Günter Dönges

Der exzellente Butler Parker 9 – Kriminalroman


Скачать книгу

Minderwertigkeitskomplex zu meinen geruhen?« vergewisserte sich der Butler.

      »Nichts anderes, Mister Parker«, behauptete Agatha Simpson. »Jedenfalls ist das der Grund, warum der gute McWarden sich sofort angegriffen fühlt. Wenn ich genauso wäre wie er – ich hätte bestimmt auch so einen Minder ... so einen Perplex.«

      »Zu Myladys hervorstechendsten Eigenschaften gehört es, nicht im geringsten von Minderwertigkeitskomplexen angekränkelt zu sein«, stellte der Butler durchaus zutreffend fest.

      »Das ist das Geheimnis meines Erfolgs, Mister Parker«, antwortete die Detektivin geschmeichelt. Sie nahm die Bemerkung einfach als Kompliment.

      »Darf man möglicherweise davon ausgehen, daß Myladys Ermittlungen bereits in eine bestimmte Richtung weisen?« wechselte Parker das Thema. Er hatte inzwischen sein schwarzes, eckiges Gefährt aus dem Parkhaus gelenkt und fädelte sich in den abendlichen Cityverkehr ein.

      »Natürlich habe ich einen konkreten Verdacht«, behauptete Lady Agatha postwendend. »Doch davon später, Mister Parker. Ehe ich mich konkret äußere, möchte ich mein taktisches Konzept bis in die Feinheiten ausarbeiten.«

      »Ein gewiß verständlicher Wunsch, Mylady«, bestätigte der Butler höflich, während er das heimische Shepherd’s Market ansteuerte. »Vermutlich haben Mylady aber bereits konkrete Schritte erwogen?«

      »Morgen früh werde ich zu den Vernehmungen schreiten«, kündigte die resolute Dame an. »Heute abend muß ich unbedingt noch ein Stündchen an meinem Drehbuch arbeiten. Und eine kleine Meditation habe ich mir auch vorgenommen. Ganz zu schweigen von dem schon erwähnten taktischen Konzept, das der Vollendung harrt. Sie sehen, ich bin ausgelastet, Mister Parker.«

      »Bisweilen scheinen Myladys Leistungen ans Übermenschliche zu grenzen«, ergänzte der Butler und hatte dabei vor allem gewisse Fähigkeiten im Sinn, die seine Herrin bei ihrer Diät offenbarte.

      Kurz darauf ließ Parker sein hochbeiniges Monstrum in die stille Seitenstraße rollen, an der Agatha Simpson ein zweistöckiges Fachwerkgebäude repräsentativen Zuschnitts bewohnte. Inmitten des hektischen Getriebes der Millionenstadt an der Themse bildete das Areal im Stadtviertel Shepherd’s Market eine liebenswerte Oase der Ruhe.

      »Und bringen Sie mir noch ein kleines Stärkungsmittel, Mister Parker«, wünschte Lady Agatha, ehe sie über die geschwungene Freitreppe ins Obergeschoß entschwand. »Die ständigen Londoner Wetterumschwünge richten meinen sensiblen Kreislauf noch zugrunde.«

      Parker trug eine Flasche mit erlesenem altem Kognak hinauf und zog sich mit höflicher Verbeugung zurück.

      Als Minuten später in Myladys Studio die ersten Schüsse fielen, wußte er sofort, daß seine Herrin zu den gestapelten Videokassetten gegriffen hatte, mit denen er sie täglich versorgen mußte.

      Fiel die Abendgestaltung nun unter die Rubrik »Arbeit am Drehbuch«, oder handelte es sich eher um Myladys spezielle Methode von Meditation? Hoffte sie vielleicht, dem Kriminalstreifen Anregungen für ihr taktisches Konzept entnehmen zu können?

      Der Butler hatte sich derlei Fragen seit Jahren abgewöhnt. Ihn beschäftigten andere Gedanken, als er würdevollen Schrittes die Küche ansteuerte, um Vorbereitungen für das Frühstück zu treffen.

      *

      Die Zeiger der pompösen Standuhr in Myladys weitläufiger Wohnhalle rückten auf Mitternacht zu, als Parker die Küche verließ, um noch einen Kontrollgang durchs Haus zu unternehmen. Der Fernseher im Obergeschoß war verstummt. Nur Schnarchgeräusche, die ab und zu die Stille durchbrachen, zeugten von der Anwesenheit der Hausherrin.

      Gerade wollte der Butler seine privaten Räume im Souterrain ansteuern, als das Telefon in der Diele schrillte.

