Günter Dönges

Der exzellente Butler Parker 25 – Kriminalroman


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diskretes Räuspern auf sich aufmerksam machte.

      »Ach, Sie sind das«, sagte sie erleichtert, als sie erkannte, wer da knapp außerhalb des Lichtkegels der Laterne stand. »Sie haben mir vielleicht einen Schrecken eingejagt!«

      »Man bittet in aller Form um Nachsicht«, erwiderte der Butler mit einer angedeuteten Verbeugung. »Es lag keineswegs im Bestreben meiner Wenigkeit, Sie zu erschrecken, Miß ...«

      »Flint. Polly Flint«, stellte die etwa Dreißigjährige sich vor. Sie blitzte mit kokettem Augenaufschlag und schüttelte die feuerroten Locken, ehe sie zögernd eine Frage stellte: »Sie wollen doch nicht etwa ...?«

      In seinen dezent gestreiften Beinkleidern, mit schwarzem Covercoat und Melone, den altväterlich gebundenen Schirm am angewinkelten Unterarm, machte ihr Gegenüber auf sie den Eindruck eines hochherrschaftlichen Butlers aus längst vergangenen Zeiten. Daß der alterslos wirkende Parker mit einschlägigen Wünschen zu ihr kam, schien Polly Flint unwahrscheinlich. Aber die Erfahrung hatte sie gelehrt, auch das unmöglich Erscheinende für möglich zu halten.

      »Keineswegs und mitnichten, Miß Flint«, entgegnete der Butler, ohne aus der Dunkelheit zu treten. »Man ist weit davon entfernt, jene Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die Ihre Kunden von Ihnen erwarten. Hingegen würde man gern um ein kurzes Gespräch bitten, falls es genehm ist.«

      »Handelt es sich um gestern abend?« wollte die rothaarige Polly wissen. Ihr offenes Lächeln war verflogen und hatte einem mißtrauischen Zug Platz gemacht.

      »Es häufen sich da einige Fragen, die man Ihnen vorlegen möchte, Miß Flint«, bestätigte Parker.

      Die junge Frau zögerte einen Moment. Sie warf dann einen argwöhnischen Blick in Richtung Kneipe, bevor sie rasch aus dem Lichtkegel der Laterne trat und den Butler in einen stockdunklen Torweg zog.

      »Sie sind vielleicht ein komischer Kauz!« kicherte Polly. »Eigentlich sollte ich mich überhaupt nicht mit Ihnen einlassen. Aber wie Sie gestern abend John und Jerry fertiggemacht haben, hat mir einfach imponiert. Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut.«

      »Man tat nur seine Pflicht, Miß Flint«, wehrte Parker bescheiden ab. »Darf man im übrigen gleich die Frage anschließen, ob Sie nähere Einzelheiten über die soeben kurz erwähnten Herren mitteilen können?«

      »John Aycken ist der Blonde mit dem breiten Gesicht«, gab Polly Flint bereitwillig Auskunft. »Ihm gehört der ›Blaue Mond‹. Aber sonst weiß ich kaum etwas über ihn.«

      »Und der zweite Herr?« hakte der Butler nach.

      »Er heißt Jerry Hooper«, verriet die rothaarige Schöne. »Ich arbeite schon seit drei Jahren für ihn und kann mich eigentlich nicht beklagen. Aber wenn ein Mädchen aus der Reihe tanzt, kennt er keinen Pardon.«

      »Darf man die Hoffnung äußern, daß Sie auch über Fahrer und Beifahrer des weißen Ford Kombi Auskunft geben können, der gestern abend vor dem ›Blauen Mond‹ parkte?« bohrte Parker weiter.

      »Die habe ich gestern auch zum zweiten Mal gesehen«, beantwortete Polly die Frage. »Aber mit dem Wagen – das fand ich schon merkwürdig.«

      »Darf man um einen Hinweis bitten, wie Sie diese Äußerung verstanden wissen möchten, Miß Flint?«

      »Ein paar Minuten, bevor Sie hier auftauchten, kamen Jerry und ein Mann, den ich nur flüchtig vom Sehen kenne, mit dem weißen Wagen am ›Blauen Mond‹ an«, berichtete die junge Frau. »Beide gingen in die Kneipe, und gleich darauf kamen die anderen zwei Männer heraus und fuhren mit dem Wagen weg.«

      »Sehen Sie sich möglicherweise in der Lage, eine Vermutung zu äußern, womit das fragliche Fahrzeug beladen war, Miß Flint?«

      »Keine Ahnung«, erwiderte Polly. »Wirklich nicht. Außerdem haben ich Ihnen schon zu viel erzählt. Was glauben Sie, was ich für Ärger kriege, wenn das jemand erfährt.«

