entlangreiten sehen. Seitdem beobachteten sie Tudor jeden Tag.
Sie hatten den Zaun auf eine Länge von sechshundert Schritt niedergelegt, den Draht zerschnitten und die Pfosten umgerissen.
»Wie der vorsichtig ist«, sagte Larger. »Jetzt reitet er auf unser Land, der Hund, der blöde. Er kommt.«
*
Als Larger mit seinen gewaltigen Körperkräften nach hinten flog, hob sich das Seil aus dem Sand.
Sie hatten das Seil geschickt abgedeckt, und Larger erwischte genau den richtigen Moment. Tudors Pferd war mit den Vorderhufen über das Seil hinweg. Largers Zug spannte es nun, und dann passierte es auch schon.
Das Pferd strauchelte auf dem schmalen Saumpfad, stellte sich jäh hoch, als das Hindernis sich vor seine Hinterhacken legte, und drehte sich dann.
Bratt Tudor hatte sein Gewehr wieder in den Scabbard gleiten lassen, als er sein Land erreicht hatte. Beide Hände an den Zügeln, versuchte er noch, das schnell laufende Pferd zur anderen Seite zu reißen, aber es war zu spät. Die Stute knickte ein, nachdem sie sich an der Kante des Saumpfades hochgestellt hatte.
Und dann schoß sie den steilen Abfall zum Fish Creek hinunter. Es gelang Tudor noch, mit einem blitzartigen Seitenschwung aus dem Sattel zu kommen. Ehe er auf das große Kiesgeröll des Uferhanges krachte, glaubte er unter sich einen Schatten auftauchen zu sehen.
Dann überschlug sich Bratt einige Male. Ein Schlag traf seinen rechten Ellbogen, ein anderer jagte ihm gegen die Hüfte. Während er sich überschlug, hörte er einen kurzen schrillen Schrei. Die Stute wieherte dazwischen, und Tudor versuchte vergeblich, dem Pferd auszuweichen, das vor ihm wie ein riesenhafter, den Hang hinabkollernder Schatten in das trockene Bachbett fiel. Im nächsten Augenblick sah Bratt Tudor den Mann. Er sprang zwischen den großen Geröllblöcken am Ende der Gefällstrecke heraus. Dort hatte er gesteckt und war für Tudor unsichtbar geblieben, obwohl Tudor weniger als zwanzig Schritte über ihm vorbeigeritten war.
In dieser Sekunde erinnerte sich Bratt Tudor, den Mann in Reno zusammen mit dem finsteren Larger gesehen zu haben. Dann überschlug sich Tudor noch einmal. Er fiel haargenau vor den Stiefeln des Mannes zu Boden. Dann jedoch flog der Bursche mit einem schrillen Schrei zur Seite. Er wich dem mit den Hufen auskeilenden Pferd Tudors aus. Dafür sah Tudor, wie die Hufe des Pferdes herumfuhren und auf ihn zurasten. Das war das letzte, was Bratt Tudor für einige Zeit zu sehen bekam. Ein Hufschlag streifte seine Schläfe, und er fiel lautlos in sich zusammen.
»Hölle und Pest!« schrie Toddenham schrill, in dem er einen Satz zur Seite machte. »Spurfield, halte den Gaul, pack die Zügel, Mann!«
Spurfield hetzte von der anderen Seite auf das Pferd zu. Vom Hang heran kam nun Larger mit vorgestreckten, das Gleichgewicht seines schweren Körpers haltenden Armen herabgehüpft. Larger blieb neben Bratt Tudor stehen. Er starrte aus zusammengekniffenen Augen auf Tudors linken Wangenknochen, über den das Hufeisen mit seinem Stollen gejagt war. Blut lief in einem dünnen Faden aus der Schrammstelle.
»Alle Teufel«, stieß Larger verstört hervor. »Da haben wir nichts zu tun gehabt, nur das bißchen Seilanziehen, was? Fällt uns wie eine faule, stinkende Frucht vor die Stiefel. Dann wollen wir unserem Freund die Arme auf dem Rücken binden, was?«
Er sah sich nach Kyhoe um, der unbeweglich über ihnen auf dem Kamm stand und mit seinem kühlen Blick Tudor und die drei Männer betrachtete.
»Ihr habt ihn«, sagte Clay Kyhoe finster. »Das war alles, was ich wollte.«
Nach diesen Worten wandte er sich ab und ging davon.
»He, Kyhoe, was ist, warum bleibst du nicht hier?« schrie ihm Spurfield verwirrt nach. »Kyhoe, was ist, warum gehst du weg?«
»Dazu braucht ihr mich nicht, denke ich«, gab Kyhoe ohne den Kopf zu wenden zurück. »Das ist nicht meine Arbeit.«
Er ging weiter, hörte den Hufschlag gleich darauf kommen und sah Spurfield vorbeireiten, ehe er zu ihren Pferden kam. Spurfield warf Kyhoe einen nachdenklichen Blick zu.
