hofft, daß Sie sich nicht allzusehr verletzt haben«, entschuldigte sich Parker und setzte die Melone wieder auf. »Man konnte sich aber des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie meiner Person ein wenig gram sind und Schaden zufügen wollten.«
»Worauf Sie sich verlassen können!« Der Mann im Trenchcoat sah ein, daß mit reinem Körpereinsatz nichts zu machen war. Er erinnerte sich an seine Waffe und fingerte an den Knöpfen seines Mantels, um ihn zu öffnen.
Er hatte das kurzläufige Gewehr gerade hervorgezogen, als ihn etwas mit Urgewalt am Schlüsselbein traf. Er schrie entsetzt auf und vergaß umgehend seine bösen Absichten. Dann tastete er nach der getroffenen Stelle und vergewisserte sich, daß noch alles in Ordnung war.
Lady Agatha ließ ihren Pompadour ausschwingen und musterte grimmig den Mann. »Das wird Sie lehren, eine harmlose alte Frau anzugreifen«, sagte sie mit baritonal gefärbtem Organ. »In Zukunft passen Sie besser auf, -mit wem Sie sich anlegen.«
»Aber... ich will doch gar nichts von Ihnen«, japste er und musterte die Detektivin erschrocken. »Ich hab’ Sie bis eben ja nicht mal gesehen, verdammt noch mal.«
»Das war doch eine Beleidigung, Mister Parker?« erkundigte sich Agatha Simpson hoffnungsvoll bei ihrem Butler und rieb sich die Hände. »Ich denke, ich werde diesen Lümmel erst mal ordentlich ohrfeigen, um ihm Respekt beizubringen.«
Sie ließ ihrer Ankündigung die Tat folgen und holte genüßlich aus. Der Mann schaffte es nicht mehr, das Gesicht aus Lady Agathas Aktionsbereich zu bringen.
Ihre Rechte streifte seine linke Wange und vermittelte ihm das unangenehme Gefühl, dieses Körperteils verlustig gegangen zu sein. Er griff sich an die fragliche Stelle und atmete erleichtert auf, als er feststellte, daß sich die Wange noch an ihrem angestammten Platz befand.
»Möglicherweise sollte man sich an einem anderen Ort weiter unterhalten«, schlug Parker vor und dirigierte den Mann aus dem Zelt in Richtung Parkplatz. »Mein bescheidener Privatwagen steht hierfür zur Verfügung.«
Der Butler schob den Trenchcoat-Träger sanft, aber unnachgiebig und mit fester Hand vor sich her, Gleichzeitig erleichterte er ihn mit der Geschicklichkeit eines professionellen Taschendiebs.
Parker zog ihm aus dem Mantel eine Waffe, die Mylady interessiert musterte. Ein geeignetes Ziel für einen Probeschuß schien ihr wichtig zu sein.
»Ist das hier die Sicherung, Mister Parker?« fragte sie und deutete mit der Mündung der Waffe wie unabsichtlich auf den neben ihr Gehenden, während sie am Sicherungshebel spielte und ihn auf ›Feuer‹ stellte.
»Passen Sie doch auf, Lady! Das Ding ist geladen!« beschwor sie der unscheinbar aussehende Mann und schob entsetzt den Lauf der Waffe zur Seite. »Haben Sie eigentlich ’ne Ahnung, wie schnell so was losgehen kann?«
»Eine Frage, die man näher erörtern sollte«, bemerkte Parker, der sein hochbeiniges Monstrum aufschloß und den Trenchcoat-Träger in den Fond bat. »Sicher möchten Sie Mylady Näheres zu dem Auftrag mitteilen, der Sie hergeführt hat.«
»Einen Dreck möchte ich!« zischte der Unbekannte wütend und wurde plötzlich aktiv. Seine Hand fuhr in die Manteltasche und suchte dort das tückisch aussehende Klappmesser, das Parker längst sichergestellt hatte.
Verblüfft hielt er inne, als er in der leeren Tasche auf keinerlei Widerstand traf. Der Überraschte starrte verdutzt auf Parkers Hand, die ihm den gesuchten Gegenstand entgegenhielt.
»Suchten Sie dieses Messer, Sir?« fragte der Butler höflich. »Aus Gründen der Sicherheit hat man sich erlaubt, es für Sie in Verwahrung zu nehmen und dabei Ihr stillschweigendes Einverständnis vorausgesetzt.«
»Ich bring’ Sie um!« kündigte der Mann an und fuhr herum, um auf Parker einzudringen.
»Ihre Manieren lassen zu wünschen übrig, Sir«, teilte Parker ihm mit und machte ihn mit der Spitze seines Universal-Regenschirmes bekannt, die sich in seinen Solarplexus bohrte und sein Temperament umgehend dämpfte.
