »War ja nicht so gemeint. Glauben Sie denn, daß wir die Burschen, die meinen Laster geklaut haben, noch kriegen?«

      »Ohne Zweifel«, stellte Agatha Simpson fest. »Mein Konzept steht bereits. Doch davon später. Auf jeden Fall werden Sie Ihren Lastwagen zurückbekommen, Mister Fields.«

      »Wenn’s nur die alte Karre wäre«, entgegnete der Fernfahrer. »Damit ist sowieso kein Staat mehr zu machen.«

      »Demnach kann und muß man davon ausgehen, daß die Unbekannten das Fahrzeug um der Ladung willen gestohlen haben, Mister Fields?« schaltete Parker sich wieder ein.

      »Sollte man meinen«, erwiderte der Lastwagenfahrer zögernd. »Aber woher wußten die Burschen, was ich geladen hatte?«

      »Darf man Ihre Äußerung