      »Hier bei Lady Simpson.«

      »Mister Parker? Gut, daß ich Sie noch erreiche.« McWardens Stimme klang nervös und abgespannt. »Ich bin eben erst aus diesem verdammten Kino in mein Büro zurückgekehrt.«

      »Darf man fragen, ob ihre Ermittlungen vor Ort erfolgversprechend verlaufen sind, Sir?«

      »Im Gegenteil, Mister Parker«, gestand der Chief-Superintendent kleinlaut. »Dabei ist das schon der vierte Fall innerhalb weniger Wochen.«

      »Kann und muß man Ihre Äußerung so verstehen, daß es sich um eine Serie von Überfällen handelt, für die ein und derselbe Täterkreis in Frage kommt, Sir?«

      »Die Vermutung liegt auf der Hand«, bestätigte McWarden und nannte drei Lichtspieltheater, die in den letzten Wochen auf ähnliche Weise heimgesucht worden waren. »Aber bisher gibt es nicht mal eine heiße Spur. Wir können nun rätseln, welches Kino demnächst an die Reihe kommt. Ich dachte, Sie wären vielleicht schon ein Stück weiter, Mister Parker.«

      »Darf man erfahren, worauf Sie diese Annahme gründen, Sir?«

      »Mir können Sie nichts vormachen, Mister Parker«, schlug der Chief-Superintendent einen vertraulichen Ton an. »Sie ermitteln doch auch in der Sache. Ihrer Herrin glaube ich kein Wort.«

      »Meiner Wenigkeit steht es nicht zu, Myladys Äußerungen auch nur im geringsten anzuzweifeln oder zu korrigieren, Sir.«

      »Zum Teufel mit Ihrer verdammten Höflichkeit!« McWarden schien gereizt. »Vielleicht wollen Sie auch noch behaupten, Sie wären zufällig am Tatort gewesen?«

      »Genauso verhält es sich, Sir«, versicherte Parker würdevoll und gemessen. »Mylady nahm lediglich eine Einladung zur Premiere des vielgerühmten Filmes wahr, falls der Hinweis erlaubt ist.«

      »Das können Sie Ihrer Großmutter erzählen«, schrie McWarden ins Telefon. Mit seiner Beherrschung war es vorbei. »Zumindest haben Sie den Polizeifunk abgehört. Und das ist verboten.«

      »Ein Umstand, der meiner Wenigkeit durchaus geläufig ist, Sir«, entgegnete der Butler in seiner unbeirrbaren Höflichkeit.

      »Wir sprechen uns noch«, fauchte der Yard-Beamte. »Auf den Arm nehmen kann ich mich selbst.«

      »Eine solche Leistung würde selbst durchtrainierten Sportlern uneingeschränkten Respekt abnötigen, Sir«, bemerkte Parker, doch McWarden war nicht zu Scherzen aufgelegt. Er stieß kaum verständliche Laute aus, ehe er den Hörer in die Gabel knallte.

      *

      »Mylady erhoffen sich von der Vernehmung des Kinobesitzers gewisse Hinweise auf die Identität der Räuber?« erkundigte sich Parker. Er saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und chauffierte Agatha Simpson zu dem Kino in der Innenstadt, das sie am Abend zuvor besucht hatten.

      »Der Mann nimmt eine wichtige Schlüsselstellung in meinem Ermittlungskonzept ein«, nickte die Detektivin. »Er wurde von den Ganoven niedergeschlagen. Also muß er sie aus der Nähe gesehen haben. Können Sie mir folgen, Mister Parker?«

      »Myladys Gedankengänge sind von einer bestechenden Klarheit, falls die Anmerkung erlaubt ist«, ließ der Butler sich vernehmen. »Vermutlich haben Mylady auch bedacht, daß die Herren Räuber maskiert waren.«

      »Selbstverständlich habe ich das bedacht, Mister Parker«, schwindelte Agatha Simpson geistesgegenwärtig. »Aber immerhin hat der Kinobesitzer die Lümmel im Hellen gesehen, während es im Saal stockdunkel war.«

      »Auch bei Licht dürfte es kaum möglich sein, ein Gesicht hinter einer Strumpfmaske zu erkennen«, gab Parker zu bedenken.

      »Wenn Sie gestern einen der dreisten Lümmel gestellt hätten, Mister Parker, hätte ich diesen ermittlungstechnischen Umweg über den Kinobesitzer nicht nötig«, konterte die Detektivin. »Ein kurzes Verhör, und der Bursche hätte mir alles über seinen Auftraggeber verraten.«

      »Myladys Vernehmungsmethoden sind in der Tat ohne Beispiel«, erklärte Parker mit einer angedeuteten Verbeugung. Er wollte seine Herrin nicht noch mal darauf hinweisen, wer ihn gehindert hatte, sich einen der Ganoven zu schnappen.

      Zu dieser Vormittagsstunde herrschte wenig Verkehr in der City. Parker fand sogar einen Parkplatz unmittelbar vor dem Kino. Gemächlich