Kenon hüpfte freudig umher. »Jetzt können wir diese elenden Höhlen endlich verlassen.«
Ja, das konnten sie. Selbst Rakun musste beim Anblick dieser Stadt alle Vorbehalte vergessen. Hier fanden sie stabile Häuser, das Licht fiel auf sie herab und streichelte die Haut, das Wasser war rein und klar.
Kenon griff in sein Gewand und zog etwas hervor. »Schau nur, was ich gefunden habe.«
»Ein Mentiglobus.«
»Ich habe bereits die Erinnerung hineingelegt. So können die anderen an dieser Entdeckung teilhaben.« Die Freude schien in sein Gesicht gemeißelt. »Wir werden überleben!«
Ein Sprung brachte sie zurück in die Höhlen, wo sie die freudige Nachricht mit den Übrigen teilten. Erst an diesem Punkt begriff Shairi, dass Rakun seine Zeit genutzt hatte. Wieder und wieder hatte er davon gepredigt, dass die Städte vom Himmel gefallen waren. Der Verlust von Iria Kon und vielen geliebten Menschen hatte nicht wenige der Freunde erschüttert. Sie wollten nicht nach oben in die Lüfte, stattdessen boten die Höhlen Platz und Sicherheit, sollten ausgebaut werden.
Shairi machte einen Versuch, den Mentiglobus zu übergeben, doch Rakun zückte seinen neu geschnitzten Stab und schlug den Erinnerungsspeicher beiseite.
»Mit meinen eigenen Händen habe ich ihn geschnitzt, aus dem Holz dieser Erde.« Wütend funkelte er sie an. »Die Hybris darf sich nicht wiederholen, uns ist die Tiefe bestimmt, nicht der Himmel. Wenn ihr aufsteigt in die Höhe, bringt ihr uns alle in Gefahr.«
»Ich werde gehen«, stellte Shairi klar. »Und wer möchte, kann sich uns anschließen.«
Sie konnte sehen, dass Rakuns Finger zuckten. Wahn glitzerte in seinem Blick. Würde er sie tatsächlich angreifen? Erste Männer und Frauen eilten zum Ausgang der Höhle. Ein stetiger Strom an Halbwüchsigen und Kindern, Älteren und Jüngeren folgte. Doch es waren weniger, als sie vermutet hatte.
»Rakun, komm mit uns, ich bitte dich.«
»Ich werde euch folgen«, flüsterte er. »Um die letzte Stadt zu Fall zu bringen.«
Sie verstand ihn nicht, verstand seinen neu erwachten Hass nicht. Doch sie würde sich dem keinesfalls unterwerfen.
»Leb wohl, alter Freund.«
Sie wandte sich ab.
»Potesta Maxima!«, brüllte er hinter ihr.
»Shairi«, erklang die panische Stimme von Kenon.
Ein Schlag, dann folgte Dunkelheit.
Kevin hatte die Arme verschränkt und ließ seine Muskeln spielen. Sein Gesicht war eine einzige Maske. Hätte er seine wahren Gefühle gezeigt, wäre das alles andere als hilfreich gewesen.
Gemeinsam mit Alex war er auf die East End gewechselt, die über ein Tau mit der Zuflucht verbunden war. Hier hielt Moriarty sich die meiste Zeit auf, wie ein König, der über seinem Reich thronte.
Nur wenige Meter entfernt saß der Mann, der Kevins Verlobten umgebracht hatte. Ohne das Opfer von Edison wäre Max an jenem Tag in seinen Armen gestorben. Ein Augenblick, der sich auf ewig in sein Gedächtnis gebrannt hatte.
»Ich denke, wir besprechen das lieber unter sechs Augen.« Moriarty schenkte sich nach. »In der Zuflucht gibt es zu viele Ohren.«
Der Unsterbliche trug Hemd und Weste, sein Körper war gespannt wie eine Sprungfeder; als rechnete er jeden Augenblick mit einer Attacke. Das schwarze Haar war dicht, aber graumeliert.
»Was meinst du damit, du hast eine Lösung?«, fragte Alex.
»Ich verlange von euch, dass ihr alles, was wir gleich besprechen, als geheim einstuft. Es darf nicht weitergegeben werden.« Der Unsterbliche wartete, bis sie beide nickten. »Stellt mich nicht auf die Probe. Ich werde erfahren, wenn ihr diese Zusage brecht.«
»Jen liegt dort unten im Koma«, blaffte Alex. »Rede endlich!«
»Ich habe ein ähnliches Phänomen schon einmal erlebt und kann dir versichern, dass Jen langsam dahinsiechen wird, wenn wir nichts unternehmen. Möglicherweise hält der Fluch auch etwas anderes bereit, das kann man nie so genau sagen.« Moriarty zog eine Schublade seines Schreibtisches auf und nahm ein Kästchen heraus. »Ich bin bereit, euch zu helfen. Schließlich stehen wir auf der gleichen Seite.«
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