      »Selbstverständlich wird man Ihre Angaben mit äußerster Diskretion behandeln, Miß Flint«, versprach der Butler. Er bot der jungen Frau eine Banknote an, die sie blitzschnell in ihrem tiefen Dekolleté verschwinden ließ. »Im übrigen dankt man für die freundliche Auskunft und wünscht noch eine möglichst angenehme Nacht.«

      »Halt!« hielt Polly Flint ihn noch zurück. »Ich habe Ihnen meinen Namen gesagt und Dinge erzählt, die mich Kopf und Kragen kosten können. Jetzt müssen Sie aber auch sagen, wer Sie sind.«

      »Josuah Parker ist mein Name. Butler in den Diensten Lady Simpsons«, holte Parker die versäumte Vorstellung nach.

      Er hatte keine Bedenken, gegenüber der jungen Frau seine Identität zu lüften. Selbst wenn sie gegenüber ihrem Arbeitgeber verriet, wer sie um Informationen angegangen hatte, konnte ihm das mir recht sein.

      Möglich, daß die Gangster sich auf diese Weise aus der Reserve locken ließen und in Shepherd’s Market auftauchten, um die belastende Videokassette in ihren Besitz zu bringen. Dann würde man weitersehen ...

      »Lady Simpson?« wiederholte Polly Flint nahezu ehrfürchtig. »Das war Lady Simpson gestern abend? Die berühmte Privatdetektivin?«

      »Sie sagen es, Miß Flint«, bestätigte der Butler, ehe er lautlos in der Dunkelheit davonschritt.

      Nachdenklich setzte Polly Flint einen Fuß vor den anderen und kehrte langsam an ihren Platz unter der Laterne zurück. Ein eisiger Schrecken durchfuhr die junge Frau, als Jerry Hooper wie aus dem Boden gewachsen vor ihr stand.

      »War das nicht der Kerl von gestern abend?« fragte er lauernd. »Was hattet ihr zwei denn unter dem dunklen Torbogen zu besprechen?«

      *

      Josuah Parker hatte gerade mit den ersten Vorbereitungen für Myladys Frühstück begonnen, als ein Summton ihn aufmerken ließ. Die rote Signallampe über der Küchentür blinkte.

      Jemand hatte die Infrarotlichtschranke durchschritten, die Lady Simpsons Anwesen gegen unangemeldete Besucher abschirmte.

      Der Butler nahm die Pfanne vom Herd, die er eben aufgesetzt hatte, und stieg ohne Hast die Stufen zum Erdgeschoß hinauf. Als er die Diele erreichte, standen die Ankömmlinge schon vor der Haustür und drückten auf den Klingelknopf.

      »Guten Morgen«, grüßte der ältere der beiden Männer freundlich, als Parker die Tür öffnete. »Wir kommen vom Gaswerk, müssen Ihren Zähler ablesen und die Anschlüsse kontrollieren.«

      Der angebliche Gasmann war an die Fünfzig, breitschultrig und untersetzt. Um seine wuchtige Kinnlade sprossen graue Bartstoppeln. Bekleidet war er – wie sein Kollege – mit einem blauen Arbeitskittel.

      Der zweite, wesentlich jüngere Mann schleppte eine Werkzeugkiste von ansehnlichem Gewicht. Er trug eine Nickelbrille mit starken Minusgläsern, die seine kleinen, rotgeränderten Augen noch winziger erscheinen ließ.

      »Darf man die Herren bitten zu folgen?« sagte Parker mit einer angedeuteten Verbeugung. »Der Gaszähler befindet sich im Souterrain, falls der Hinweis erlaubt ist.«

      Etwas mühsam drängten sich die Besucher durch die Tür, die der Butler nur halb geöffnet hatte. Dabei entging ihnen völlig, daß Parker blitzschnell in ihre Jacken griff und die wohlgefüllten Schulterhalfter leerte. Dabei hatte er eine Fertigkeit entwickelt, die selbst Horace Pickett in Erstaunen versetzte.

      »So, jetzt wollen wir mal zur Sache kommen«, grunzte der Stoppelbärtige und verzog den Mund zu hämischem Grinsen, während sein Kollege den Werkzeugkasten krachend auf einen zierlichen Rosenholztisch setzte.

      »Möglicherweise darf man die Frage äußern, welche ›Sache‹ Sie zu meinen belieben«, erwiderte der Butler ruhig. Gleichzeitig hob er wie beiläufig den Werkzeugkasten vom Tisch und ließ ihn aus Versehen auf die Füße des Brillenträgers plumpsen.

      Mit langgezogenem Jaulton meldete der junge Mann, der offensichtlich unter Hühneraugen litt, die Ankunft des stählernen Kastens. Wimmernd hüpfte er von einem Bein aufs andere und massierte seine malträtierten Zehen.

      »Was