*
»Und hat er Ihnen gesagt, warum er auf die Frau geschossen hat?« erkundigte sich Mike Rander eine Stunde später, nachdem Lady Agatha und Parker in das altehrwürdige Fachwerkhaus nach Shepherd’s Market zurückgekehrt waren. Der etwa vierzigjährige Anwalt, der Lady Agathas immenses Vermögen verwaltete und verblüffend einem bekannten James-Bond-Darsteller ähnelte, war mit Kathy Porter aus seiner nahe gelegenen Kanzlei in der Curzon Street herübergekommen.
»Mitnichten, Sir«, antwortete Parker, der den Anwalt aus gemeinsam verbrachter Zeit in den USA kannte, wo sie viele Kriminalfälle gelöst hatten. »Der Schütze hüllte sich, wie der Volksmund sagt, in beharrliches Schweigen und war bislang nicht willens, eine Aussage zu machen.«
»Was sich aber bald ändern wird«, kündigte die Hausherrin grimmig an und fuhr mit der Hand durch die Luft, um zu zeigen, wie sie das Schweigen des Mannes zu brechen gedachte. »Ich werde mich mit diesem Subjekt eingehend befassen.«
»Sie haben ihn also hierher eingeladen, Mylady«, stellte Kathy Porter lächelnd fest. Die schlanke Frau von etwa dreißig Jahren sah berückend aus. Hochangesetzte Wangenknochen verliehen ihr einen gewissen exotischen Reiz.
Sie wirkte im allgemeinen wie ein scheues Reh, konnte sich aber in Sekundenschnelle in eine Pantherkatze verwandeln und war von Butler Parker in allen Spielarten fernöstlicher Verteidigungstechnik ausgebildet worden. Es war übrigens der Ehrgeiz und innigste Wunsch der Lady, ihre Gesellschafterin und Sekretärin mit dem Anwalt zu verheiraten. Zur Verwirklichung dieses Traumes tat Mylady alles.
»Mister Parker hat mir den Lümmel aufgeladen«, erklärte die Detektivin. »Es scheint sein Hobby zu sein, das Haus mit Gästen zu füllen, die ich durchfüttern muß.«
»Mylady haben die Möglichkeit, den Schützen des heimtückisch abgefeuerten Schusses einer intensiven Befragung zu unterziehen und so die Wahrheit zu erfahren«, bemerkte Parker gemessen.
»Papperlapapp, Mister Parker, das hätte ich auch im Wagen gekonnt, wenn Sie dem Mann mit Ihrem Schirm nicht so zugesetzt hätten, daß er vor Schreck verstummte.«
»Mister Parker wird ihn doch wohl nicht etwa mißhandelt haben«, sorgte sich Mike Rander und zwinkerte Kathy Porter zu. »Als Anwalt könnte ich so etwas auf gar keinen Fall billigen, Mylady.«
»Unsinn, mein lieber Junge, dazu ist Mister Parker doch viel zu nachgiebig und zu weich«, winkte die ältere Dame ab. »Ein paar ordentliche Ohrfeigen hätten dem Kerl gehört.«
»Einige Zuschauer auf dem Weg zu den Toiletten waren aufmerksam geworden und hätten sich möglicherweise als störend erweisen können. Meine bescheidene Wenigkeit hielt es deshalb für das beste, das sprichwörtliche Feld zu räumen.«
»Was ein Fehler war, Mister Parker«, schnappte die Lady und schüttelte den Kopf.
»Was man außerordentlich bedauert, Mylady«, korrigierte der Butler höflich. »Für den Fall jedoch, daß jemand aus den Reihen der aufmerksam gewordenen Zuschauer die Polizei verständigt hätte, wäre Mister McWarden aufmerksam geworden, daß Mylady sich mit einem neuen Fall beschäftigen.«
»Das ist wahr, Mister Parker.« Lady Agatha winkte huldvoll ihrem Butler zu. »Aber McWarden ist keine Konkurrenz für mich.«
»Möglicherweise verunsichert er aber Myladys Gegner, und sie hätten ihre Verstecke aufgesucht«, gab Parker zu bedenken. »Mylady legen jedoch Wert darauf, diese Leute ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren und sie dort zu stellen.«
»Nun ja, Mister Parker, das ist natürlich ein Aspekt«, gab sie widerwillig zu. »Ein Jäger wie McWarden wäre tatsächlich in der Lage, mir mein Wild zu vergraulen und die Arbeit unnötig zu erschweren.«
»Was zu verhindern in meiner Absicht lag«, stellte Parker gemessen und würdevoll fest.
»Warum wollte man mich ausgerechnet in einem Zirkus umbringen?« dachte Lady Agatha laut nach und interpretierte den Schuß auf die junge Frau auf recht eigenwillige Weise. »Da muß doch etwas