DER BISCHOF
bist nicht die Einzige
alle sündigen
Alle
Los
zieh dich aus
ausziehen
(Anna lässt ihren Überwurf runterfallen.)
Sie ist eine Hexe
Verführerin
Eine Hexe
Das Hexenkind
(Der Bischof wirft das Baby von sich.)
Der Teufel
Der Bischof steht umständlich vom Sessel auf, steigt mühsam die Treppen herunter, nimmt die Mitra ab, schleudert sie zur Seite, verlässt schnaufend den Raum. Anna stopft sich das Baby zurück in den „Bauch“ und setzt sich eine Krone mit zwölf Sternen auf den Kopf.
1. Offenbarung I
Eine neblige Landschaft.
Die schwangere Heilige Maria Mutter Gottes mit einer Krone mit zwölf Sternen auf dem Kopf steht im Nebel.
Und ein großes Zeichen erschien in dem Himmel: Eine Frau, bekleidet mit der Sonne, und der Mond war unter ihren Füßen, und auf ihrem Haupt war eine Krone von zwölf Sternen. Und sie war schwanger und schrie in Wehen und Schmerzen der Geburt.
Und es erschien ein anderes Zeichen in dem Himmel: Und siehe, ein großer, feuerroter Drache, der sieben Köpfe und zehn Hörner hatte und auf seinen Köpfen sieben Diademe; und sein Schwanz zieht den dritten Teil der Sterne des Himmels mit sich fort; und er warf sie auf die Erde. Und der Drache stand vor der Frau, die im Begriff war zu gebären, damit er, wenn sie geboren hätte, ihr Kind verschlänge.
2. In Knipperdollings Haus
ROTHMANN
Jetzt oder nie.
MATTHYS
Ich habe Jan van Leiden nach Münster berufen. Wir sollten seine Ankunft abwarten.
KNIPPERDOLLING
Nicht abwarten. Jetzt.
MATTHYS
Ich halte viel von ihm. Er ist ein Schauspieler. Er beherrscht die Massen, kraft seiner Stimme. Ich habe ihn auf der Bühne erlebt. Kaum zu bändigen.
DIVARA
Ist er einer von uns?
MATTHYS
Er will sich taufen lassen.
ROTHMANN
Jetzt ist die Zeit günstig, aus dem Verborgenen ins Öffentliche zu treten. Aus dem Dunkeln ins Licht. Aus der Stube auf den Marktplatz.
MATTHYS
Die Städter werden sich nicht trauen, sich uns öffentlich anzuschließen.
KNIPPERDOLLING
Die Münsteraner fressen Rothmann aus der Hand. Vertrau ihm.
MATTHYS
Die Täufer werden im ganzen Reich unter Todesstrafe verfolgt. Das wissen alle.
ROTHMANN
Reichsgesetze gelten nur, solange die Menschen ihnen folgen. Sobald die Mehrheit sich zum Täufertum – zum wahren Christentum, zur Erkenntnis der Heiligen Schrift bekennt und durchringt, werden die Reichsgesetze fallen.
KNIPPERDOLLING
Weg mit dem Fürstbischof!
DIVARA
Weg mit dem Antichrist Papst!
MATTHYS
Weg mit dem Klerus!
ROTHMANN
Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. DWWF. Das Wort Wird Fleisch. Hier, jetzt, mit uns.
Rothmann druckt sich den Stempel „DWWF“ auf die Stirn. Ihm folgen alle anderen. Matthys zögert. Divara bemerkt Matthys grobschlächtiges Händezittern.
DIVARA
(flüstert Matthys ins Ohr) Hör auf! Sie dürfen dir das nicht anmerken. Ein Manisch-Depressiver als oberster Prophet? (Divara drückt Matthys den „DWWF“ Stempel auf die Stirn.) DWWF.
Rothmann und Knipperdolling stimmen mit ein: DWWF!
MATTHYS
(flüstert Divara ins Ohr) In meinen euphorischen Phasen bin ich ein feuriger Ehemann –
DIVARA
(spöttisch) Das denkst du.
MATTHYS
und ein rasender Prophet! Dafür liebt mich das Volk!
(euphorisch) DWWF. DWWF. DWWF.
3. Auf dem Marktplatz
Corvinus predigt auf dem Marktplatz vor der versammelten Menge.
Die Bürgerschaft verlangt, dass Rothmann wieder in der Kirche predigen darf.
Corvinus hebt die Bibel hoch, droht mit ihr.
CORVINUS
Hütet euch aber vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber reißende Wölfe sind! An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Sammelt man auch Trauben von Dornen, oder Feigen von Disteln? So bringt jeder gute Baum gute Früchte, der schlechte Baum aber bringt schlechte Früchte. Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte bringen, und ein schlechter Baum kann keine guten Früchte bringen.
STÄDTER
Wir wollen Rothmann hören! Rothmann muss her! Lasst ihn predigen!
Rothmann mit der Gefolgschaft (Matthys, Knipperdolling, Divara) treten auf.
ROTHMANN
Was sind eure guten Früchte? Zeigt sie uns!
STÄDTER
Verfault sind deren Früchte!
STÄDTER
Ist das eine gute Frucht, dass Klöster den Gilden das Geschäft verderben!
STÄDTER
Sechstausend Webstühle im Schwesternhaus Niesinck!
STÄDTER
Und sie zahlen keine Steuern!
STÄDTER
Und von uns werden noch Abgaben an das Kloster verlangt!
STÄDTER
Pfaffenweiber sind eine Schande!
STÄDTER
Fürstbischof ist eine Schande!
STÄDTER
Klerus ist eine Schande!
STÄDTER
Blutsauger!
STÄDTER
Schmarotzer!
ROTHMANN
Was wir anstreben –
(Die Menge beruhigt sich.)
Das ist die Wiederherstellung der Verhältnisse, wie sie nach Gottes Willen eigentlich sein sollten, aber durch den Verfall der katholischen Kirche verdorben sind.
STÄDTER
Der Papst ist der Antichrist!
CORVINUS
Das sagt Luther auch, das ist nichts Neues.
ROTHMANN
Luther hat den Anfang gemacht, er ist aber nicht weit genug gegangen.
STÄDTER
Luther ist ein Schisser! Ein Arschlecker der Fürsten!