»Hör mal, Clay«, brummte Spurfield. »Wir haben einen Befehl bekommen.«
»Das habt ihr, aber nicht ich«, murmelte Kyhoe abweisend. »Eines Tages geht Corvan zu weit, fürchte ich.
*
Larger saß im Sattel und beobachtete lauernd und schadenfroh jede Bewegung Tudors.
Sie hatten Tudor das eine Lasso um den Hals gebunden, aber einen festen Knoten gemacht. Eine Schlinge konnte sich zuziehen und Tudor erdrosseln. Diese Absicht hatten sie nicht, wohl aber die, Tudor über sein Land an den rauhesten Stellen rennen zu lassen, ehe sie sich mit ihm persönlich unterhielten. Er sollte erst am Ende seiner Kräfte sein und danach eine kleine Verschnaufpause erhalten. Aus Erfahrung wußten sie, daß ein Mann im halben Erschöpfungszustand Schmerzen doppelt und dreifach spürte. Tudor würde in einer Viertelstunde in der Hölle sein.
Jetzt hob Tudor den Kopf. Er lag auf dem Bauch, die Hände auf dem Rücken gebunden und die Beine nur angezogen.
»Na, Hungerleider?« fragte Larger höhnisch. »Da sind wir. Und dein Zaun ist hin, wie du hin sein wirst, wenn wir mit dir fertig sind. Du hättest tun sollen, was Mister Corvan dir befohlen hatte, siehst du das jetzt ein?«
Tudor rollte sich langsam herum. Er tat es geschickt und kam hoch.
Larger lachte, dann hoben sich seine Hacken. Er trat zu, daß sein Pferd vor Schmerz wieherte. Dann schoß Largers Pferd nach vorn, aber wenn Larger gedacht hatte, daß Tudor sofort hinschlagen würde, hatte er sich geirrt.
Bratt Tudor sprang mit einem gewaltigen Satz vorwärts, daß er zwischen den Pferden von Toddenham und Spurfield heraus war, ehe sich das Lasso straffen konnte. Der sehnige Bratt Tudor sprang mit ganz gewaltigen Sätzen hinter Largers Pferd her.
Plötzlich hing das Lasso durch, es schleifte über den Boden. Larger, der sich umsah, sah Tudor viel schneller, als er seinen schweren Gaul zum Galopp treiben konnte, näherkommen.
Toddenham stieß einen Fluch aus, Spurfield jagte seinem Pferd die Hacken in die Seite, aber sie kamen beide zu spät.
Tudor hetzte auf langen Beinen in raumgreifenden Sprüngen vor Toddenham und Spurfield her.
Larger schrie vor Wut, schlug auf sein Pferd ein und ließ mit der Rechten die Zügel los. In diesem Moment war Tudor bereits auf vier Schritt heran. Das Lasso baumelte über seine Brust herab, und er trat bei seinen gewaltigen Sätzen mehrmals auf das über den Boden schleifende Seil.
Es geschah so schnell, daß Toddenham und Spurfield nicht mehr eingreifen konnten. Tudor drehte sich bei einem wilden Sprung jäh seitlich, so daß sich das Seil über seine Schulter schob und plötzlich auf seinen Rücken fiel.
Spurfield sah genau, wie Tudors Hände zuschnappten. Obgleich sie gebunden waren, erwischte Tudor das Seil doch. Er schwang die Arme blitzschnell nach hinten, und Spurfield erkannte voller Schreck, daß das Seil in einer Wellenlinie hochlief. Irgendeine Bewegung von Tudors gebundenen Armen brachte das Seil dazu, sich zu einer Schlinge zu formen. Dann sauste die Schlinge unter den Hinterhacken von Largers schwerem Gaul durch.
Largers schwerer Gaul saß mit beiden Hinterhacken plötzlich in der Schlinge. Das Pferd sprang hoch, als sich die Schlinge zusammenzog. Im gleichen Moment warf sich Tudor zurück, das Seil straffte sich blitzschnell. Dann sprang Largers Gaul – und Tudors jähes Anhalten und Bremsen mit den Stiefeln riß dem Pferd die Hinterhacken glatt weg.
Largers gellender, schriller Schrei brach sich in den Steilwänden des Creekeinschnittes. Das Pferd krachte über die weggerissenen Hinterhacken zusammen. Larger flog wie von einer Riesenfaust getroffen im Bogen aus dem Sattel. Er überschlug sich in der Luft, ehe er mit dem Rücken knallhart auf die groben Steine schlug und wie tot liegenblieb.
Weder Toddenham noch Spurfield hatte eine Chance einzugreifen. Spurfield preschte nun an Tudors rechter Seite vorbei. Er hatte den Stiefel aus dem Steigbügel gezogen und trat zu, um Tudor umzustoßen, aber Tudor fiel in diesem Augenblick auch um. Der Ruck am Seil und das Herumfliegen des Pferdes